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30.10.2010
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Raus aus der Schuldenfalle. Eine neue, sozial-, umwelt- und generationenengerechte Haushaltspolitik

Bund, Länder und Kommunen haben bis heute einen Schuldenberg von rund 1,7 Billionen Euro angehäuft. Auf jede Bürgerin und jeden Bürger entfallen damit mehr als 21.000 Euro staatlicher Schulden. Pro Tag wächst die Staatsverschuldung um über 300 Mio. Euro. Die Zinszahlung ist mit 38,8 Milliarden Euro pro Jahr der drittgrößte Posten im Bundeshaushalt. Das bedeutet, dass jeder zehnte Euro des Bundeshaushalts in die Zinszahlung fließt. Es sind die kommenden Generationen, die die Last der unnachhaltigen Haushaltspolitik der letzten 60 Jahre tragen müssen. Eine generationengerechte Politik darf nicht auf Umwelt und Energie begrenzt sein. Wenn wir uns nicht darauf beschränken wollen, die bestehenden Mängel zu verwalten, sondern Gestaltungsspielräume für künftige Politik zu bewahren, müssen wir stärkere Anstrengungen zum Abbau der Schuldenlast unternehmen als bisher.
Wir begrüßen daher grundsätzlich die Einführung einer Schuldenbremse, die den Staat dazu verpflichtet, ab 2020 nur noch so viel Geld auszugeben, wie er auch tatsächlich einnimmt. Ihre Ausgestaltung muss jedoch sozial, umwelt- und generationengerecht sein. Eine Schuldenbremse allein wird unsere finanziellen Probleme aber nicht lösen. Wir brauchen nicht weniger als einen politischen Paradigmenwechsel, auch und zuerst in der Haushaltspolitik. Warum die Staatsverschuldung ein Problem ist Ein Grund für die ausufernde Verschuldung ist die Kurzsichtigkeit früherer Regierungen, die nicht über den nächsten Wahltermin hinaus gedacht haben, und Einzelinteressengruppen bedient haben, statt sich am Gemeinwohl zu orientieren. Immer wieder sind Finanzminister mit dem vollmundigen Versprechen des ausgeglichen Haushalts angetreten. Seit mehr als 40 Jahren hat es jedoch keine Bundesregierung geschafft, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Die hohe Staatsverschuldung, der wir uns heute gegenübersehen, ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Die Schulden von heute sind die Steuer- und Gebührenerhöhungen von morgen und die steigende Zinslast wird die Handlungsspielräume kommender Generationen erheblich einschränken. Daneben gibt es aber noch eine Reihe weiterer Gründe, die ausufernde Staatsverschuldung jetzt zu bekämpfen. Je höher die Staatsverschuldung wird, desto schwerer fällt es einem Staat, sich auf den Finanzmärkten zu refinanzieren. Ist ein Staat erst einmal im Visier der Zocker, gerät schnell die gesamte Wirtschaft in eine gefährliche Schieflage. Der Fall Griechenland hat gezeigt, wie schnell ungezügelte Finanzmärkte einen Staat an den Rand des Ruins treiben können. Nur durch ein massives Eingreifen der Europäischen Union konnte die Kreditwürdigkeit Griechenlands gesichert und die Abwertungsspirale des Euro gestoppt werden.

Der Staat darf insbesondere seine konsumtiven Ausgaben nicht über Schulden finanzieren und muss auch Investitionskredite begrenzen, um die Finanzmärkte nicht zu stark zu belasten. Der Gefahr, durch Schuldenmachen des Staates private Investitionen zu verteuern muss wirksam begegnet werden.

Aufgrund der wachsenden Probleme des Staates, der Schuldenfalle zu begegnen, sinkt nicht zuletzt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat. Der Schuldenabbau wird somit zur Bewährungsprobe der Glaubwürdigkeit der Politik. Einnahmeverbesserungen und Subventionsabbau für einen gerechten und nachhaltigen Haushalt. Der aktuelle Zeitpunkt ist günstig, um mit einem ehrlichen und nachhaltigen Abbau der Staatsverschuldung zu beginnen. Nach der Krise müssen die Mehreinnahmen des spürbaren Aufschwungs für die Haushaltskonsolidierung genutzt werden. Solide Einnahmen sind die Voraussetzung dafür, dass der Staat seine Aufgaben wahrnehmen kann.

