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06.10.2009
Portraitfoto von Marcus Bocklet vor grauem Hintergrund.

Marcus Bocklet zum Umgang mit Geräuschimmisionen bei Kinder- und Jugendeinrichtungen

Sehr verehrte Damen und Herren, Herr Präsident! Heute wird in einer großen überregionalen Zeitung ein Artikel veröffentlicht, der „Gefängniszelle für Kinder“ lautet. Der Hintergrund ist die Klage von Anwohnern, von einer Nachbarin, gegen einen Kindergarten in der Mitte einer Wohnsiedlung.

(Unruhe)

– Geht es einen Tick leiser?

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinder gehören ins Leben, und zwar mitten ins Leben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Spielen, Toben, Lachen, all das sind Selbstverständlichkeiten. Sie gehören unserer Meinung nach zu unserem gesellschaftlichen Leben. Es ist geradezu unerträglich, wenn wir aus den Medien immer wieder davon hören müssen, dass Klagen gegen Kindergärten erfolgreich sind, wie etwa in Hamburg und in Berlin. Wir finden das zutiefst empörend.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, der diesen Klagen den Boden entziehen soll. Wir wollen eine Rechtsgrundlage schaffen, die ausschließt, dass solche Klagen zukünftig Erfolg haben. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf die Flächen genau beschreiben und definieren, wo zukünftig Klagen ausgeschlossen sind, wie wir uns das wünschen.

Im Fokus der Öffentlichkeit stehen im Moment vor allem die Klagen gegen einen Kindergarten, aber wir wissen aus unserer kommunalpolitischen Erfahrung, dass auch Spielplätze beklagt werden oder geschlossen werden müssen. Wir wissen um die Konflikte um Schulhöfe, die nachmittags geöffnet sind, und wir wissen um die Konflikte um Bolzplätze. Deswegen haben wir in unseren Gesetzentwurf ganz bewusst hineingeschrieben, wir wollen ein klares politisches Signal geben, dass Kinderspiel und Kinderkrach zu unserer Gesellschaft gehören und nicht mehr beklagt werden dürfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch immer wird in solchen Fällen das Bundesimmissionsschutzgesetz als Rechtsgrundlage herangezogen. Eigentlich haben wir ein rechtliches Vakuum, aber viele Richter haben auf dieses Gesetz Bezug genommen. Es ist geradezu entrüstend, wenn wir feststellen müssen, dass Kinderlärm wie anlagenbezogener Lärm behandelt wird und damit Kinderlärm dem Gewerbelärm gleichgesetzt wird. Wir finden das eine Pervertierung der Rechtssprechung. Damit muss es ein Ende haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kinder sind keine Kreissägen. Kinderlärm ist kein Gewerbelärm. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf eine rasche, zügige Lösung, die nach der Föderalismusreform möglich ist. Die Föderalismusreform hat den Ländern die Möglichkeit zugestanden, sozialen Lärm und auch verhaltensbezogenen Lärm auf Länderebene selbst zu regeln. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir keine rechtliche Lücken lassen und alle Möglichkeiten ergreifen sollten, damit Kinderlärm zukünftig nicht mehr erfolgreich beklagt werden kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn dem so ist, dann muss ich der Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP bescheinigen, dass sie die Föderalismusreform verpennt haben. Sie haben offensichtlich nicht mitbekommen, dass man das im Land Hessen selbst regeln kann. Da Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben, dass Sie eine Bundesratsinitiative machen wollen, um eine Bundeslösung zu bekommen, sei Ihnen die Frage gestellt: Warum machen Sie nicht das, was Sie als Hausaufgabe selbst tun können? Wir können das als Land selbst lösen. Sie tun es nicht, und damit haben Sie ganz offensichtlich ein Thema verpennt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

Selbst wenn wir so freundlich sein, Herr Wintermeyer, und Herrn Staatsminister Banzer – –

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

– Ich verstehe Sie nicht.

(Zuruf des Abg. Axel Wintermeyer (CDU))

– Das ist ein intellektuelles Problem, aber aus dem Grunde sitzen Sie ja auf der einen Seite und ich auf der anderen.

(Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Am 16. Juni habe ich den Herrn Staatsminister gefragt: Herr Staatsminister Banzer, warum machen Sie kein Lärmimmissionsschutzgesetz? Daraufhin sagte der Herr Minister: Nach allgemeiner Ansicht gelten Kindergärten als Anlagen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes, deshalb ist es halt so. – Ja, das ist dann „halt so“, wenn man ein Minister völlig ohne Ambitionen ist, wenn man mut- und kraftlos ist und nicht das in die Hand nimmt, was man in die Hand nehmen könnte. Wir könnten auf Länderebene sagen: Das ist soziales Verhalten, das ist sozialer Lärm, und deswegen regeln wir das als Land gesetzlich. Sie könnten an der Stelle einmal vorangehen und sich nicht immer von der Opposition antreiben lassen. Das wäre ein mutiges Verhalten, Herr Banzer.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle nun folgenden Rednerinnen und Redner werden wahrscheinlich sagen: Natürlich sind wir empört, natürlich wollen auch wir, dass solchen Klagen kein Erfolg beschieden ist. – Aber es kommt dann zum Schwur, wenn wir hier im Hessischen Landtag unsere gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen wollen. Nur dann werden wir sehen, ob Sie von der CDU und der FDP das tatsächlich ernst meinen, was Sie in Ihren Presseerklärungen in der letzten Woche sagten, dass nämlich auch Sie dieses Problems lösen wollen. Da wird sich auch entscheiden, ob Sie nicht nur Kinderbetreuungseinrichtungen meinen, ob es Ihnen auch um Spielplätze und um Schulhöfe geht, um die man streitet. Und es wird sich zeigen, ob Sie fahnenflüchtig werden und nach Berlin zeigen, wenn eine Regelung vor Ort möglich wäre. Dann wird sich zeigen, ob wir das politische Signal aus diesem Hause senden, dass wir wollen, dass Kinder spielen, dass wir wollen, dass Kinder lachen, dass wir auf der Seite der Kinder und nicht der klagenden Nachbarn stehen. Darum geht es in dieser Stunde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin in zweierlei Hinsicht persönlich Betroffener. Ich bin Vater zweier Kinder, aber auch direkter Anwohner einer Kindereinrichtung und direkter Anwohner einer Schule. Natürlich muss man über kluge und einvernehmliche Lösungen nachdenken, damit Lärm reduziert wird, indem man z. B. an bestimmten Spielgeräten zu bestimmten Zeiten eine Pause macht. Das ist als selbstverständliches Handeln von Eltern und Erziehern vorauszusetzen. Wir dürfen aber in dieser Stunde nicht mehr darüber diskutieren, Kindergärten an die Ränder der Städte zu verbannen, weil es einige wenige stört, dass bei uns Kinder in der Mitte der Gesellschaft toben. Damit muss Schluss sein. Deshalb unser Gesetzentwurf, für den wir um Zustimmung bitten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

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