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08.05.2012

Sigrid Erfurth: Gesetz über die Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorweg eines: Wir finden das Anliegen der Fraktion DIE LINKE in Ordnung. Wir finden es in Ordnung, zu sagen: Wir müssen die Grunderwerbsteuer erhöhen, und das Land muss seine Möglichkeiten ausschöpfen, um an der Einnahmesituation des Landes etwas zu ändern. – Das ist ein berechtigtes Anliegen, das unsere Unterstützung findet. Das sagen wir nicht erst seit heute, sondern das haben wir schon seit einigen Jahren in unseren Haushaltsanträgen erklärt.

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Herr Kollege van Ooyen, ich muss Ihnen aber auch etwas Wasser in den Wein schütten. Sie haben gesagt, Sie seien die Ersten und die Einzigen, die einen solchen Gesetzesantrag stellten. Alle anderen hätten so etwas noch nicht gemacht; das sei doch eine Schande.

Ich glaube, dass sich die Kollegen von der FDP einen Ast gefreut haben, als sie diesen Gesetzentwurf gelesen haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, Sie haben jetzt dafür gesorgt, dass die Erhöhung der Grunderwerbsteuer nicht kommt. Nach der verqueren Logik, die wir hier haben – die CDU stimmt niemals einem Antrag zu, den DIE LINKE eingebracht hat –, wird dieser Antrag nie Gesetz werden.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Man muss sich überlegen, was man macht und wo man strategische Mittel einsetzt. Frau Kollegin Wissler, Sie können sich jetzt rühmen, dass Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht und gleichzeitig dafür gesorgt haben, dass er niemals zum Gesetz erhoben werden wird. Ich finde das ausgesprochen schade.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE) und Janine Wissler (DIE LINKE))

– Frau Kollegin Wissler, das ist eine strategische Frage.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Wir haben gehört, dass es unter den Kolleginnen und Kollegen von der CDU durchaus ein Grummeln gibt. Die Kolleginnen und Kollegen von der CDU denken darüber nach, ob man nicht die Grunderwerbsteuer erhöhen müsste; denn es ist wahr, dass das Grundvermögen in Hessen – in der Bundesrepublik überhaupt – nicht adäquat besteuert wird, dass wir uns im OECD-Vergleich auf einem unteren Platz der Skala befinden und dass der Haushaltsausgleich aufgrund der Einnahmesituation, die wir haben, immer schwieriger zu bewerkstelligen ist. Diese Erkenntnis macht sich breit. Sie bleibt auch den Kolleginnen und Kollegen von der CDU nicht verborgen.

Aber wir haben, wie es der Kollege Weiß formuliert hat, einen gelben Bremsklotz in der Koalition. Diejenigen, die dazugehören, werden sich mit Händen und Füßen gegen eine Steuererhöhung wehren und nach dem Vorstoß, den Sie heute gemacht haben, dafür sorgen, dass es dazu nicht kommt. Vielleicht hätten wir mit einer klügeren Strategie etwas erreichen können.

(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

– Nein, ich glaube, das ist etwas anderes. Darüber können wir uns vielleicht noch einmal unterhalten. – Ich glaube, dass Ihnen die Mitglieder der FDP im Stillen sehr dankbar dafür sein werden, dass Sie mit dafür gesorgt haben, dass das Tor zu einer eigentlich richtigen Steuererhöhung erst einmal zugeschlagen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir GRÜNE sind fest davon überzeugt, dass öffentliche Haushalte – auch der hessische Landeshaushalt – nur dann auf eine verlässliche und nachhaltige Basis gestellt werden können, wenn die drei finanzpolitischen E zum Zuge kommen. Es ist wichtig und richtig, Einsparpotenziale auszuloten und unnötige Ausgaben, z. B. für den Flughafen Kassel-Calden, zu unterlassen. Es ist wichtig und richtig, nach Möglichkeiten zu suchen, wie man die Effizienz steigern kann, z. B. im Hinblick auf die Verwaltungsabläufe. Dazu gibt der Rechnungshof immer wieder wertvolle Hinweise.

