Die Corona-Pandemie hat den Schulbetrieb in den vergangenen 16 Monaten massiv eingeschränkt und ist insbesondere für Kinder und Jugendliche mit enormen Belastungen verbunden. Das zurückgehende Infektionsgeschehen der vergangenen Wochen gibt uns nun glücklicherweise die Möglichkeit, die Schulen wieder zu öffnen. Um die Erfolge der Pandemiebekämpfung und die Öffnungsschritte nun nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen, werden gewisse Schutzmaßnahmen aber noch eine Weile notwendig sein.
In den verbleibenden Wochen des Schuljahrs wird es nun darum gehen, die Schüler*innen wieder an den regulären Schulbetrieb zurückzuführen, ihre Probleme, Sorgen und Ängste aufzufangen und bei ihren unterschiedlichen Wissensständen abzuholen. Bewertete Leistungsüberprüfungen stehen dabei nicht im Mittelpunkt. Zudem gibt es einen umfassenden Nachteilsausgleich bei der Versetzung. Im Rahmen der „pädagogischen Versetzung“ können alle Schüler*innen mit ausreichenden Leistungen im Schuljahr 2019/2020 in diesem Schuljahr versetzt werden – auch wenn die Noten in diesem Jahr keine Versetzung vorgesehen hätten. Lediglich wer das zweite Jahr in Folge keine ausreichenden Leistungen vorweisen kann, wird nicht automatisch versetzt. Zudem wird es erneut die Möglichkeit der freiwilligen Wiederholung ohne Anrechnung auf künftige Wiederholungen geben.
In den kommenden Schuljahren wird der Schwerpunkt darauf liegen, Kinder und Jugendliche mit vielfältigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten zu stabilisieren und Rückstände nachzuholen. Mit einer sozialindizierten Erhöhung der Budgets werden die Schulen besonders gefördert, wo die Herausforderungen am größten sind. Wir fördern zentrale und dezentrale Maßnahmen: Vor Ort können die Schulen passgenaue Kompensationsmaßnahmen auf den Weg bringen. Zentrale Angebote wie außerschulische und Ferienförderprogramme oder Fortbildungen für Lehrkräfte zur Diagnostik kommen ergänzend hinzu. Bei allen Maßnahmen liegt das Augenmerk nicht allein auf der Kompensation verpasster Lerninhalte, sondern einer ganzheitlichen Beratung und Unterstützung. Auch wird die Kompensation Zeit brauchen und nicht in einem Jahr zu leisten sein. Diese Zeit werden wir den Schüler*innen geben.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse wir aus der Pandemie für den Schulbetrieb perspektivisch mitnehmen. Das vergangene Jahr hat uns nochmals die Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Hintergrund gezeigt. Eltern konnten nur sehr unterschiedlich auffangen, was die Schule auf einmal nicht mehr leisten konnte. Dies gilt umso mehr, da die Erziehungs- und Beziehungsleistungen, die familienergänzende Funktion von Schule in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Raum eingenommen hat. Deswegen muss die Schule als sozialer Lebensraum von Kindern und Jugendlichen weiter gestärkt werden. Das bedeutet, dass wir Ganztagsangebote konsequent weiter ausbauen und hier Angebote im Bereich sprachlicher, kultureller, musisch-künstlerischer und Umweltbildung gezielter einbringen müssen. Wir werden die multiprofessionellen Teams weiter stärken, insbesondere über den Ausbau der Schulsozialarbeit und die sozialindizierte Lehrkräftezuweisung.
Zudem hat die Corona-Krise trotz aller Hast und den Schwächen bei der Umsetzung, Chancen der Digitalisierung für die Förderung von Schüler*innen aufgezeigt. Eine auf Dauer sinnvolle Digitalisierung ermöglicht individuelle Förderung durch den Präsenzunterricht ergänzende Lern-Lehr-Settings. Die Simulation oder der Clip können die Lehrkraft entlasten und somit die Chancengerechtigkeit durch Binnendifferenzierung verbessern. Die Investitionen in digitale Infrastruktur brauchen eine dauerhafte Perspektive: auch nach Ende der jetzigen Digitalpaktprogramme werden Mittel für Infrastruktur, Geräte und Support benötigt.
Hier müssen Bund und Länder eine dauerhafte Vereinbarung schließen, damit in drei Jahren die Digitalisierung nicht wieder heruntergefahren wird. Vieles was nun entstanden ist, muss evaluiert und durch Implementierung in Aus- und Fortbildung für alle Lehrkräfte als neue Instrumente zur Verfügung gestellt werden. Die Digitalisierung als integriertes Element des Schulbetriebs muss mit pädagogischen Konzepten hinterlegt werden, um Schüler*innen besser individuell zu fördern.