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12.05.2012
Landesarbeitsgemeinschaften, Parteirat

Hessen nachhaltig mobil - Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern

Die Energiewende ist über alle Parteiengrenzen hinweg eingeläutet worden. Die Ernsthaftigkeit der Bemühungen zeigt sich in der Gesamtheit der Konzepte. Wir GRÜNE in Hessen haben Konzepte für die Energiegewinnung, Energieeinsparung und die CO2-Reduzierung. Ein Baustein zur CO2-Minderung ist die dringend nötige Wende in der Verkehrspolitik, denn gerade im Verkehrsbereich muss es eine Wende geben. Alle anderen Bereiche haben bereits Einsparungen beim CO2 erzielen können, während die Emissionen im Verkehrsbereich insgesamt eher zugenommen haben. Eine Verkehrswende ist möglich und nötig, um die Klimaziele (Begrenzung der globalen Erwärmung auf 2 Grad Celsius) zu erreichen. Eine konsequente Verkehrswende ist aber auch ein Gewinn für alle. Wenn mehr kurze Wege vom motorisierten Individualverkehr auf die leisen Verkehrsträger (Fuß, Fahrrad, Busse und Bahnen) verlagert werden, steigt die Lebensqualität in den Städten und das Wohlbefinden aller. Sei es durch mehr Bewegung oder weniger Verkehr auf den Straßen und mehr freien Lebensraum.

Die Zeit für eine deutliche Wende in der Verkehrspolitik ist so günstig wie nie. Zum einen erleben wir alle täglich, was es bedeutet wenn ein Gut wie Öl knapp wird und die Preise steigen. Zum anderen zeichnet sich eine Trendwende gerade bei jungen Menschen ab. Weg vom Besitzen, hin  zum Benutzen erfasst viele Lebensbereiche, vor allem aber auch die Mobilität. Wir müssen in zwei Bereichen einen grundlegenden Richtungswechsel einläuten. 1) Ein verknüpftes Verkehrssystem, angefangen von dem zu Fuß gehen über den Fahrradverkehr und den ÖPNV bis hin zum motorisierten Individualverkehr über ein flächendeckendes Carsharing-Angebot. 2) Eine deutliche Ausweitung des Begriffs „Verkehr“. Bis heute wird mit dem Begriff Verkehr (nur) der motorisierte 20 Straßenverkehr verbunden. Eine Erweiterung um das Fahrrad, den ÖPNV und das zu Fuß gehen ist dringend nötig. Wir wollen Mobilität für alle gewährleisten und nicht nur Verkehrsinfrastruktur ausbauen. Die Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr hat diesen Prozess schon vor einiger Zeit durch die Umbenennung in LAG Mobilität vollzogen.

Im Verkehrsbereich unterscheiden wir zwischen dem Güter- und den Personenverkehr. Hessen liegt  wegen seiner zentralen Lage in Europa bei beiden Bereichen weit vorne. Der Flughafen in Frankfurt ist ein gewichtiger CO2-Emitent, ferner führen die wichtigsten europäischen Güterverkehrskorridore mit dem Mittelrheintal und der Verbindung der Nordseehäfen mit Italien über Bebra und Fulda auf der Schiene oder der Bundesfernstraße A5 in Nord-Süd-Richtung und der A3 in Ost-Westrichtung für den Straßengüterverkehr durch Hessen.

Im Verkehrssektor entstehen mit 60 Prozent die meisten Emissionen im Personenverkehr, gefolgt vom Güterverkehr mit 26 Prozent und dem Luftverkehr mit 14 Prozent. Im Personenverkehr wiederum werden drei Viertel der CO2-Emissionen durch den PKW verursacht. Im Güterverkehr ist mit 89 Prozent die Straße der Hauptemittent von CO2. Trotz all dem wird im ländlichen Raum weiterhin der Individualverkehr eine wichtige Rolle spielen.

Dabei ist der PKW/LKW-Verkehr noch nicht einmal kostengünstig. Der Benzinpreis steigt kontinuierlich an, der endliche Rohstoff Öl wird eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wird der wahre Preis durch undurchsichtige Subventionen und Steuervorteile kaschiert.

Für unser Leitbild für eine nachhaltige Mobilität in Hessen

  1. wollen wir „Städte und Regionen der kurzen Wege“ mit urbanen, dichten und funktionsgemischten, bunten und lebenswerten Siedlungsstrukturen auch im Bestand und dies als Grundlage einer nachhaltigen und damit verkehrssparenden Stadt- und Siedlungsentwicklung.
  2. wollen wir Voraussetzungen für nachhaltige und effiziente Verkehrsformen des Umweltverbundes (zu Fuß gehen, Fahrrad, Bus & Bahn) sowohl im Infrastrukturausbau, als auch im Verkehrsrecht schaffen.
  3. wollen wir Mensch und Umwelt als Maßstab der Verkehrsplanung, um die schon lange jenseits der Belastbarkeitsgrenze liegenden Beeinträchtigungen zu mindern.

