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13.07.2016

Frank Kaufmann: Investitionsstau in Hessen

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! In Lexika und anderen klugen Büchern kann man Informationen über die speziellen Aufgaben der Opposition im Parlament finden. Es geht dabei hauptsächlich um zwei Dinge, nämlich darum, die Regierung und die Mehrheit zu kritisieren, sowie darum, realitätstaugliche Alternativen zu entwickeln und darzustellen.
(Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Schließlich will die Opposition doch die nächste Regierung sein und sich mit ihren Konzepten darum bewerben.
Meine Damen und Herren, wenn man sich jetzt die Debatte über den zuletzt gestellten Antrag der SPD anschaut, dann kann man mit großem Wohlwollen vielleicht noch den Kritikaspekt erkennen und durchgehen lassen – immerhin kommt das Wort „kritisieren“ in fünf von elf Absätzen dieses Antrags vor. Aber die zweite Aufgabe der Opposition, nämlich die Formulierung von Alternativen, findet sich in diesem Antrag genauso wenig wie in der Rede des Kollegen Schmitt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU –Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Hier sucht man vollständig vergebens nach Lösungsvorschlägen – ein Zustand, den wir übrigens nicht erst seit heute der SPD ankreiden.
(Manfred Pentz (CDU): Das ist wohl wahr! –Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Meine Damen und Herren, Kritik ist die Würze der parlamentarischen Auseinandersetzung. Aber, lieber Kollege Rudolph, diese Kritik wird fad und nervig, wenn sie nicht wenigstens zugleich eine Andeutung machen kann, wie denn die kritisierten Zustände verändert werden sollen,
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU)
außer dem litaneimäßig vorgetragenen Vorschlag der SPD, mehr Geld auszugeben.
(Widerspruch des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Meine Damen und Herren, darin ist die SPD, was Vorschläge angeht, unschlagbar. Allein in diesem Jahr wurden von ihr Forderungen – teilweise sind es Wiederholungen – in folgender Höhe öffentlich erhoben, ich nenne nur Stichworte: 20.000 zusätzliche Sozialwohnungen bilanzieren sich auf 2 Milliarden Euro; mehr KFA-Mittel für die Kommunen – 1 Milliarde Euro; kostenfreie Kitas – mindestens 400 Millionen Euro; Besoldungserhöhung, das hatten wir gestern – rund 230 Millionen Euro; zusätzliches Personal – 50 Millionen Euro; mehr Landesstraßenbau – mindestens 20 Millionen Euro; den Kollegen Schmitt habe ich eben so verstanden, dass es dabei eigentlich um 80 Millionen Euro geht, nämlich darum, von 90 Millionen Euro auf 170 Millionen Euro aufzustocken; Breitbandversorgung auch mindestens 20 Millionen Euro; Sozialbudget – mindestens 20 Millionen Euro; mehr für den Schulbereich – mindestens 80 Millionen Euro; mehr für den Hochschulbereich – mindestens 80 Millionen Euro.
(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Meine Damen und Herren, damit landen wir bei knapp 4 Milliarden Euro, die von der SPD einfach so, zwischen Suppe und Kartoffeln, zwischen Januar und Mai gefordert werden. Und das wollen Sie als eine seriöse Politik darstellen?
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU –Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD) – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Meine Damen und Herren, es scheint sich hier um eine Sucht nach Geldausgeben zu handeln. Dieser berüchtigte rote Faden zieht sich durch diesen Antrag. Selbstverständlich aber kommt keine einzige Aussage vor, woher denn das Geld zu nehmen wäre. Ich darf nochmals erinnern: Die einzige Möglichkeit des Landes, eine Erhöhung durchzuführen, haben wir in der schwarz-grünen Koalition genutzt – und die SPD hat sich dem verweigert. Das war für den Landeshaushalt immerhin eine Summe von 155 Millionen Euro – auch das ist nicht zu verachten.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Meine Damen und Herren, deswegen sagt dieser Antrag wenig bis nichts über Zustände und Perspektiven für Hessen, sehr viel aber über den erbärmlichen Zustand der SPD in unserem Land.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU –Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Angesichts des heute einmal wieder enttäuschenden Auftritts, lieber Kollege Schmitt, kann man nur in tiefe Wehmut verfallen.
(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Wir erinnern uns sehnsüchtig an den letzten sozialdemokratischen Regierungschef Hessens,
(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
der später ein Vorgänger von Wolfgang Schäuble in Berlin wurde. Unter seiner Führung war die SPD-Politik noch berechenbar und finanzwirtschaftlich tragfähig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Das steht ganz im Gegensatz zur augenblicklich vorherrschenden Wurstthekenmentalität nach dem Motto: Darf es ein bisschen mehr sein?
(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Meine Damen und Herren, dieses Verhalten mag gut sein für die Ladenkasse, aber es ist kein Ausdruck finanzpolitischer Verantwortung.
(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) – Weitere Zurufe)
Wer wie die SPD bald regieren will, der braucht Konzepte, die auch im Regierungsalltag tauglich sind und nicht nur kurzfristig wirkende Stimmungsmacher sind. Wer nämlich auf Stimmung setzt, der begibt sich auf einen Schlingerkurs, und genau den können wir bei der SPD gut beobachten.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, „Jedem wohl und niemand weh, Finanzierung à la SPD“ funktioniert eben nicht in Verantwortung. Das funktioniert vielleicht auf dem Fastnachtsmarkt oder auch von einer Tribüne aus, wenn demonstrierende Menschen vor einem stehen. Aber das funktioniert nicht, wenn man die Verantwortung wirklich haben will.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD – Weitere Zurufe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Sie sind dann zu einem Schlingerkurs verurteilt. Genau in diesen Zustand sind wir offensichtlich geraten. Es kommt noch hinzu: Wir haben oft genug erlebt, wie es ist, gleichzeitig gegen und für etwas zu sein. Wir haben es in diesem Haus – wie ich schon sagte – immer wieder erlebt, dies bei der SPD auch noch als vollständig widerspruchsfrei wahrzunehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu solcher Entrücktheit vom Irdischen kann man Ihnen nur gratulieren. Oder muss man Sie nicht eher bemitleiden?
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Zuruf von der SPD – Weitere Zurufe)
In der realen Politik erlangt man nämlich keine Unterstützung, wenn man höhere Ausgaben fordert, die höheren Einnahmen gleichzeitig verweigert und, wie ich gerade angesprochen habe, dann noch treuherzig versichert – wir haben es hier erlebt –, man stehe selbstverständlich weiterhin fest zur Schuldenbremse. Merke: Contradictio in adiecto ist kein Beitrag zur politischen Glaubwürdigkeit, sondern lediglich ein politischer Offenbarungseid.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Meine Damen und Herren, deswegen schauen wir uns jetzt einmal den SPD-Antrag an zwei Beispielen konkreter an. Aber zunächst muss ich mein Bedauern darüber ausdrücken, dass die SPD im Antrag auf einen Investitionsbegriff zurückgreift, den Sie selbst lange als überholt und nicht zukunftsorientiert gegeißelt hat. Es wird wieder der Beton in der Landschaft als einzig wegweisende Investition propagiert, ohne dabei die wichtigen Investitionen, nämlich die in das sogenannte Humankapital, zu betrachten.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP) – Weitere Zurufe von der SPD und der FDP)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Kolleginnen und Kollegen, bitte etwas mehr Ruhe für den Redner.

