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14.01.2017
Landesarbeitsgemeinschaften, Parteirat

Abschiebepolitik der Bundesregierung nach Afghanistan: Einschätzung der Sicherheitslage überprüfen – humanitäre Handlungsspielräume nutzen

1. Die hessischen GRÜNEN kritisieren, dass sich die bisherige Abschiebepraxis der schwarz-roten Bundesregierung nach Afghanistan durch Härte und politische Inszenierungen statt durch Humanität und Differenziertheit auszeichnet. Obwohl es von vielen Seiten beträchtliche und ernstzunehmende Zweifel daran gibt, ob Abschiebungen nach Afghanistan angesichts der Sicherheitslage im Land zu verantworten sind, hält die Bundesregierung bislang an ihrer Praxis fest. Wir GRÜNE teilen die bestehenden Bedenken bzgl. der Sicherheit in Afghanistan ausdrück- lich.

2. Der Parteirat kritisiert die politische Instrumentalisierung und erkennbare mediale Inszenierung von Abschiebungen durch die Bundesregierung, um Handlungsfähigkeit und Härte zu beweisen. Es ist schwer erträglich, wenn der Bundesinnenminister mit Zielgrößen und Phantastereien über Massenabschiebungen nach Afghanistan den Eindruck erweckt, als habe die im Grundgesetz vorgesehene Einzelfallprüfung von Asylanträgen keine Gültigkeit. Für die Betroffenen ist eine Abschiebung immer ein schweres menschliches Schicksal – unabhängig davon, ob sie von den zuständigen Behörden der Länder einzeln oder als Teil einer vom Bund organisierten gebündel- ten Abschiebung erfolgt.

3. Der Parteirat fordert die Bundesregierung auf, ihre Einschätzung der Sicherheitslage in Afghanis- tan unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des UNHCR, von NGOs und in Afghanistan tätigen Hilfsorganisationen zu überprüfen und so die Voraussetzungen für ein Ende der derzeitigen Abschiebepraxis zu schaffen. Der Bund steht vor allem gegenüber den Flüchtlingen aber auch gegenüber den Bundesländern, die die Asylentscheidungen der Bundesbehörden umsetzen müssen, gerade bei so instabilen Staaten wie Afghanistan in der Verantwortung, die Sicherheits- lage kontinuierlich und gewissenhaft zu überprüfen.

4. Der Parteirat stellt fest, dass es beim Vollzug der Abschiebeentscheidungen des Bundes kaum Ermessensspielraum der Bundesländer gibt. Er fordert die Landesregierung jedoch auf, vorhan- dene humanitäre Handlungsspielräume konsequent zu nutzen und unterstützt entsprechende Vorschläge der GRÜNEN Landtagsfraktion.

5. Hierzu gehört insbesondere die gemeinsame Erklärung der GRÜNEN in den Landesregierungen von Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen zum Thema „Rückführungen nach Afghanistan“ (siehe Anlage).

6. Auf dieser Grundlage sollen die zuständigen Behörden bei der Prüfung von individuellen Abschiebehindernissen sowie der Organisation von Abschiebungen insbesondere die familiäre und gesundheitliche Situation von Ausreisepflichtigen, die Dauer ihres Aufenthalts und ihre bereits erbrachten Integrationsleistungen berücksichtigen. Darüber hinaus ist die Möglichkeit einzubeziehen, eine Duldung zur Durchführung einer Ausbildung (§60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz) zu erteilen. Auf Landesebene setzen sich DIE GRÜNEN dafür ein, dass nach geltendem Recht ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder vorrangig abgeschoben werden.

7. Die hessischen GRÜNEN betonen, dass der freiwilligen Rückkehr abgelehnter Asylbewerber Priorität vor Abschiebungen eingeräumt werden sollte. Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer ist – auch bezogen auf Afghanistan – weit höher als die Zahl der Abschiebungen. Wo die freiwillige Ausreise scheitert, müssen jedoch auch zwangsweise Rückführungen per Abschiebung erfolgen. Auch sie sind in Folge des Bundesrechts dort vorzunehmen, wo humanitäre Handlungsspiel- räume nicht greifen oder wo es dringend geboten ist. So werden etwa bereits seit langem Straftäter nach Afghanistan abgeschoben.

 

Beschluss von zehn grün mitregierten Ländern