Die Herausforderungen, vor denen Hessens Schulen stehen, sind groß: Trotz vielfältiger Anstrengungen der letzten Jahre ist der Lehrkräftearbeitsmarkt auch in Hessen weiterhin angespannt. So haben nach Auskunft des Kultusministeriums auf eine kleine Anfrage der GRÜNEN im letzten Schuljahr mindestens 830 Lehrkräfte an Hessens Schulen gefehlt. Dabei ist die Zahl von 830 unbesetzten Stellen noch die wohlwollende Interpretation der Ergebnisse – werden Stellenüberhänge, die es in manchen Schulamtsbezirken an manchen Schulformen gibt, nicht gegengerechnet, beläuft sich das Minus hessenweit sogar auf knapp 1000 unbesetzte Stellen. Zudem haben viele Schüler*innen auch in Folge der Corona-Pandemie große Defizite im Lesen, Schreiben und Rechnen. Die hessischen Abiturergebnisse 2024 zeigen dabei ein wachsendes Leistungsgefälle innerhalb der Schülerschaft mit immer mehr Einser-Abschlüssen auf der einen und nicht bestandenen Abiturprüfungen auf der anderen Seite. Die Ergebnisse der Abschlussprüfungen an Haupt- und Realschulen hat das Kultusministerium wohl sicherheitshalber erst gar nicht veröffentlicht.
Doch anstatt sich diesen Herausforderungen anzunehmen, beschäftigt sich der neue Kultusminister lieber mit Symbolthemen wie dem Genderverbot und der Frage, ob die Bundesjugendspiele in der 3. und 4. Klasse nun ein ‚Wettbewerb‘ oder ‚Wettkampf‘ sein sollen. Mehr noch: Mit ihrem Nachtragshaushalt 2024 kürzt die neue schwarz-rote Landesregierung erstmals seit vielen Jahren an der Bildung. Nach eigenen Angaben will sie auch beim Corona-Aufholprogramm „Löwenstark“ sparen, obwohl die Pandemie den Kindern und Jugendlichen noch in den Knochen steckt. Und zur Schuldigitalisierung erklärte der Kultusminister kürzlich, sich in der Frage der Laptopausstattung bis 2029 Zeit lassen zu wollen. „Das ist eine Politik des Aussitzens, der Ablenkungsmanöver und der falschen Prioritätensetzung“, kritisiert Daniel May, bildungspolitischer Sprecher der GRÜNEN Landtagsfraktion. „Doch durch Aussitzen und Ablenkungsmanöver werden die Herausforderungen nicht verschwinden. Wir fordern deswegen den Kultusminister und die gesamte schwarz-rote Koalition auf, den Schuljahresbeginn 2024/2025 als Neustart zu nutzen und endlich die wahren Herausforderungen an unseren Schulen konsequent anzugehen“, appelliert May.
Echte Lehrkräfteoffensive statt neuer Slogans und Stellenkürzungen
„Dass die neue Landesregierung trotz der angespannten Lehrkräftesituation als eine ihrer ersten Amtshandlungen über 200 Lehrkräftestellen gestrichen hat, sendet das völlig falsche Signal. Auch ein neuer Kampagnenslogan zur Lehrkräftegewinnung ist noch keine Lehrkräfteoffensive. Wir fordern die Koalition vielmehr auf, die jüngsten KMK-Beschlüsse für neue Wege ins Lehramt – mit Quereinstiegs-Masterstudiengängen, Ein-Fach-Lehrkräften und der dualen Lehrkräfteausbildung – schnellstmöglich umzusetzen, um weitere Zielgruppen für den Beruf zu erschließen und angehende Lehrkräfte früher an Schulen einsetzen zu können. Die heutige Ankündigung des Kultusministers, in den Quereinstieg für Ein-Fach-Lehrkräfte einzusteigen, begrüßen wir deswegen ausdrücklich. Benachbarte Bundesländer haben sich bereits mit der dualen Lehrkräfteausbildung auf den Weg gemacht. Hier darf Hessen nicht den Anschluss verlieren.“, so May.
Flächendeckende digitale Ausstattung ab Klasse 7
Auch die Potenziale der Digitalisierung müssen angesichts der angespannten Lehrkräftesituation und zur besseren individuellen Förderung stärker ausgeschöpft werden. Wir GRÜNEN fordern, dass alle Schüler*innen ab der 7. Klasse über ein Mietkaufmodell mit einem digitalen Endgerät ausgestattet werden. Für bedürftige Schüler*innen müssen genügend kostenlose Geräte zur Verfügung stehen. May: „Die bayerische Landesregierung, die Boris Rhein sonst gerne zum Vorbild nimmt, hat nun ein ähnliches Modell beschlossen. Kultusminister Schwarz hingegen wartet auf den Bund und möchte sich mit einer Regelung zur Laptopausstattung bis 2029 Zeit lassen.“ Darüber hinaus muss ein Katalog mit fachlich geprüften digitalen Lernmitteln für alle Inhalte der Kerncurricula ab Klasse 5 aufgebaut und die Lehrkräftefortbildung hierauf abstimmt werden. „Denn wir brauchen digitales Lehren und Lernen aus einem Guss“, so May.
Aufholen nach Corona im Bereich Lesen, Schreiben und Rechnen
Der Förderbedarf vor allem im Bereich Lesen, Schreiben und Rechnen ist enorm. „Umso unverständlicher ist, dass die Landesregierung beim Corona-Aufholprogramm kürzen will. Wir fordern vielmehr, allen Schulen dauerhaft ein Chancenbudget für zusätzliche Förderangebote zur Verfügung zu stellen. Auch der Ausbau multiprofessioneller Teams an Schulen mit großen Herausforderungen muss weiter beschleunigt werden, um eine weitere Polarisierung des Bildungserfolgs zu verhindern und Lehrkräfte zu entlasten.“
Endspurt für den Rechtsanspruch Ganztag ab 2026
Nach Aussage des Kultusministers bestand zuletzt noch eine Lücke von ca. 33.000 Plätzen zur Umsetzung des Rechtsanspruchs Ganztag für Grundschulkinder. „Wir GRÜNEN fordern von der Landesregierung, gemeinsam mit den Schulträgern schnellstmöglich einen regionalisierten Fahrplan zum Schließen der noch bestehenden Lücken vorzulegen. Außerdem braucht es ein Konzept mit Qualitätskriterien, das Angebote in den Bereichen Kultur und Sport, individuelle Förderung und eine gesunde Schulverpflegung als feste Bestandteile des Ganztags verankert.“
Ausbau der Demokratie- und Medienbildung
Die liberale Demokratie steht von allen Seiten unter Druck – das macht sich auch an unseren Schulen bemerkbar, extremistische Vorfälle nehmen zu. „Deswegen halten wir eine weitere Stärkung der Demokratiebildung und Extremismusprävention an Schulen für unbedingt notwendig – nicht nur in Intensivklassen für zugewanderte Schüler*innen. Insbesondere der Umgang mit Hate Speech, Desinformation und Verschwörungstheorien in den sozialen Medien muss noch stärker im Unterricht verankert werden.“
_ _ _
Die kleine Anfrage zur Lehrkräfteversorgung kann hier abgerufen werden: 00197.pdf (hessen.de)
Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecherin: Lisa Uphoff
Schlossplatz 1-3; 65183 Wiesbaden
Fon: 0611/350597; Fax: 0611/350601
Mail: presse-gruene@ltg.hessen.de
Web: http://www.gruene-hessen.de/landtag