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19.11.2005
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Die hessischen GRÜNEN bekennen sich zum Finanzplatz Frankfurt!

Für Frankfurt, Hessen und Deutschland ist der Finanzplatz Frankfurt von häufig immer noch unterschätzter Bedeutung: Mit rund 86.000 Beschäftigten allein im Kredit- und Versicherungssektor ist er der wichtigste Arbeitgeber der Region und damit Standortfaktor Nummer Eins für Hessen. Gleichzeitig schlägt hier das „kapitale“ Herz der Republik – und entscheidet damit über das Wohl und Wehe der Finanzierung großer Teile der gesamten Volkswirtschaft.
Bei aller kritischen Begleitung von teilweise unerwünschten Einzelphänomenen auf den Finanzmärkten machen sich die hessischen Grünen mit Nachdruck für den Finanzplatz Frankfurt und die Deutsche Börse am Standort Frankfurt stark. Vor dem Hintergrund der Konsolidierungsbestrebungen auf den europäischen Finanzmärkten müssen wir dazu beitragen, dass Frankfurt in diesem Prozess eine zentrale Rolle spielt und klar die Nase vorn behält.
Grundsätzlich gilt es hierbei zweigleisig zu fahren: zum einen den Finanzplatz und seine Innovationen zu unterstützen und gleichzeitig Transparenz, Anlegerschutz und Finanzkompetenz der Bürger zu fördern.

Bessere Rahmenbedingungen für Finanzinnovationen, aber keine Steuergeschenke
Alle Maßnahmen, die die Rahmenbedingungen für Finanzmärkte in Deutschland verbessern, sind auch dem Finanzplatz Frankfurt dienlich. Hierzu zählt vor allem die schnellere Genehmigung von Finanzinnovationen bei gleichzeitiger Gewährleistung des Anlegerschutzes (Stichwort: Prospektrichtlinien). Unter Umständen müssen auch die steuerlichen Bedingungen angepasst werden. Dabei dürfen jedoch Gesetzesänderungen keine neuen „Steuerschlupflöcher“ schaffen, sondern lediglich Marktunvollkommenheiten im Inland sowie Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Ausland abbauen.
Ein positives Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Gewerbesteueränderung zur Erleichterung der Gründung von Unternehmen zur Verbriefung von Bankkrediten. Denn diese Verbriefung von Bankkrediten – auch im Rahmen der „True Sales Initiative“ – ermöglicht eine bessere Risikostreuung und verschafft den Banken neue Spielräume für die Kreditvergabe gerade auch an kleine und mittlere Unternehmen. Zur Zeit werden Steueränderungen diskutiert, die die Attraktivität von börsennotierten Immobilien-AGs (so genannte REITs) erhöhen sollen. Von dem Handel mit Immobilien an der Börse würde der Finanzplatz Frankfurt ohne Zweifel profitieren. Gleichzeitig drohen jedoch neue Steuerschlupflöcher, denen die hessischen Grünen eine klare Absage erteilen.
Entgegen mancher Stimmen genügt Deutschlands Kapitalmarktgesetzgebung mittlerweile internationalen Standards. Eine weitergehende Liberalisierung und die Zulassung neuer Produkte können den Finanzplatz voranbringen, müssen aber in ihren Ansiedlungs- und Beschäftigungspotentialen realistisch eingeschätzt werden. So haben sich die mit der seit letztem Jahr in Deutschland möglichen Auflegung von Hedge Fonds verbundenen Erwartungen der Anbieter nicht erfüllt. In ihrer gesamtwirtschaftlichen Wirkung bleiben sie obendrein umstritten. Dagegen geht die von den Banken als Standortproblem adressierte Zurückhaltung bei Börsenneueinführungen auch auf das nachhaltig beschädigte Anlegervertrauen zurück, das in erster Linie die Finanzakteure selbst wieder herstellen können. Ergänzend kann dies von politischer Seite durch strengere Offenlegungspflichten für Unternehmen (z.B. im Hinblick auf Managergehälter und Beteiligungen) sowie eine effizientere Strafverfolgung für Finanzdelikte unterstützt werden.
Daher fordern die hessischen Grünen seit langem strengere Offenlegungspflichten für Unternehmen (corporate governance codex) sowie die Einrichtung einer bundesweit zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Finanz- und Wertpapiermarktdelikten mit Sitz in Frankfurt.

