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28.02.2013

Kai Klose: Gleichbehandlung der Ehe mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften – wo steht die Hessische Landesregierung?

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat in der letzten Woche erneut deutliche Worte gefunden:

Der Ausschluss der Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist schon gesagt worden: Bereits in den vier vorangegangenen Urteilen hat das höchste deutsche Gericht deutlich darauf hingewiesen, dass die Ungleichbehandlung von verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Es ist gut, dass das Verfassungsgericht dies getan hat.

Ich kann direkt an der Argumentation des Kollegen Mick anknüpfen. Dieses Urteil stärkt vor allem die Rechte von Kindern, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften aufwachsen. Es nimmt ihre Perspektive ein und stellt fest, dass sie keinerlei Vor- oder Nachteile erleiden, wenn sie bei einem homosexuellen Paar aufwachsen.

(Beifall des Abg. Hans-Christian Mick (FDP))

Schließlich, so das Verfassungsgericht, sei eine eingetragene Lebenspartnerschaft gleichermaßen auf Dauer angelegt und durch eine verbindliche Verantwortungsübernahme geprägt wie eine Ehe. Weiter heißt es:

Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe.

Wenn man es umgangssprachlich ausdrücken würde, könnte man sagen: Nur die Liebe zählt, die den Kindern entgegengebracht wird, nicht aber die sexuelle Orientierung ihrer Eltern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der FDP)

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Papier, weist bereits darauf hin, dass die Privilegierung der Ehe im Verhältnis zur eingetragenen Partnerschaft nicht mehr zu halten ist, weil keine einzige Ehe durch die Gleichbehandlung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft benachteiligt wird.

Herr Dr. Wagner, da geht Ihre Argumentation fehl. Denn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz schon deshalb gar nicht berührt sein kann.

Wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte aller bürgerlichen Ehen jedes Jahr zerbrechen, dann drängt sich doch ohnehin die Frage auf: Wer gefährdet die traditionelle Ehe mehr, die Homosexuellen, die heiraten wollen, oder die Heterosexuellen, die ihre Ehe auflösen?

(Zuruf des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Die stellvertretende Bundesvorsitzende der Union, Frau Klöckner, weist darauf hin, dass die steuerliche Ungleichbehandlung, gleiche Pflichten, nicht aber gleiche Rechte schon rein logisch nicht durchzuhalten ist; Frau Wolff, Herr Rhein auf dem Bundesparteitag der CDU. Oder auch Frau Wiesmann am Freitag vergangener Woche in der „FAZ“ – Zitat –:

Die mit der eingetragenen Partnerschaft dokumentierte Einstandspflicht verdient dieselben steuerlichen Rechte wie die Ehe.

Zwei Drittel der Unionswähler sind für die völlige Gleichstellung. Selbst Herr Schäuble, Frau Merkel und Herr Kauder bewegen sich. Nur in der ersten Reihe der hessischen Union ticken die Uhren weiterhin anders. Herr Dr. Wagner hat dem Bundesverfassungsgericht bereits im Herbst vorgeworfen, es höhle das Grundgesetz aus. Ins gleiche Horn stößt die von allen guten Geistern verlassene Frau Steinbach, wenn sie fragt, wer eigentlich die Verfassung vor den Verfassungsrichtern schütze.

(Zurufe der Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) und Ernst-Ewald Roth (SPD))

Wer vom Verfassungspatrioten zum potenziellen Fall für den Verfassungsschutz wird, sollte irgendwann darauf aufmerksam gemacht werden, dass er der Geisterfahrer ist und nicht alle, die ihm entgegenkommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich frage deshalb jeden Einzelnen in den Reihen der Regierungskoalition: Wie lange wollen Sie sich dieser Botschaft von Herrn Dr. Wagner noch widerspruchslos anschließen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn jenseits der juristischen Argumentation sollten Sie eines nicht vergessen: Es geht in dieser Debatte um ganz konkrete Menschen, die füreinander, und manche auch für Kinder, in allen Höhen und Tiefen des Lebens Verantwortung übernehmen, und denen Sie das Signal senden: Ihr seid für uns Menschen zweiter Klasse. Eure Liebe, die von euch gelebten Werte sind mit einem Makel behaftet.

Es mag Ihr politischer Herzenswunsch sein, Gleiches weiterhin ungleich zu behandeln. Politische Wünsche aber beeindrucken das höchste deutsche Gericht glücklicherweise nicht sonderlich. Die Gleichstellung ist kein Gnadenakt. Sie ist Verfassungsgebot. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SDP und bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Klose, vielen Dank.

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