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20.04.2016
Portraitfoto von Daniel May vor grauem Hintergrund.

Daniel May: Änderung des Hessischen Schulgesetzes

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Dass die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf durchaus ein wichtiges Thema adressiert hat, nämlich wie wir junge Geflüchtete besser fördern können, habe ich beim letzten Plenardurchgang schon zugestanden. An dieser Feststellung ist auch nichts zu ändern.
Aber ich finde, dass die Debatte heute in eine Scheindebatte abgedriftet ist, nämlich eine Scheindebatte, die dahin geht – Frau Cárdenas hat das eben gerade auch noch einmal gemacht –, dass die einen die Förderung der jungen erwachsenen Geflüchteten wollen, die anderen aber nicht. Das ist einfach falsch. Ich finde es unredlich, dass Sie versuchen, das hier so aufzumachen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Denn wir reden hier darüber, welches Instrument das richtige ist, um junge Geflüchtete bestmöglich zu fördern. Darum geht der Streit. Von daher finde ich, dass die Zitate, die Sie da geliefert haben, dass wir Fachkräfte und gut ausgebildete junge Menschen bräuchten, alles Teil der Scheindebatte war. Denn an dieser Stelle gibt es keinen Widerspruch. Da besteht hoffentlich Einigkeit in diesem Haus. Die Frage ist aber, ob dieser Gesetzentwurf tatsächlich sinnvoll ist, um dieses Ziel zu erreichen. Daran haben wir immer noch Zweifel.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Michael Boddenberg und Judith Lannert (CDU))
Ich hatte im ersten Durchgang schon gesagt, dass ein Gesetzentwurf, der an und für sich den Zugang zur Berufsschule ändert, kein Konzept ersetzen kann. Ich habe schon seinerzeit gefragt, ob dieser Gesetzentwurf mit der vorgeschlagenen Änderung nicht auch Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringen könnte, die wir noch nicht absehen können.
Zweitens hatte ich schon festgestellt, dass wir weitere Förderangebote für junge erwachsene Geflüchtete brauchen und dass wir diese weiterentwickeln müssen. Ich hatte seinerzeit angeboten, dass wir uns darüber im Kulturpolitischen Ausschuss intensiv unterhalten. Das hat auch so stattgefunden.
Wenn man sich diese beiden Vorüberlegungen mit anschaut, kommt man zu dem Ergebnis, dass das Angebot des Besuchs einer Berufsschule an und für sich noch kein Förderangebot bedeutet. Das muss natürlich in den Berufsschulen mit Leben erfüllt werden. Das wird von den Berufsschulen auch verlangt. Ich sehe Zustimmung des Kollegen Merz.
Zweitens müssen wir schauen, welche Nebeneffekte eine solche Öffnung haben kann. In diesem Sinne haben wir die Anhörung ausgewertet.
Wenn wir die Anhörung auswerten, sehen wir, dass es kein so eindeutiges Votum gegeben hat, wie Sie, Herr Kollege Merz, es dargestellt haben. Ich glaube, es ist vom Kollegen Schwarz schon richtig darauf hingewiesen worden, dass es dort einen Aspekt gibt, über den man nicht so einfach hinweggehen kann, nämlich was das für die Situation vollschulische Ausbildung versus duale Ausbildung bedeutet. Es gab dort einige Stellungnahmen, die das auch so angesprochen haben.
(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
An dieser Stelle ist das Problem, dass Sie kein Angebot für die jungen Geflüchteten machen, sondern für alle bis 27-Jährigen. Jetzt stellt sich aber die Frage – und darauf sind Sie bisher noch nicht eingegangen –, warum die Maßnahmen, die bisher für alle diejenigen, die in diese Altersgruppe fallen, schlecht sein sollen, sodass man diese neue Maßnahme braucht. Darauf sind Sie nicht eingegangen. Daher müssen wir das schon einmal näher betrachten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Gerhard Merz (SPD): Das ist nicht das Problem! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))
Herr Kollege Merz, ich glaube, dass Schlussfolgerungen hier schon frei gezogen werden dürfen. Ich möchte Ihnen einfach einmal drei Schlussfolgerungen darlegen,
