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22.06.2016

Frank Kaufmann: Lärmpausen führen zu einer spürbaren Entlastung in der Region

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über Lärmpausen sprechen, sollten wir einen Blick in die durchaus spannende Historie der jüngsten, noch laufenden Flughafenausbaumaßnahmen in Frankfurt werfen. Schließlich fußt die in diesem Zusammenhang gerade streitig geführte Auseinandersetzung über den Begriff „Lärmverschiebung“ auf einer bereits längeren Historie.
Um es klarzumachen: Die deutlich umfangreichste Verschiebung von Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet wurde am 31.05.2007 in diesem Haus mit großer Mehrheit beschlossen. Damals ratifizierte der Landtag nämlich die Änderung des Landesentwicklungsplans, mit der die Lage der zusätzlichen Landebahn am Flughafen Frankfurt, der Nordwestbahn, bestimmt wurde. Genau durch diesen Beschluss wurden die Menschen, die im Süden Frankfurts leben, ebenso wie die Bewohnerinnen und Bewohner von Hochheim, Flörsheim und Hattersheim unter einen Lärmteppich von einer ihnen bislang nicht gekannter Lautstärke gezwungen. Beschlossen wurde dies übrigens nicht nur von der damals mit absoluter Mehrheit regierenden CDU, sondern gleichermaßen von den Fraktionen der FDP und der SPD – letztere mit zwei rühmlichen Ausnahmen.
Meine Damen und Herren, dieser Beschluss stand übrigens inhaltlich in klarem Widerspruch zu der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses, der seinerzeit zur Genehmigung der Startbahn 18 West ergangen war. Dort wurde versprochen, dass eine weitere Start- und Landebahn auf keinen Fall mehr genehmigt werde. Dieses Versprechen ist damals – sozusagen in grauer Vorzeit – gemacht worden, obendrein ergänzt durch die schriftlich fixierte Feststellung, dass eine weitere Parallelbahn schon deshalb nicht infrage kommen könne, weil sie zu einer unzumutbaren Fluglärmbelastung in bereits vorhandenen Siedlungsgebieten führen würde.
Dessen ungeachtet – ich sagte es bereits – gab es eine breite Zustimmung zu dieser „Unzumutbarkeit“, d. h. zu der Verschiebung der Anflugrouten, die sich auf die neue Landebahn richten. Diese räumliche Verschiebung von Fluglärm wurde für viele Menschen ab November 2011 grausame Realität, sodass selbst diejenigen, die sie 2007 beschlossen hatten, erkennbar erschraken. Seitdem hat das Thema „Verringerung der Fluglärmbelastung“ in diesem Hause – das begrüße ich außerordentlich – sehr viele engagierte Unterstützer gefunden, außer bei der FDP, und auch viele vernünftige Vorschläge hervorgebracht.
In den Verhandlungen zur Koalitionsvereinbarung mit der CDU konnten wir GRÜNE das Thema „Reduzierung der Fluglärmbelastung“ mit neuem Schwung versehen, sodass die schwarz-grüne Koalition jetzt das vertraglich vereinbarte gemeinsame Ziel hat, die mit dem Betrieb des Flughafens einhergehenden Belastungen für Mensch und Umwelt in einem höchstmöglichen Maß rasch wirksam zu verringern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Die Verfolgung dieses Ziels und dann die Lärmpausen haben wir im Koalitionsvertrag konsequenterweise genauer beschrieben. Kollege Kasseckert hat es bereits zitiert. Was daraus folgte, ist eine ausgesprochene Erfolgsgeschichte: 2013 vereinbart, 2014 konzipiert, 2015 ausprobiert und 2016 zum Regelbetrieb gemacht.
Meine Damen und Herren, auch wenn es der Opposition nicht passt, Schwarz-Grün hat wie angekündigt gehandelt und war dabei sehr erfolgreich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Skepsis und anfängliche Widerstände konnten überwunden werden, und am Ende konnte ein Konsens aller Beteiligten erzielt werden. In der alltäglichen Praxis bewährt sich das Konzept der Lärmpausen und führt zu einer spürbaren Entlastung.