Die staatliche Steuerpolitik muss obendrein sowohl im Hinblick auf Verteilungs- als auch auf Generationengerechtigkeit deutlich ausgewogener werden. Wir wollen deshalb Mehreinnahmen generieren durch die Erhöhung bzw. Einführung von vermögensbezogenen Steuern (Erbschafts- und Vermögenssteuer) und Steuern mit Lenkungswirkung. Statt durch Subventionen müssen politische Ziele in Zukunft durch Anreize im Steuersystem erreicht werden. So muss z.B. die Ökosteuer ausgeweitet werden. Damit tragen wir zu einer ökologisch und finanziell nachhaltige Politik bei. Zudem wollen wir den Spitzensteuersatz um vier Prozent erhöhen und die Umsatzsteuer grundlegend reformieren. Der Solidaritätszuschlag soll nach dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2020 weiterentwickelt werden und ein Teil davon soll zum Schuldenabbau genutzt werden. Er soll nicht in den allgemeinen Haushalt übergeführt werden, sondern über einen Sonderfonds zweckgebunden verwendet werden.
Wir sprechen uns dafür aus, einen solchen Fonds als Instrument zum Schuldenabbau auch bei den Ländern einzusetzen, da es für eine nachhaltige Haushaltswirtschaft nicht ausreicht, lediglich keine neuen Schulden zu machen, aber die bestehenden Berge bestehen zu lassen. Diese Einnahmeerhöhungen alleine werden aber nicht reichen, um den Haushalt zu konsolidieren. Der Staat wird in Zukunft nicht alle seine Ausgaben weiter tätigen können. Hier wollen wir besonders bei den Subventionen ansetzen.

Trotz notorisch knapper Kassen leistet sich der Staat jährlich über 34 Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen. Das führt nicht nur zu einer unnötig hohen Staatsverschuldung und hohen Steuern oder Abgaben an anderer Stelle, sondern auch dazu, dass umweltschädigendes Verhalten belohnt wird. Flugtickets und Dienstwagen, Atomstrom und industrielle Landwirtschaft sind nur deshalb billig, weil der Staat sie massiv subventioniert. Subventionen wurden und werden nicht wirtschaftlich gedacht, sondern aus parteipolitischen Gründen vergeben. Das aktuellste Beispiel ist die Mehrwertsteuervergünstigung für Hotelübernachtungen. Mit Subventionen werden zu oft veraltete Industrien künstlich am Leben erhalten und Innovationen verhindert. Gerade im Energiebereich wird diese Misswirtschaft deutlich. So darf es nicht weitergehen.
Subventionen für privatwirtschaftliche Unternehmen müssen ökonomisch und ökologisch nachhaltig sein. Sie müssen eine Ausnahme sein, die zur Überbrückung einer besonderen Lage dient und dürfen nicht zum Dauerzustand werden. Sie müssen in kurzen Abständen ergebnisoffen evaluiert werden, ob sie noch sinnvoll und notwendig sind. Darüber hinaus sollen Subventionen an die Wirtschaft degressiv gestaltet und soweit wie möglich nicht als Zuschüsse, sondern als Darlehen gegeben werden, damit auch die öffentlichen Hände am Erfolg der geförderten Maßnahme beteiligt sind. In diesem Sinne fordern wir eine Vereinfachung des Steuerrechts. Die Pendlerpauschale und die Kohlesubvention zeigen, wie es nicht funktioniert. Die Pendlerpauschale fördert ein umweltschädigendes Verhalten auf Kosten der Steuerzahler. Die Kohlesubvention ist der Rettungsring einer längst toten Industrie. Sie ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch höchst fragwürdig.

Auch die öffentliche Finanzierung von Angeboten der Daseinsvorsorge (wie z. B. im ÖPNV) soll, obwohl sie keine Subvention im engeren Sinn darstellt, regelmäßig auf ihre Effizienz hin überprüft werden, um auch in diesen Fällen einen optimalen Mitteleinsatz zu gewährleisten. Einsparungen und effizienteres Regierungshandeln Um raus aus der Schuldenfalle zu kommen, muss die Politik neben der Streichung von direkten Subventionen weitere Kürzungen auf der Ausgabenseite vornehmen. Dazu gehört der Verzicht auf sinnlose Infrastrukturprojekte wie z.B. Kassel-Calden genauso wie eine Überprüfung aller staatlichen Dienstleistungen und Unterstützungen darauf, ob sie den Zielen einer sozialen, umwelt- und generationengerechten Politik dienen. Regierungshandeln muss zudem wesentlich effektiver gestaltet werden. Die Bürokratiekosten müssen gesenkt werden und Doppelverwaltungen abgeschafft werden. Orientierung am Gemeinwohl statt an Einzelinteressen Was wir brauchen, ist nichts weniger als ein neues Staatsverständnis.
Ein Weiter-so werden wir uns nicht leisten können. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass der Staat alles leisten kann, was der einen oder anderen Interessengruppe wünschenswert erscheint. Selbst wenn wir die Einnahmen massiv erhöhen, werden wir uns auch über die Ausgaben und Aufgaben des Staates neu verständigen müssen. Wir müssen uns darauf besinnen, welches die Aufgaben eines Staates sind, die er unabhängig von der Kassenlage erfüllen muss. Neben der sozialen Sicherung ist dies auch der Kampf gegen die Klimakatastrophe. Aber auch auf diesen Gebieten ist nicht die Summe der staatlichen Mittel entscheidend, sondern deren Effektivität.

Eine neue, sozial-, umwelt- und generationenengerechte Haushaltspolitik ist eine der dringendsten Aufgaben dieser und kommender Generationen. Wir müssen und werden diese Aufgabe annehmen und uns der Herausforderung stellen, diesen Prozess so zu gestalten, dass am Ende eine am Gemeinwohl orientierte Politik steht.