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12.10.2016

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Lebensmittel wertschätzen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei der Frage, wie viele Lebensmittel vernichtet werden, will ich nur noch eine Zahl zu den vielen hinzufügen, die schon genannt wurden. Die Verbraucherzentrale hat es einmal verbildlicht: 11 Millionen t Lebensmittel sind 275.000 volle Sattelschlepper. Hintereinandergestellt ergeben diese zweimal die Strecke von Düsseldorf nach Lissabon. Wenn man sich das vorstellt – eigentlich will man sich das gar nicht vorstellen –, ist das richtig bitter, wie viele Lebensmittel bei uns in Deutschland jährlich weggeworfen werden.

Natürlich hat das auch etwas damit zu tun, wie bei uns die Lebensmittelpreise sind, wie Lebensmittel wertgeschätzt werden und auch, wie die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel voranschreitet.

Es stimmt: Je billiger die Lebensmittel sind – und sie sind in Deutschland viel billiger als in anderen europäischen Staaten –, desto mehr gerät man auch in Versuchung etwas zu kaufen, was man nicht unbedingt braucht und was nicht auf dem Zettel stand, den man für die Woche gemacht hat. Man kauft auch größere Portionen, in Zweifel wirft man es eben weg. Das ist ein richtiges Problem, dem man auch nicht mit einfachen Maßnahmen beikommt, weil dabei vielfältige Faktoren zusammenspielen. Herr Lenders, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben, wie das zusammenhängt. Um diese Punkte müssen wir uns einmal eingehend kümmern.

Ich bin auch gerne bereit, mich weiterhin dafür einzusetzen, dass Bundestagsdrucksachen umgesetzt werden, nur gehe ich eigentlich davon aus, dass dies in erster Linie die Aufgabe der Bundesregierung und der im Bundestag vertretenen Fraktionen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Jürgen Lenders (FDP))

Es ist zwar nett, dass ich immer aufgefordert werde, das zu machen und mich dafür einzusetzen, aber ich glaube, es ist mir nur bedingt möglich, das auch hinzubekommen.

Was wir bei uns machen können, ist auf der einen Seite im Bildungsbereich tatsächlich den Fokus darauf zu legen, im Ernährungsbereich stärker darauf zu achten, dass dort, wo Schulessen ausgegeben wird, nicht so viel weggeworfen wird, dass die Portionen so bestellt werden und dass sie so portioniert sind, dass es sozusagen dazu passt, wie Kinder Hunger haben und sie entsprechend essen können.

Auf der anderen Seite ist es wohl wichtig deutlich zu machen, dass wir inzwischen – von Schulgärten über Lehrerfortbildung bis hin zur Schulvernetzungsstelle und auch „Werkstatt Ernährung“ – vielfältige Angebote haben. Das alles findet in Schulen statt und Kinder lernen dort, einzukaufen, Essen zu planen und auch mit Lebensmitteln umzugehen, d. h. aus einem Apfel auch einmal eine braune Stelle herauszuschneiden, bei einer Karotte ein Stück abzuschneiden, wenn es leicht bräunlich geworden ist und dass wenn der Quark aus der vorherigen Woche stammt und das Mindesthaltbarkeitsdatum seit zwei Tagen abgelaufen ist, er trotzdem noch gegessen werden kann. Es geht darum, dass so etwas gleich gelernt wird, weil der Umgang mit Lebensmitteln dann ein anderer wird. Ich glaube, das ist sehr wichtig.

Ein weiterer Punkt, den wir in Zusammenarbeit mit dem WWF in unserer Ressourcenschutzstrategie angehen, sind die Themen Außer-Haus-Verzehr und Großküchen. Es geht um die Frage, wie in Großküchen eigentlich geplant, eingekauft und auch ausgegeben wird und ob man hier nicht auch die Problematik der Lebensmittelverschwendung anders in den Griff bekommen kann. Von diesem Projekt der Ressourcenschutzstrategie erwarte ich mir sehr viel. In der Nachhaltigkeitsstrategie haben wir das Jahr zum nachhaltigen Konsum ausgerufen, womit vor allem Jugendliche angesprochen werden sollen. Ich glaube, auch das ist ein wunderbares Thema der Öffentlichkeitsarbeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Agrarministerkonferenz haben wir durchgesetzt, dass sich jetzt der Bund darum kümmern soll, gemeinsam mit der EU eine Regelung zu verändern. Diese betrifft Fälle, in denen Kennzeichnungspflichten in Lebensmittelmärkten geringfügig nicht eingehalten wurden. Das könnte z. B. bei der Größe der Buchstaben der Fall sein, es hat also nichts mit Gesundheitsgefährdung zu tun, müsste aber nach der Kennzeichnungsverordnung umetikettiert werden. Das machen die meisten Lebensmitteleinzelhändler nicht, sondern sie werfen das Zeug weg, wenn es beanstandet wird. Hier müssen wir die Handhabe bekommen, solche Verstöße anders zu ahnden, nämlich indem es entweder abgegeben wird oder trotzdem noch verkauft werden darf. Ich glaube, das würde jede Menge Möglichkeiten bieten, dass Lebensmittel tatsächlich verkauft und nicht weiter vernichtet werden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Was wir meines Erachtens nicht brauchen, sind nochmalige Umfragen. Wir wissen, wie was ist. Im Übrigen hat das BML 2016 eine Studie zur Erfassung von Lebensmittelabfällen in Privathaushalten in Auftrag gegeben. Ich glaube auch nicht, dass wir noch einen runden Tisch zum Problem brauchen, sondern dass wir ganz konkret an Maßnahmen arbeiten sollten. Ich bin gerne bereit, mich im Ausschuss weiter mit Ihnen darüber auszutauschen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)