Know-How statt Kochs Zwei-Klassen-Steuer
Steuererleichterungen für ausländische Investmentbanker, wie sie von Roland Koch vorgeschlagen wurden, sind hingegen kein geeignetes Mittel zur Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt. Neben ordnungspolitischen Bedenken ist generell zu bezweifeln, dass der Finanzplatz Frankfurt tatsächlich unter einem Mangel an ausländischen Investmentbankern leidet. Für viele zukunftsträchtige Geschäftsfelder in Deutschland, wie z.B. Börsengänge (IPOs) mittelständischer Unternehmen oder die Finanzanlage zu Vorsorgezwecken, dürften vor allem Fachleute mit lokaler Expertise gebraucht werden, die sich mit den besonderen Bedingungen in Deutschland auskennen. Gerade bei der immer wichtiger werdenden Finanzierung mittelständischer Unternehmen liegt der Standortvorteil Frankfurts in dem regionalen Know-How und einer entsprechenden Kommunikationsinfrastruktur.
Die bereits in die Wege geleiteten Maßnahmen zur Intensivierung der Finanzmarktforschung leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Standorts Frankfurt („intellektuelle Infrastruktur“). Auch im Hinblick auf Aus- und Fortbildung sowie Wissenstransfer im Bereich „Finance“ tut sich in Frankfurt derzeit Beachtliches. Hierzu gehören vor allem auch das „House of Finance“ der Goethe-Universität, einschlägige neue Stiftungslehrstühle und die private Hochschule für Bankwirtschaft. Die bereits bestehenden Kooperationen zwischen Hochschulen und Banken bzw. Finanzdienstleistern müssen jedoch weiter ausgebaut werden.

Frankfurt auch „Bankfurt“
Frankfurt ist bereits ein attraktiver Standort für die Finanzindustrie, daran darf die aktuelle Diskussion keinen Zweifel lassen. Neben der bestehenden Bankenvielfalt, modernster Abwicklungsinfrastruktur und dem Sitz der Europäischen Zentralbank besticht Frankfurt durch günstige Verkehrsanbindungen und eine beachtliche Internationalität. Gerade für (internationale) Spitzenkräfte spielen jedoch weitere so genannte „weiche Standortfaktoren“ wie ein breit gefächertes – auch international ausgerichtetes – Kulturangebot sowie die Verfügbarkeit von hochwertigen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für deren Kinder eine wichtige und oft entscheidende Rolle bei der Standortwahl. Frankfurt kann hier im Verhältnis zu anderen deutschen Standorten gerade auch in Bezug auf seine internationale Ausrichtung punkten: internationale Krippen, Kindergärten und Schulen. Allerdings ist im Hinblick auf den Finanzplatz Frankfurt der Wettbewerb nicht national, sondern in erster Linie international. Dem muss Frankfurt auch weiterhin Rechnung tragen.
Auf kommunaler Ebene steht die Verbesserung dieser so genannten weichen Standortfaktoren im Vordergrund. Hierzu zählt zum einen die erwähnte soziale und kulturelle Infrastruktur. Darüber hinaus sollte die Stadt Frankfurt aber auch die Banken und ihre Angestellten als Teil der lokalen Gesellschaft in stärkerem Maße einbinden. Frankfurt ist eben (auch) „Bankfurt“. Eine stärkere Integration und Identifikation der Finanzdienstleister mit Frankfurt kann nicht nur das Wohlbefinden der „Banker“ steigern, sondern auch die Lebensqualität für alle Bewohner verbessern. So dürften z.B. Gesprächsforen zwischen Lokalpolitikern und „Bankern“ das Engagement der Banken bei sozialen, kulturellen oder sportlichen Projekten fördern. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz von Kapitalmarktanlagen und privater Finanzplanung (Stichwort: Konsumenteninsolvenz, Altersvorsorge) wäre zum Beispiel ein Ausbau der Kooperationen zwischen Schulen und Banken wünschenswert, der auf eine möglichst frühe Heranführung an die Chancen und Risiken der Finanzmärkte abzielt.