(Unruhe bei der SPD – Glockenzeichen der Präsidentin)
die nicht von mir, sondern von Anzuhörenden stammen. Dann können Sie das denen vorhalten.
Erstens. Frau Birgit Groß, Geschäftsführerin des DGB Bildungswerkes,
(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
fragt:
Was passiert, wenn tatsächlich für alle die Berufsschulmöglichkeit bis 27 geöffnet wird? – Darin sehe ich auch eine sehr große Konkurrenz für das duale System auf uns zukommen, und ich bitte Sie, zu bedenken, natürlich gibt es Jugendliche mit einem besonderen Förderungsbedarf, und sie brauchen so etwas wie eine vollzeitschulische Ausbildung mit all den Rahmenbedingungen und Betreuungsmöglichkeiten, die es gibt. Aber ich warne auch davor, den Blick dafür zu verlieren, was dies für die duale Ausbildung bedeuten könnte und ob wir damit nicht eine Konkurrenzsituation schaffen, die wir so eigentlich alle nicht wollen.
Ich glaube, dass die Kollegin vom DGB Bildungswerk den Finger in die Wunde gelegt hat. Sie schaffen damit natürlich ein weiteres, vollschulisches Angebot, was an die Stelle der bisher funktionierenden Förderangebote treten wird und das natürlich ein Konkurrenzangebot zur dualen Ausbildung ist. Dass es dort jetzt schon bei der Altersgruppe der bis 18-Jährigen eine Konkurrenzsituation und einen einseitigen Zug in Richtung vollschulischer Ausbildung gibt, haben wir heute Morgen bei dem Setzpunkt der CDU zur Situation der Ausbildung im Handwerk schon beklagt. Wenn man diese Möglichkeit für die jungen Erwachsenen eröffnet, ist doch zu erwarten, dass dadurch das Problem nicht kleiner, sondern größer wird. Daher ist das ein richtiger Schluss, der dort gezogen wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)
Deshalb sage ich: Ja, wir müssen etwas für die jungen Geflüchteten tun. Ja, wir müssen etwas für all diejenigen jungen Erwachsenen tun, die keinen direkten Zugang zum dualen Ausbildungssystem haben. Aber es gibt andere Instrumente und Möglichkeiten, um das zu erreichen.
Diese anderen Instrumente und Möglichkeiten hat die Landesregierung auch schon aufgelegt. Es sind eine ganze Reihe von Maßnahmen in diesem Bereich aufgegriffen worden. Die werden vom Sozial- und Wirtschaftsministerium, von der Bundesagentur für Arbeit, den Kammern sowie im Bereich der akademischen Bildung vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst, aber auch vom Kultusministerium verantwortet, weil im Programm InteA eine Öffnung nach oben stattgefunden hat.
Ihr Ansatz geht an dem Ziel, etwas für junge Geflüchtete zu tun, vorbei – einerseits weil in diesem Bereich schon etwas geleistet wird und andererseits, weil Sie damit eine Konkurrenzsituation zu anderen Maßnahmen schaffen, die wir nicht wollen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Daher komme ich zu der abschließenden Bewertung, dass die SPD seinerzeit durchaus auf einen schwierigen Sachverhalt aufmerksam gemacht hat. Das will ich Ihnen zugestehen. Der Gesetzentwurf hat nämlich dazu geführt, dass wir uns noch einmal intensiv darüber beraten haben, was junge Geflüchtete in diesem Land brauchen.
Die Landesregierung hat, auch in Kooperation mit der SPD-Fraktion, ein ganzes Maßnahmenpaket zur Integration von Flüchtlingen auf den Weg gebracht. Darauf haben Sie eben per Zwischenruf hingewiesen. Ich glaube, dass dieses Maßnahmenbündel, das wir jetzt auf den Weg gebracht haben, wesentlich besser ist, als wenn wir den Berufsschulzugang für alle bis 27-Jährigen öffnen würden. Denn wir haben in dem Bereich zur Weiterförderung von jungen Erwachsenen bereits viele gute Instrumente entwickelt, zu denen wir dann in Konkurrenz treten würden. Das würde Risiken und Nebenwirkungen erzeugen, die wir nicht haben wollen. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf heute ab.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank, Kollege May.

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