Inhalt

14.07.2016
Portraitfoto von Martina Feldmayer vor grauem Hintergrund.

Martina Feldmayer: Milchkrise auf nationaler und europäischer Ebene bekämpfen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben das Thema Milchkrise zum Setzpunkt angemeldet, weil wir angesichts der Marktpreise für Milch um die landwirtschaftlichen Betriebe in Hessen Sorge haben. Wir haben dieses Thema aber auch gewählt, weil wir diesen Betrieben und diesen Menschen, die dahinter stehen, zeigen wollen, dass sie auf unsere Unterstützung zählen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Leider ging die Rede des Kollegen von der FDP komplett am Thema vorbei.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Sie haben sich mit dem versucht, was Sie schon die ganze Zeit machen, nämlich ideologische Gräben tiefer zu machen, anstatt irgendeine Lösung zu präsentieren, wie sie das Thema Milchkrise und die Existenznöte der Bauern in den Griff bekommen wollen. Dazu haben Sie leider bisher überhaupt keinen Beitrag geleistet.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Meine Damen und Herren, aktuell liegt der Milchpreis, den die Landwirte bekommen, bei 20 Cent. Meine Damen und Herren, 20 Cent, das ist billiger als Wasser. Ich finde es beschämend, dass solche Preise an Menschen gezahlt werden, die sich tagtäglich abrackern, die harte Arbeit leisten, die eigentlich nie Urlaub machen können und die es sich auch nicht leisten können, irgendwann einmal krank zu werden. Es ist auch unwürdig den Nutztieren gegenüber, von denen diese Milch kommt. Meine Damen und Herren, diese 20 Cent sind Almosen. Wir wollen, dass die Landwirte faire Preise bekommen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir haben aktuell in Hessen nur noch ca. 3.200 Milchviehbetriebe. Allein zwischen 1991 und 2010 gab es einen Rückgang der Milchviehbetriebe um 89 Prozent. Das ist wirklich dramatisch, denn hier geht es um Existenzen.
Die Milchviehbetriebe, die bleiben, werden immer größer. Die kleinen Milchviehbetriebe fallen weg. Es ist nicht so, dass wir finden, dass es keine größeren Betriebe geben darf. Aber auch diese größeren Betriebe bekommen ein Problem. Sie müssen immer effektiver arbeiten, sie müssen sich vergrößern. Sie müssen Kredite aufnehmen und kommen aus diesem Dilemma kaum raus, gerade bei den in Moment existierenden Preisen.
Wir müssen die Milchviehbetriebe, die noch da sind, halten und unterstützen. Denn hier geht es um unsere heimische Landwirtschaft. Hier geht es um den ländlichen Raum und natürlich auch um unsere Kulturlandschaft, die ohne die Beweidung durch diese Nutztiere teuer und aufwendig gepflegt werden muss, und die biologische Vielfalt.
Alles in allem kostet es uns enorm viel, wenn wir so weitermachen wie bisher und die Milchkrise nicht bekämpfen. Da wird die billige Milch für alle im Endeffekt teurer, fast unbezahlbar. Geiz ist nicht geil, Nachhaltigkeit ist geil; denn nur das schafft gute Zukunftsperspektiven.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Die Milchbauern stehen mit dem Rücken zur Wand, und ich bin Ministerin Hinz sehr dankbar, dass sie im Rahmen dessen, was wir als Land Hessen tun können, hilft, indem 5 Millionen Euro als Soforthilfe im Rahmen der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete bereitgestellt werden und mit diesen 5 Millionen Euro zusätzlich insgesamt 20 Millionen Euro ausgeschüttet werden können.
An Herrn Lenders gerichtet, möchte ich sagen: Klar, diese 5 Millionen € zusätzlich oder 20 Millionen Euro können das Problem nicht lösen. Aber sie helfen. Ich möchte Sie bitten, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass der Bauernpräsident, Herr Schmal, der bei dieser Pressekonferenz zugegen gewesen ist, als verkündet worden ist, dass es diese 5 Millionen Euro zusätzlich gibt, gesagt hat: Es ist ein wichtiges Signal auch für den Bauernverband, dass die Hessische Landesregierung zusammen mit dem Ministerpräsidenten Bouffier und mit Ministerin Hinz verkündet hat, dass diese 5 Millionen Euro Soforthilfe schnell und zügig bereitgestellt werden sollen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Es ist natürlich gut und wichtig, dass die Landesregierung die Milchbauern unterstützt. Aber wir müssen natürlich auch an die Ursachen des Problems gehen. Die Ursachen des Problems – wir haben hier schon mehrfach darüber diskutiert – sind die große Milchmenge, die Überproduktion, die im Markt ist, und die geringe Nachfrage. Da unterstützen wir die Landesregierung bei ihren Aktivitäten im Bundesrat zur Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes, um freiwillige Mengenabsprachen zwischen Molkereien und Landwirten kartellrechtlich zu erleichtern – das ist schon auf den Weg gebracht worden –, aber auch für ihren Einsatz bei der Bundesregierung, die sich auf EU-Ebene für eine zeitlich befristete Reduzierung der Milchmenge einsetzen soll.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, an die Ursachen des Problems zu gehen und nicht immer nur an den Symptomen herumzudoktern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Deswegen halten wir für grundfalsch, was die FDP in ihrem Antrag fordert, z. B. neue Exportmärkte für die hessischen Milchbauern zu erschließen. Welche Exportmärkte sollen das denn sein? Was wollen Sie machen? Wollen Sie noch mehr Milchpulver nach Afrika schicken und zusehen, wie dort unsere billige Milch die heimische Landwirtschaft kaputt macht? Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, dass wir das wollen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Zum erneuten untauglichen Versuch der FDP, das Bild zu stellen, als würde mit dem Ökoaktionsplan irgendeine Benachteiligung der konventionellen Landwirte einhergehen oder sogar die Milchkrise verschärft werden, kann ich nur sagen: Das Bild, das Sie stellen wollen, ist so etwas von an den Haaren herbeigezogen, das ist so etwas von absurd. Ich habe das Gefühl, Sie leben in der Vergangenheit, wo es die Gräben zwischen ökologischer Landwirtschaft und konventioneller Landwirtschaft in Hessen noch gab. Das möchte ich nicht bestreiten, aber ich glaube, Sie hätten diese Gräben gerne wieder. Wir mit unserer Landesregierung, mit Schwarz-Grün in Hessen haben sie aber zugeschüttet. Ich glaube, das ist eine gute Leistung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Bei dem Satz im Antrag der FDP: „Der Landtag unterstützt daher die Kritik des Hessischen Bauernverbandes am Ökoaktionsplan der Landesregierung“ frage ich mich: Wo haben Sie diese Kritik gehört oder gelesen? Ich habe lange recherchiert, ich habe dazu keine Kritik gefunden, ganz im Gegenteil.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Meine Damen und Herren, die Ökobauern sind doch auch Mitglieder des Bauernverbands. Darin sind nicht nur konventionelle Mitglieder vertreten, sondern auch Ökobauern. Der Zukunftspakt Landwirtschaft ist doch von Ökobauern und den Konventionellen zusammen beschlossen worden. Alles, was darin steht, nämlich die ökologische Landwirtschaft zu fördern, ist von den Ökobauern und von den Konventionellen zusammen unterschrieben worden. Wo sehen Sie den Gegensatz?
(Lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Das beste Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Biobauern und den Konventionellen sieht man in der Ökomodellregion in der Wetterau. Soviel ich weiß, ist ein Kollege der FDP zuständig für die Landwirtschaft. In dieser Ökomodellregion in der Wetterau haben sich die konventionellen und die Ökolandwirte zusammengetan, weil sie gesagt haben: Ökomodellregion ist eine gute Sache, da machen wir mit. Wir Ökobauern in der Wetterau haben den Markt im Rhein-Main-Gebiet mit der großen Nachfrage nach ökologischen Lebensmitteln vor der Tür. Da machen wir mit, das unterstützen wir gemeinsam. – Von wegen ideologische Gräben zwischen Konventionellen und Ökos. Diese Gräben existieren hier schon lange nicht mehr.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Das Einzige, wo ich Ihnen, Herr Lenders, recht geben mag, ist der Punkt in Ihrem Antrag, in dem Sie sich kritisch zu der geplanten Fusion von Tengelmann und Edeka und zu dieser Ministererlaubnis äußern. Auch das ist schwierig. Auch das wird die Konzentration im Markt verstärken. Das ist sicherlich ein Nachteil für die Landwirtinnen und Landwirte, aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Bei diesem Thema sind wir ausnahmsweise einmal einer Meinung.
Meine Damen und Herren, Ministerin Hinz tut alles, was von Hessen aus getan werden kann und möglich ist, um den Milchviehbetrieben zu helfen. Die Landesregierung handelt mit der Bereitstellung der zusätzlichen Mittel von 5 Millionen Euro, also insgesamt 20 Millionen Euro, im Rahmen der Ausgleichszulage verantwortlich. Sie hatten es schon angesprochen, Herr Lenders: Das sind 70 Prozent der Milchviehbetriebe, die wir in Hessen haben. Es sind nicht alle Milchviehbetriebe, die wir haben, aber es sind die Milchviehbetriebe, die sich in besonders schwierigen Lagen in Hessen befinden, nämlich in Hanglagen oder in gebirgigen Regionen, also in all den Regionen, die nicht über besonders fruchtbaren Boden verfügen, wo man keinen Ackerbau betreiben kann, wo man keinen Gemüseanbau betreiben kann. Diese Menschen sind besonders gebeutelt, und deswegen verstehe ich nicht, dass Sie gerade das kritisieren, meine Damen und Herren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Die Milchviehwirtschaft ist in diesen Regionen die einzige Möglichkeit, überhaupt Landwirtschaft zu betreiben. Wenn wir uns um diese Betriebe nicht mehr kümmern, werden wir irgendwann nur noch eine Konzentration auf einige wenige große Betriebe haben, oder die Landwirtschaft wird komplett ins Ausland verlagert. All diese Dinge wollen wir nicht haben.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Meine Damen und Herren, wir GRÜNE in Hessen kämpfen um jeden Milchbauern. Aus diesem Grunde haben wir diesen Setzpunkt eingebracht. Wir müssen alles befördern, was wir auf europäischer Ebene tun können. Wir müssen aber natürlich auch das tun, was wir hier tun können. Das macht Frau Ministerin Hinz. Morgen wird es eine Sonderagrarministerkonferenz in Brüssel geben. Da treffen die Agrarminister mit dem Agrarkommissar Phil Hogan zusammen. Aber auch hier gilt für uns: Bitte an die Ursachen des Problems gehen – das wird unsere Ministerin auch machen –, nämlich an die übergroße Menge. Wir müssen eine Mengenregulierung angehen.
Von daher wünsche ich Ministerin Hinz morgen alles Gute. Ich danke auch für die Unterstützung. In diesem Sinne hoffe ich, mit unserem Setzpunkt deutlich gemacht zu haben: Die Milchviehhalter in Hessen können auf uns zählen. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Greilich:

Vielen Dank, Frau Feldmayer.

Kontakt