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11.10.2014
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Ökologie, Gerechtigkeit und Freiheit gehören zusammen

1. Die hessischen GRÜNEN begrüßen die vom Bundesverband angestoßene Debatte über das Thema Freiheit. Angesichts politischer Entwicklungen, die die Freiheit des Einzelnen und der Gesellschaft gefährden, ist dies erforderlich. Das massenhafte Sammeln der Daten von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen ist darunter nur eines von vielen Beispielen. Auch vor dem Hintergrund der Wahrnehmung der Grünen in der Öffentlichkeit erscheint uns eine Diskussion der Linie der Bundes-Grünen notwendig und sinnvoll. Gerade während des letzten Bundestagswahlkampfs haben wir es den anderen Parteien leicht gemacht, uns in die Ecke „Verbotspartei“ zu rücken, in der wir weder sind noch hingehören. Dies erfordert auch ein Nachdenken über unsere Kommunikation.

2. Wir hessische GRÜNE wollen den Menschen Freiheiten sichern, Chancen eröffnen und Angebote unterbreiten. Wir setzen auf überzeugen statt vorschreiben. Dies sollte den Ton in unserer Kommunikation stärker bestimmen als bisher. Zugleich definieren wir Freiheit in engem Zusammenhang mit Verantwortung zu ökologischer Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität. Dadurch unterscheidet sich der Freiheitsbegriff ganz klar vom Freiheitsbegriff anderer Parteien. Der Freiheitsbegriff der Grünen bedeutet gleichsam eine klare Abgrenzung vom einseitigen wirtschaftlichen Freiheitsverständnis des Neoliberalismus – und das heißt für uns Grüne: Wirtschaftliche Freiheit geht mit wirtschaftlicher Verantwortung gleichermaßen einher. Es wäre töricht, diesen breiten grünen Freiheitsbegriff auf den Freiheitsbegriff der FDP zu verengen. Anleihen und Erbschleichereien bei anderen Parteien haben wir auch gar nicht nötig. Freiheit ist eben mehr als die Freiheit des einzelnen, seines eigenen Glückes Schmied zu sein.

3. Freiheit ist für uns auch immer die Freiheit des anders Denkenden oder anders Lebenden und immer auch die Freiheit kommender Generationen und deren Recht auf eine intakte Umwelt und die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen.

4. Es waren die neuen sozialen Bewegungen und die GRÜNEN, die in den Jahren nach 1968 für viele Freiheiten erfolgreich gestritten haben und auch weiter streiten werden: Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Selbstbestimmung für behinderte Menschen, Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, gleiche Rechte für Schwule und Lesben, Eintreten für gesellschaftliche Minderheiten.

5. Emanzipation, Selbstbestimmung, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Kampf gegen staatliche Bevormundung und – in den neuen Ländern – gegen staatliches Unrecht waren, sind und bleiben Kern des grünen Freiheitsbegriffs.

6. Ohne Gerechtigkeit bleibt Freiheit für viele ein leeres Versprechen. Nur wer Chancen und Teilhabemöglichkeiten in unserer Gesellschaft hat, kann sich frei entfalten. Freiheit, Chancen und Teilhabe für alle in unserer Gesellschaft kommen nicht von allein. Es ist Aufgabe von Politik, sie zu schaffen.

7. Da Gerechtigkeit sich zumeist auf die Verantwortung der Gesellschaft gegenüber dem Einzelnen bezieht, sollte sie mit Solidarität ergänzt werden. Diese definiert das soziale Miteinander und betont den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Solidarität betont damit auch die Verantwortung des Einzelnen gegenüber anderen und ergänzt somit Gerechtigkeit.

8. Eine intakte Umwelt ist eine Grundvoraussetzung von Freiheit. Ohne Verantwortung zu einer ökologischen Nachhaltigkeit und die Bewahrung einer lebenswerten und lebenserhaltenden Umwelt ist Freiheit nicht denkbar. Das gilt für die Freiheit künftiger Generationen ebenso wie für die Freiheit derer, die schon heute unter Umweltverschmutzung und Klimaveränderung leiden. Die Freiheit
des einen darf die Freiheit des anderen nicht beschneiden. Dieses Gebot der Gerechtigkeit gilt insbesondere für die Ökologie. Wer seine Freiheit dazu nutzt, die Umwelt zu verschmutzen, beeinträchtigt die Freiheit anderer, da diese gezwungen sind, ihre Ressourcen dafür einzusetzen, den Folgen dieser Umweltverschmutzung entgegenzuwirken, anstatt sie in ihre freie Entfaltung und Entwicklung zu investieren.

9. Ökologie, Gerechtigkeit und Freiheit sind Grundwerte grüner Politik, die durchaus auch im Spannungsverhältnis zueinander stehen können. Eine sorgfältige Balance zwischen diesen Werten sollte sowohl für die Politik selbst, als auch in der Kommunikation gehalten werden. Wer zu Recht ein Mehr an Gerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit will, muss dies klar begründet kommunizieren und darf das Freiheitsbedürfnis der Menschen nicht unterschätzen. Und wer für Gerechtigkeit und Freiheit eintritt, darf die Ökologie und Solidarität nicht vernachlässigen. Eine freie Gesellschaft will von unseren Vorschlägen für eine
ökologischere und gerechte Welt überzeugt, aber nicht zwangsbekehrt werden.

10. Mit einem so verstandenen und umgesetzten Vierklang aus Ökologie, Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit hat Grüne Politik auch auf Bundesebene alle Chancen, richtig verstanden und von der Bevölkerung getragen zu werden. Die hessischen Grünen werden dazu beitragen, dass sich Bundespartei, Bundestagsfraktion und die Grünen insgesamt auf Grundlage dieser Werte Grüne Politik voranbringen. Wir können dabei unseren hessisch- grünen Weg der inhaltlichen Konzeptarbeit und Eigenständigkeit zur Nachahmung empfehlen. Eigenständigkeit bedeutet für uns nicht rot-grün, nicht schwarz-grün, nicht neue FDP, sondern schlicht und einfach: DIE GRÜNEN.