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10.09.2020

NSU 2.0 - Expertenkommission und Polizeibeauftragter

NSU 2.0

Die Ermittlungen gegen die Verfasser der NSU 2.0-Drohmails kommen nur langsam voran. Grund dafür ist, dass die Täter über einen russischen Dienstleister operieren und eine hoch effektive Verschlüsselungssoftware benutzen. Ein bereits im September 2019 in dieser Sache an Moskau gerichtetes Rechtshilfeersuchen der hessischen Staatsanwaltschaft ist bislang nicht beantwortet worden. Auch wenn die hessischen Justizbehörden sich im Juli 2020 an das Bundeskanzleramt, das Außenministerium und Bundesjustizministerium gewandt und um Unterstützung bei der Zusammenarbeit mit den russischen Strafverfolgungsbehörden gebeten haben, bleibt der Ausgang weiter ungewiss.

Auch die Frage, ob und in welcher Weise Polizeibeamte in Vorgänge um die NSU 2.0-Drohmails verwickelt sind, kann noch nicht beantwortet werden. Es wird davon ausgegangen, dass sowohl von Computern hessischer Polizeidienststellen als auch von Polizeidienststellen anderer Bundesländer aus die persönlichen Daten der bedrohten Personen abgefragt wurden (die These, dass die Computer von außen gehackt wurden, konnte bislang nicht bestätigt werden). Es kann aber, obwohl wegen des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Abfrage und Drohmails einiges dafür spricht, im Augenblick noch nicht sicher gesagt werden, dass tatsächlich eine solche Verbindung besteht. Bekannt ist, dass die Staatsanwaltschaft intensiv gegen einen Frankfurter Polizisten vom 1. Polizeirevier ermittelt, und dass der zunächst gegen seine Kollegin – von ihrem Dienstcomputer aus erfolgte im Jahr 2018 die Abfrage der persönlichen Daten der Frankfurter Rechtsanwältin Basay-Yildiz und ihrer Familie – gehegte Tatverdacht nicht mehr fortbesteht.

Expertenkommission

Am 18. August 2020 wurde die unabhängige Expertenkommission zur Aufarbeitung des Fehlverhaltens innerhalb der hessischen Polizei eingesetzt. Ihr gehören die ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Frau Prof. Dr. Angelika Nußberger, als Vorsitzende und der ehemalige GRÜNE Bundestagsabgeordnete und rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, als deren stellvertretender Vorsitzender an. Jerzy Montag war Sonderermittler des Deutschen Bundestages (Fall „Corelli“) und des Landtages von Sachsen-Anhalt (Fall Ouri Jalloh).
Frau Professor Nußberger hat bei der Vorstellung der Expertenkommission hervorgehoben:

„Eine gut funktionierende Polizei, die für die Bürger*innen da ist und zu der alle Vertrauen haben, ist das Rückgrat des Staates. Vertrauen aufzubauen dauert sehr lange; es zu zerstören geht sehr schnell. Deshalb ist es so wichtig klarzustellen, dass es in Hessen nach den Vorfällen der vergangenen Zeit ein weiter-so-wie-bisher nicht geben darf.“

Die Expertenkommission hat am 7. September ihre Arbeit aufgenommen. Wir erwarten, dass sie mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Reform der hessischen Polizei leisten wird.

Polizeibeauftragter

Die Regierungskoalition hat am 2. September 2020 einen Gesetzentwurf über die Hessische Bürger- und Polizeibeauftragte eingebracht. Er sieht vor, dass sich alle Hessischen Bürger*innen an eine unabhängige, beim Hessischen Landtag angesiedelte Stelle wenden können, wenn beim Kontakt mit Landesbehörden Probleme aufgetaucht sind, die sich sonst nicht mehr lösen lassen, oder wenn Bürger*innen sich von Bediensteten unangemessen behandelt fühlen. Dieses Beschwerderecht gilt ausdrücklich auch dann, wenn es um unangemessenes Verhalten der Polizei geht. Außerdem enthält das Gesetz eine Rechtsgrundlage für whistleblowing im Bereich der Polizei. Künftig dürfen Polizeibeamt*innen mit einer außenstehenden Person – nämlich der oder dem Polizeibeauftragten – auch über innerdienstliche Vorgänge sprechen, ohne dadurch rechtliche Nachteile zu erleiden.


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