Der Parteirat von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Hessen fordert daher:

  1. Güterverkehr muss stärker von der Straße auf die Schiene gebracht werden. Die nötige Ertüchtigung des Schienennetzes muss schnellstmöglich in Angriff genommen werden. Zum Schutz der Bevölkerung ist die Umsetzung effektiver Lärmschutzmaßnahmen nach dem Stand modernster Technik an Güterstrecken sowie der Einsatz entsprechender Fahrzeuge mit lärmmindernder Technologie erforderlich.
  2. Zur Vermeidung langer Transportwege müssen regionale Wirtschaftskreisläufe mit kurzen Transportwegen wieder verstärkt genutzt werden.
  3. Der Einsatz von „Gigalinern“ bringt mehr Güter auf die Straße und verhindert die Umstellung des Güterverkehrs auf die Schiene. Wir GRÜNE lehnen die Einführung dieser Lang-LKW deshalb ab und halten an der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene fest.
  4. Ausweitung der LKW-Maut auf alle Bundesstraßen. Die erzielten Gewinne müssen direkt in den Ausbau des Schienennetzes führen.
  5. Einführung einer Mineralölsteuer auf Kerosin und Erhebung der Mehrwertsteuer auch auf Auslandsflüge.
  6. Keine unsinnigen Luftverkehrsprojekte zu fördern wie den Neubau des Flugplatzes Kassel-Calden. Eine Ertüchtigung des Verkehrslandesplatzes hätte vollständig ausgereicht.
  7. Kurzstrecken, wie z.B. die Fluglinie Frankfurt-Hamburg müssen auf die Schiene gebracht werden. Die Flugbewegungen müssen insgesamt gedeckelt werden und Lärmschutzinteressen der Anwohnerinnen und Anwohner stärker berücksichtigt werden.
  8. Durch die Zerschneidung von Lebensräumen, Flächenverbrauch, Verlärmung, Licht- und Schadstoffemissionen nimmt die biologische Vielfalt ab. Dem gilt es mit vielerlei Maßnahmen entgegenzuwirken.
  9. Elektromobilität bedeutet nicht nur den Austausch des Verbrennungsmotors durch einen Elektroantrieb bei PKWs. Wir sehen in der Entwicklung des Elektroverkehrs – das Elektroauto, das Elektrofahrrad und die elektrifizierte Bahn (mit Strom aus erneuerbaren Energien) – eine Chance für eine wirkliche Revolution im Verkehrsverhalten. Der aktuelle Trend zu elektrisch unterstützen Fahrrädern (E-Bikes, Pedelecs) muss sich auch in der Verkehrsplanung wiederspiegeln und bietet eine Chance für den Radverkehr insgesamt. Im ländlichen Raum benötigen wir ein flächendeckendes Radwegenetz, in den Städten steht die Entwicklung von Radschnellwege an.
  10. Der Umweltverbund kann seine Stärken am besten gemeinsam ausspielen. Die Vernetzung von Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV, Carsharing und weiteren Angeboten muss daher nachdrücklich gefördert und weiter vereinfacht werden. Von besonderer Bedeutung ist eine flächendeckende, komfortable und nutzergerechte Fahrradmitnahme im Nah- und Verkehrspolitik der öffentlichen Verkehrsmittel.
  11. Lebenswerte Städte und Orte sind nicht auf einer PKW-gerechten Stadt- und Verkehrsplanung begründet. Um den Anteil von Fußgängern und RadfahrerInnen zu erhöhen brauchen unsere Städte eine fußgängergerechte und fahrradfreundliche Infrastruktur. Besonders bei Neuerschließungen ist darauf verstärkt zu achten. Das Planungsziel der Stadt der kurzen Wege muss konsequent verfolgt werden.
  12. Die Sicherstellung und Verbesserung der Mobilität im ländlichen Raum ist angesichts des demographischen Wandels eine der großen Aufgaben der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wir arbeiten an innovativen Konzepten um trotz des demographischen Wandels einerseits und leerer Kassen andererseits dafür zu sorgen, dass der ländliche Raum nicht abgehängt wird.
  13. Öffentliche Einrichtungen müssen die Verkehrswende mitgestalten. Fahrradstellplätze an Bahnhöfen, Rathäusern usw. sind wichtiger als neue Parkhäuser, wenn wir es mit der Verkehrswende ernst nehmen.
  14. Die Straßenverkehrsverordnung und die untergeordneten Gesetze und Verordnungen müssen auf ihre Gleichwertigkeit von motorisierten und nichtmotorisierten Verkehr hin überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden.
  15. Gleiches gilt bei der Verkehrsfinanzierung. Während die Kommune die Hauptlast für Busse und Bahnen tragen, wird der Straßenbau durch die Bundesländer und den Bund finanziert. Ein fairer Finanzausgleich zur Förderung des ÖPNV ist überfällig.
  16. Um die Attraktivität des ÖPNV gegenüber dem PKW zu steigern, muss das Angebot vor Ort transparenter gemacht, Fahrpläne vereinfacht und besser an die NutzerInnen gebracht werden. Dazu kommt eine Vorrangschaltung im Stadtverkehr für Bus und Bahn.
  17. Die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen, wie in 25 Ländern der EU, aber auch in Japan oder USA üblich. Ein Tempolimit von 130 km/h reduziert die CO2-110 Emittierung von 9 Prozent, führt zu mehr Verkehrssicherheit und reduziert Verkehrslärm. Noch immer sind 60 Prozent der Autobahnen in Deutschland ohne eine Geschwindigkeitsbegrenzung.
  18. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften wird für alle Verkehrsteilnehmer auf 30 km/h beschränkt. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann für Hauptstraßen eine höhere zulässige Höchstgeschwindigkeit festgelegt werden.
  19. Eine degressive steuerliche Förderung von emissionsarmen PKW und LKW und langfristig eine Umstellung der KFZ-Steuer auf den CO2-Ausstoß
  20. Von der Landesregierung bei Fahrzeugbeschaffungen den Grenzwert von durchschnittlich 120 g Co2/km nicht zu überschreiten und langfristig weiter zu senken.

Begründung

Erfolgt mündlich