Inhalt

10.12.2011
Landesarbeitsgemeinschaften, Landesmitgliederversammlung

Lebensqualität gegen den Flughafenausbau verteidigen. Fluglärm reduzieren – Nachtruhe sichern – Wortbruch beenden. Rücknahme des Revisionsantrags JETZT

Seit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest am Flughafen Frankfurt werden den Menschen in der Rhein-Main-Region in unerträglichem Ausmaß zusätzliche Fluglärmbelastungen zugemutet. Selbst in Wohngebieten werden häufig Schallpegel von mehr als 80 dB(A) gemessen, hunderte Maschinen donnern täglich in niedrigster Höhe über die Dächer und Augenblicke der Stille sind tagsüber mittlerweile ein gänzlich unbekanntes Phänomen. Häufig ist bei den Betroffenen deshalb von Lärmterror die Rede und man spricht sogar von „kriegsähnlichen Zuständen“ in bislang friedlichen Siedlungen.

Damit werden selbst schlimme Befürchtungen über die Folgen des Flughafenausbaus noch deutlich übertroffen; die Menschen leiden unter der Fluglärmbelastung und fühlen sich ihrer Heimat beraubt. Völlig zu Recht werden deshalb massive Proteste vielerorts artikuliert, so dass jetzt selbst eingefleischte Ausbaubefürworter ihre frühere Meinung zu relativieren versuchen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hessen als einzige politische Kraft im Land, die von Anfang an engagiert gegen den Flughafenausbau gekämpft hat, steht in dieser Situation klar auf der Seite der Lärmopfer: Die Proteste sind wichtig und richtig, um deutlich zu machen, dass die Grenzen des Wachstums des Flughafens im dichtbesiedelten Rhein-Main-Gebiet längst überschritten sind – das muss auch die hessische Landesregierung endlich erkennen. Wir GRÜNE werden deshalb nicht nachlassen und unermüdlich für die Verringerung der Fluglärmbelastung in unserer Region und für die Erhaltung der Lebensqualität streiten.

Wir haben dabei stets präsent, dass der Flughafenausbau nur mit einem massiven vorsätzlichen Wortbruch durchgesetzt wurde, begangen von der Landesregierung und der Koalition aus CDU und FDP: „Kein Ausbau ohne Nachtflugverbot“ wurde immer wieder beschworen, eine Ausbaugenehmigung mit durchschnittlich 150 geplanten Nachtflügen – davon 17 in der Zeit zwischen 23.00 und 5.00 Uhr – wurde dann aber erteilt. Nachdem das höchste hessische Verwaltungsgericht dies für rechtswidrig erklärte und das Nachtflugverbot zwischen 23.00 und 5.00 Uhr einforderte, eilte die Landesregierung mit einem Revisionsantrag zum Bundesverwaltungsgericht, um ihren Wortbruch doch noch durchzusetzen.

Wir fordern die sofortige Rücknahme dieses Revisionsantrags als deutliches Zeichen an die Leipziger Richter, dass das Nachtflugverbot auch von der Landesregierung endlich akzeptiert wird. Es muss deutlich werden, dass eine nächtliche fluglärmfeie Zeit für die Lebensbedingungen in der Rhein-Main-Region unverzichtbar ist. Wir werden mithelfen, dass die Proteste in der Region so laut sind, dass sie auch vom Gericht in Leipzig nicht überhört werden können, damit das Nachtflugverbot durch ein abschließendes Gerichtsurteil nicht wieder aufgehoben, sondern möglichst erweitert wird. Denn die sogenannte Mediationsnacht von 23 bis 5 Uhr entspricht schon heute nicht der gesetzlichen Nacht von 22 bis 6 Uhr. Daher muss auch der Schutz der Nachtruhe in den Zeiten zwischen 22 und 23 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr wieder auf die Tagesordnung.

