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10.08.2011

Familien im Mittelpunkt – Handeln statt Reden

Wir wollen, dass Schluss ist mit ideologischen und moralischen Debatten, was Familie sein darf oder nicht. Es geht um die Anerkennung der Vielfalt von Familienformen und deren diskriminierungsfreie Förderung anstatt der Durchsetzung von konservativen Wertvorstellungen über Familienpolitik.

Bei der Unterstützung der Familien sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Verantwortungsbereitschaft der Familienmitglieder stärken und auf Bevormundung verzichten. Wir sehen die Lösung der Probleme von Familien deshalb auch nicht in einer Politik der Modelleritis, wie sie die Landesregierung betreibt, sondern in einem guten Angebot an Unterstützung und Hilfen, das verantwortungsvolle Entscheidungen erleichtert.

Viele Frauen und Männer übernehmen Verantwortung für die Kinder ihrer Partner, die nicht ihre leiblichen Kinder sind, nichteheliche Lebensgemeinschaften oder gleichgeschlechtliche Paare leben in Familien mit und ohne Kinder, es werden Eltern oder kranke Geschwister betreut. Dies muss in Zukunft bei der Unterstützung von Familien berücksichtigt werden.

Kindergärten zu Bildungsgärten – mehr Ganztagsschulen
Beitragsfreies drittes Kindergartenjahr Kommunen überlassen

Um Familien angemessen zu unterstützen sehen wir eine bedarfsgerechte Infrastruktur der Kinderbetreuung als notwendig an. Dies reicht von der verstärkten Betreuung unter Dreijähriger, des Ausbaus der Ganztagsbetreuung von Kindergartenkindern, einer Verbesserung der frühkindlichen Bildung bis hin zum Ausbau von Ganztagsschulen. Von einem bedarfsgerechten Angebot sind wir in Hessen noch weit entfernt. Langfristig wollen wir eine kostenfreie Bildung von Anfang an. Aber kurzfristig brauchen wir Geld, um allen Eltern einen Betreuungsplatz anbieten zu können oder die Qualität der frühkindlichen  Bildung zu verbessern. Im Moment ist das dritte Kindergartenjahr beitragsfrei. Wir wollen eine Diskussion mit den Kommunen darüber, ob sie dies weiterhin so halten wollen oder dieses Geld zur Verbesserung der Qualität der Arbeit oder für den Ausbau von Betreuungsplätzen einsetzen wollen.

Um die Elternarbeit zu intensivieren, soll es in Zukunft Bildungspartnerschaften zwischen Eltern und Kitas und Grundschulen geben. Bei Eintritt in den Kindergarten oder die Grundschule soll eine Partnerschaft abgeschlossen, ein Tandem zwischen Einrichtung und Eltern gebildet werden. Ziel ist die gegenseitige Information über Stärken und Schwächen des Kindes, die Beratung in Erziehungsfragen sowie die Unterstützung bei der Förderung des Kindes.

Kinderarmut bekämpfen – die Familienkarte zur Teilhabekarte entwickeln

Um zu einer Familienkarte zu kommen, die diesen Namen verdient, ist eine Neukonzeption in Zusammenarbeit mit den Kommunen und den Anbietern notwendig. Familien mit geringem Einkommen sollen künstlerische, musische, Sport- oder Freizeitangebote von Kommunen, Land, Vereinen, Organisationen und Einrichtungen hessenweit kostenlos oder günstig nutzen können.

Elternschaft und Verantwortung

Um Familien von Anfang an zu unterstützen, soll das Netz des Angebots von Familienhebammen deutlich ausgeweitet werden. Die Kindertageseinrichtungen sollen zu Familienzentren weiterentwickelt werden, in denen Erziehungs- und Familienhilfe genauso wie Sprach- und Gesundheitsförderung gebündelt werden. Die Familienzentren sollen vom Land gefördert werden.

Familienvertrag für soziale Eltern

Die Veränderung der Familienformen – von der klassischen über Patchwork- und Regenbogenfamilien bis hin zu Alleinerziehenden – muss sich auch in Recht und Gesetz widerspiegeln. Wenn der neue Lebenspartner die Kinder seines Partners wie die eigenen großzieht, sollte dies rechtlich gewürdigt und ihm entsprechende Kompetenzen und Rechte übertragen werden. Da eine Berücksichtigung sozialer Elternschaft in Familien- und Kindschaftsrecht kurzfristig nicht gelingen wird, schlagen wir die Schaffung eines neuen, flexiblen Rechtsinstituts vor. Der Familienvertrag soll diese Familien schützen und die Rechte der Verantwortung übernehmenden Partner stärken. Die Institution Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaften bleiben hiervon unberührt. Es soll eine rechtliche Absicherung für Familienformen sein, in denen Kinder leben, die mehr Bezugspersonen haben, als ihre leiblichen Eltern.

Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften

In einem gleichberechtigten Adoptionsrecht soll es auch eingetragenen Lebenspartnerschaften möglich sein, gemeinsam ein Kind zu adoptieren.

Pflegende Angehörige

Zur Unterstützung von pflegenden Familien im Alltag sollen flächendeckend Pflegestützpunkte eingerichtet werden, bürgerschaftliches Engagement gewürdigt, Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeangebote ausgebaut, entlastende ambulante Leistungsangebote weiterentwickelt und familienähnliche Wohn- und Betreuungsformen ausgebaut werden. Diese vielfältigen Angebote sollen auch die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege und Betreuung erleichtern. Gesamtgesellschaftlich muss es eine Diskussion über eine Pflegezeit mit einem Rechtsanspruch auf Lohnersatz auch für einen erweiterten Familienbegriff geben.

Die dunkle Seite von Familie

Wir legen Wert darauf, dass Familie für Kinder einer der wichtigsten Orte ist, sie aber nicht idealisiert und ihre dunkle Seite nicht verschwiegen werden darf. Deshalb gilt es auch, den hessischen „Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich“ aus dem Jahr 2004 dringend zu aktualisieren und umzusetzen. Frauenhäuser, Beratungseinrichtungen und Jugendämter müssen eine vertretbare finanzielle Ausstattung erhalten. Ärzte und Ärztinnen, Richterinnen und Richter müssen regelmäßig weiter gebildet werden.

Um sexueller Gewalt zu begegnen, bedarf es einer Kultur des Hinschauens und Einschreitens. Das Land muss endlich die Erkenntnisse der Landtagsanhörung umsetzen und verbindliche Handlungsleitlinien für Institutionen einführen, die Heimaufsicht intensivieren, flächendeckende sexualpädagogische Begleitung der Kinder einführen und für alle im Kinder- und Jugendbereich haupt- und ehrenamtlich Tätige ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis einführen.

Das Land Hessen hat nach wie vor massive Defizite in der Familienpolitik vorzuweisen. Vom Familienland Nr.1, wie es immer noch die CDU vollmundig in Sonntagsreden betont, ist Hessen weit entfernt. Wir brauchen eine unideologische Familienpolitik, die keine Lebensgemeinschaft ausgrenzt und dabei eine breite Palette verschiedener Maßnahmen vorhält, um Kindern, Eltern oder Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen, weitreichende Unterstützung zukommen lässt.