In der Zeit der Erarbeitung und des Probebetriebs wurden Minister Al-Wazir und wir GRÜNE gern und reichlich mit Schmähkritik überschüttet. Der häufigste Vorwurf war dabei – wir haben ihn heute auch schon mehrfach gehört –, die Lärmpausen seien lediglich eine Lärmverschiebung. Zum wiederholten Mal will ich hier feststellen – und es heute damit hoffentlich abschließen –, dass dieser Vorwurf schon deshalb ins Leere geht, weil, wie bereits dargestellt, auch die Inbetriebnahme der Nordwestbahn nichts anderes bewirkte als eine Lärmverschiebung.
Da die Zahl der lärmerzeugenden Flugzeuge seit 2007 stagniert, sogar leicht rückläufig ist, gibt es nämlich insgesamt keinen Zuwachs bei den Fluglärmmengen. Dass seit November 2011 rund die Hälfte der Flugzeuge eine neue Landebahn ansteuert und damit auch andere Anflugverfahren verwendet, bedeutet eine Umverteilung der Lärmbelastung – also genau eine solche Verschiebung. Sie ging zulasten der Bewohnerinnen und Bewohner, die unter den neuen Anflugrouten leben, und entlastete – zumindest bei der Zahl der Überflüge und der damit verbundenen Fluglärmmenge – die bisher Belasteten. Das ist eine Veränderung der Belastung durch eine Verschiebung des Fluglärms. Das ist die Geschichte der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest.
Deshalb sagt schon allein die Logik, dass eine klug gesteuerte und zeitlich variierte Nutzung der Landebahn einen positiven Effekt im Hinblick auf die Verringerung der Belastung hat. Diesmal wird nämlich eine Lärmverschiebung zugunsten von Betroffenen durchgeführt. Genau das wurde im Probebetrieb realisiert und evaluiert. Die Daten kennen Sie aus dem Monitoringbericht, ich will sie deshalb nicht alle wiederholen.
Es gibt eindeutig messbare und wahrgenommene Entlastungen, vor allem im Süden Frankfurts. Deshalb konnte auch festgestellt werden, dass die Mehrheit der Menschen – mehr als zwei Drittel – will, dass die Lärmpausen im Regelbetrieb weitergeführt werden. Genau dies ist nunmehr mit allen Beteiligten im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung auch rechtlich abgesichert.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Zu den Einwänden, die gerade vorgetragen wurden: Alle Redner, die das kritisiert haben – insbesondere Kollege Lenders: was denn die Zukunft bringe –, haben schon wieder vergessen, dass im Planfeststellungsbeschluss nur für die beiden Nachtrandstunden eine verringerte Zahl von Flugbewegungen genehmigt ist. Das heißt, das Auffüllen, das Sie hier gerade an die Wand gemalt haben, ist – ich sage deutlich: glücklicherweise – in diesen beiden Stunden gar nicht möglich. Die Grundlage für die Lärmpausen wird also dauerhaft bestehen bleiben.
Meine Damen und Herren, wir setzen mit dieser Debatte einen dicken grünen Haken hinter das Projekt Lärmpause. Eine wesentliche Etappe ist absolviert. Die Lärmpausen sind in der Version 1.0 eingeführt. Das soll zugleich heißen, dass wir uns natürlich weiter der Fortentwicklung widmen werden, denn niemand hat gesagt, dass mit den ersten Lärmpausen beim Engagement für mehr Schutz vor Fluglärm Schluss sei. Ich erinnere an den Koalitionsvertrag.
Während wir uns also weiter für mehr Lärmschutz engagieren, wird die nächste kleinliche Anfrage des FDP-Kollegen Lenders zur Rechtsqualität bzw. den rechtlichen Grundlagen der Lärmpausen nicht lange auf sich warten lassen. Vielleicht werden es auch noch andere Kolleginnen und Kollegen aus der Opposition richtig finden, dass sich ihre Beiträge zum Lärmschutz ausschließlich auf dieselben Fragen im Parlament beschränken. Ich muss Sie dabei allerdings daran erinnern, dass Sie auf diese Weise keinen wirklichen Beitrag zur Verringerung der Fluglärmbelastung für die Menschen in der Region leisten.
Meine Damen und Herren, deswegen kann ich abschließend feststellen, dass sich Regierung und Opposition in dieser Frage, nämlich der Verringerung der Fluglärmbelastung, deutlich unterscheiden. Wir tun das Richtige, und Sie meckern nur rum. Das kann meiner Meinung nach weiterhin so bleiben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.