Erst jetzt durch die Konfrontation mit der alltäglichen Lärmrealität wird wahrgenommen, wie stark der Fluglärm die gewohnten Lebensabläufe beeinträchtigt und wie gesundheitsschädlich er wirkt. Plötzlich will bei CDU, SPD und FDP kaum jemand mehr die Verantwortung dafür übernehmen, den Ausbau befürwortet, die neue Landebahn beschlossen und damit die Verlärmung verursacht zu haben. Wir rufen deshalb insbesondere die bisherigen BefürworterInnen des Flughafenausbaus zu tätiger Reue auf, damit sie mithelfen, gemeinsam mit uns wirksame Maßnahmen für mehr Schutz vor Fluglärm durchzusetzen.

Wir wollen, dass

  • die Landesregierung die Revision gegen das Nachtflugverbot sofort zurücknimmt und somit ein deutliches Zeichen für den Lärmschutz setzt;
  • alle Möglichkeiten geprüft werden, wie der Schutz der Nachtruhe auf die Zeit der gesetzlichen Nacht von 22 bis 6 Uhr ausgedehnt wird;
  • die Luftaufsicht des hessischen Wirtschaftsministeriums die Einhaltung des vom VGH vorläufig in Kraft gesetzten Nachtflugverbots strikt kontrolliert und Ausnahmegenehmigungen nur in konkret begründeten Einzelfällen bei unabweisbarer Notwendigkeit erteilt;
  • aktiv wirkende Schallschutzmaßnahmen, die zur Verringerung der Belastung führen, möglichst umgehend nicht nur in die Tagesrandstunden, sondern auch in den regulären Tagesbetrieb am Flughafen Frankfurt übernommen werden; das sind z.B.:
  • das Steilstartverfahren, damit die Flugzeuge möglichst rasch Höhe gewinnen;
  • der Gleitsinkanflug (CDA), damit die Flugzeuge weitgehend im Leerlauf zum Landepunkt herabsinken;
  • der gebogene Anflug (Segmented RNAV (GPS) Approach), damit die Flugzeuge möglichst keine Besiedlungszentren in geringer Höhe überfliegen;
  • gezielte Bahn- und Routennutzungen (DROps) – auch in Form von zeitlichen Betriebsbeschränkungen für einzelne Bahnen, damit Pausen der Lärmbelastung für die Betroffenen geschaffen werden;
  • die Erhöhung des Gleitwinkels des Instrumenten-Lande-Systems über 3 Grad hinaus, damit die Überflughöhen im Endanflug möglichst hoch liegen;
  • eine deutlich stärkere Spreizung des Gebührensystems mit Erhöhungen der Gebühren für lautere Flugzeuge, damit diese Frankfurt möglichst meiden und die Fluggesellschaften in modernere Flugzeuge investieren.
  • eine absolute Obergrenze für Flugbewegungen und Lärmbelastungen festgelegt wird, damit die Menschen, die rund um den Flughafen leben und auch schlafen wollen, vor stetig steigenden Belastungen nachhaltig geschützt sind;
  • das Luftverkehrsgesetz durch den Bundesgesetzgeber möglichst umgehend zugunsten wirksamen Lärmschutzes der Bevölkerung geändert wird, dass nämlich:
  • die Flugsicherung (DFS) darauf verpflichtet wird, neben der Flugsicherheit mit Priorität den Lärmschutz als Arbeitsvorgabe und das Gebot der Minimierung des Fluglärms bei ihren Entscheidungen zu beachten;
  • eine Beteiligung der Öffentlichkeit zumindest bei grundlegenden Entscheidungen über Flugrouten und Flugverfahren durch Ergänzung der bisher geltenden Vorschriften sichergestellt wird;
  • die in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene formulierte Absicht von CDU/CSU und FDP, durch Gesetzesänderung ein faktisches Verbot von Nachtflugverboten einzuführen, verhindert wird.

Auch eine andere Verkehrspolitik kann und muss einen Beitrag zur Verringerung der Fluglärmbelastung leisten. Noch immer finden vom Frankfurter Flughafen jeden Tag zahlreiche in jeder Hinsicht unsinnige Kurzflüge bspw. nach Stuttgart oder Hannover statt. Diese könnten ohne Probleme komplett auf die Bahn verlagert werden, wie es bereits mit den Flügen nach Köln geschehen ist.