Frank-Peter Kaufmann:

Dabei bestand doch schon einmal Konsens, dass Investitionen, die das in einer Volkswirtschaft vorhandene Sachkapital modernisieren, nur dann sinnvoll sind, wenn das Wissen und die Fähigkeiten der Menschen mit entwickelt werden. Wir GRÜNE jedenfalls halten es zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft für wesentlich, hier eine Gesamtschau durchzuführen und nicht nur deinen partiellen Investitionsbegriff anzusetzen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, jetzt will ich einmal beispielhaft das Lieblingsthema der SPD aufrufen – es wurde deutlich angesprochen –: den Straßenbau. Sie fordern in den Punkten 3 und 4 des Antrags wie gewohnt im Ergebnis höhere Ausgaben des Landes.
(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))
Dabei übersehen Sie, dass es eine klare und richtige Priorisierung der schwarz-grünen Regierungsmehrheit zugunsten von Erhalt und Sanierung von Straßen gibt, bei der wir nicht – jetzt kommt es – zuallererst auf den Eigentümer der Straße schauen. Dies tun wir, obwohl der Bund seine finanziellen Verpflichtungen zulasten der Länder stets deutlich herunterrechnet – Stichwort: Planungskosten.
Deshalb haben wir, nachdem der Bund – in dessen Regierung Sie von der SPD übrigens mit die Verantwortung tragen, nicht wir – jetzt endlich mehr finanzielle Mittel bereitstellt, innerhalb des Ansatzes Straßenbau eigene Landesmittel umgeschichtet, damit am Ende so viele Sanierungsmaßnahmen wie möglich durchgeführt werden können. Genau das ist richtig.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Den Nutzern der Straße ist es nämlich ziemlich egal, welcher Buchstabe vor seiner Nummer steht, Hauptsache, die Straßen sind in einem ordentlichen Zustand.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Ein weiteres Thema des Antrags der SPD will ich aufgreifen: den Wohnungsbau. Ich tue das nicht ohne den Hinweis, dass es trotz Föderalismusreform hierfür weiterhin eine Verantwortung beim Bund gibt, die konkret beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit angesiedelt ist, welches von der Sozialdemokratin Barbara Hendricks geleitet wird.
Soeben hat der Bund zugesagt, die Mittel für den sozialen Wohnungsbau für 2017 für ganz Deutschland um eine halbe Milliarde Euro aufzustocken. Das wären für Hessen rund 40 Millionen Euro, vielleicht auch ein bisschen mehr. Wenn Sie dies nun aber mit unserem schwarz-grünen Programm von rund 1 Milliarde Euro bis 2019 vergleichen, dann müsste Ihnen selbst durch die getrübte Oppositionsbrille auffallen, dass bei den in Punkt 7 des Antrags genannten Versäumnissen die Landesregierung die falsche Adresse ist und der zutreffende Vorwurf eher an ihre Parteifreunde in Berlin gehen sollte.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich muss zum Schluss kommen, deswegen ganz kurz die Zusammenfassung: Die SPD kritisiert die Landesregierung, hat aber selbst keinerlei realisierbare Alternative zu bieten. Mein sehr zugewandter Rat an Sie lautet deshalb: Verharren Sie nicht im Miesmachen, sonder erarbeiten Sie Konzepte, dann finden Sie auch Zustimmung. Für den Antrag, den Sie vorgelegt haben, können Sie unsere Zustimmung leider nicht erhalten.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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