Aber all das wird nicht ausreichen, um das strukturelle Defizit im hessischen Landeshaushalt zu decken. Es ist daher richtig und wichtig – ich sage es noch einmal –, nach dem dritten E, nämlich den Einnahmesteigerungen, zu suchen. Wir sind uns darin einig, dass die Grunderwerbsteuer einer wenigen Stellschrauben auf der Landesebene ist, die das Land nutzen und selbst bedienen kann.

Was unsere Berechnungen betrifft: Wir haben ein bisschen anders gerechnet. Wir haben gesagt, eine Erhöhung um 1 % würde 135 Millionen Euro bringen. Im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs würden 20 Millionen Euro an die Kommunen weitergereicht werden. Ich finde, das ist ein Wort. Damit würde man einen Beitrag dazu leisten, das strukturelle Defizit abzubauen und den weiteren Aufbau von Schulden zu verhindern.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf das immer wieder gern erzählte Märchen zurückkommen – auch Herr Krüger hat es hier wiederholt –, wonach Mieter und Investoren überproportional belastet würden, wenn die Grunderwerbsteuer angehoben werden würde. Herr Krüger, das wird auch durch mehrfaches Erzählen nicht wahrer. Die Maklergebühren z. B. liegen bei 3 bis 7 Prozent des Kaufpreises. Das ist wesentlich höher als die Grunderwerbsteuer. Ich habe noch von keinem Antrag der FDP gehört, indem es darum geht, die Maklergebühren zu senken. Das wäre doch nach dieser Logik das Richtige.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Ich habe von Ihnen noch nicht gehört, dass Maklergebühren ein Wirtschaftshemmnis oder unverantwortlich und unsozial gegenüber Mieterinnen und Mietern seien. Das wäre doch ein Feld, auf dem Sie sich tummeln könnten. Es ist einfach so: Die Maklergebühren, die Gerichtskosten, die Notarkosten und die Grunderwerbsteuer sind Teile der Nebenkosten des Kaufpreises.

Die Überwälzung an die Mieterinnen und Mieter ist ein so bescheidener Teil. Das können Sie doch nicht wirklich ernsthaft als Argument heranziehen wollen. Das ist wirklich nur ein vorgeschobenes Scheingefecht, um sich als Partei der Steuersenker stark zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Norbert Schmitt (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Bei den Kommunen verkündet die Hessische Landesregierung landauf, landab, sie müssten jetzt Einnahmesteigerungen in Angriff nehmen. Es gibt bei defizitären Kommunen kaum noch eine Haushaltsgenehmigung, in der nicht steht: „Sie müssen die kommunale Grundsteuer erhöhen, und Sie müssen die Gewerbesteuer erhöhen.“ Immer wird dann, aus meiner Sicht völlig zu Recht, als Argument von der Landesregierung herangezogen: Im Durchschnitt liegen die kommunalen Steuern an der unteren Ecke, und die Kommunen könnten sich hier auf der Höhe des Bundesdurchschnitts bewegen. – Das ist für mich ein wichtiges und richtiges Argument. Das will ich gar nicht kritisieren. Aber wenn das Argument richtig ist, muss die Landesregierung das Argument auch für sich gelten lassen. Wir haben 16 Bundesländer. 13 davon haben eine Grunderwerbsteuer zwischen 4,5 und 5 Prozent. Drei Bundesländer haben 3,5 Prozent. Dazu gehört Hessen. Also muss doch das Land Hessen der Logik der Argumente folgend die Grunderwerbsteuer auf den Bundesdurchschnitt anheben.

Vizepräsident Lothar Quanz:

Frau Erfurth, kommen Sie bitte zum Schluss.

Sigrid Erfurth:

Herr Präsident, ich danke Ihnen für den Hinweis. Ich bin fast am Ende meiner Rede.

Da muss doch Hessen tätig werden und die Grunderwerbsteuer auf den bundesdeutschen Durchschnitt anheben. Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, wo wir der Einnahmeverantwortung, wie sie in der Hessischen Verfassung steht, endlich nachkommen müssen. Ich erwarte, dass Sie sich dieser Einnahmeverantwortung auch stellen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Frau Erfurth.