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14.09.2016

Ursula Hammann – Freihandelsabkommen CETA sorgsam prüfen und bewerten

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das geplante Handelsabkommen mit Kanada, CETA, wird ebenso wie das noch nicht abgeschlossene Handelsabkommen mit den USA in der Öffentlichkeit recht kritisch diskutiert. Wir müssen feststellen, dass es zahlreiche Demonstrationen geben wird. Am 17. September wird es in mehreren Großstädten in Deutschland zu Demonstrationen kommen, auch in Frankfurt wird es zu einer Demonstration kommen. Man muss auch feststellen, die Aufrufer zu diesen Demonstrationen sind sehr verschieden. Ich nenne sie einmal: Umweltinstitut München, Brot für die Welt, kleine und mittlere Unternehmen gegen TTIP, Umweltverbände, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, DGB, und es sind auch andere dabei.
(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) – Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))
Diese breite Protestbewegung findet große Aufmerksamkeit innerhalb der Bevölkerung, auch bei Menschen, die sich mit TTIP und CETA intensiv auseinandergesetzt haben. Wie intensiv, das ist natürlich zu hinterfragen. Man kann nicht wissen, wie viel die Menschen von diesem ausgehandelten Abkommen tatsächlich wissen.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Aber es ist das gute Recht und selbstverständlich die freie Entscheidung jeder Person, sich an den Demonstrationen zu beteiligen. In unserem gemeinsamen Antrag mit der CDU betonen wir nachdrücklich das Recht auf Meinungs- und auf Demonstrationsfreiheit. Wir sehen eine friedliche Demonstration aus der Zivilgesellschaft als einen wichtigen Teil der demokratischen Kultur an. Es ist das gute Recht aller Menschen, Aufrufe mit zu unterzeichnen und an Bündnissen teilzunehmen. Deshalb – das wurde eben schon von den LINKEN schon gesagt – hat auch unsere Partei zur Teilnahme an diesen Demonstrationen aufgerufen.
(Zurufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Ich halte es auch für wichtig, dass sich nicht nur die Politik, sondern auch die Zivilgesellschaft für wichtige Entscheidungen interessiert und sich einbringt. Das mag unbequem sein, aber es ist wichtig, dass sich gerade die Zivilgesellschaft für diese weitreichenden Entscheidungen interessiert und sich überall deutlich dazu äußert,
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))
gerade auch dann, wenn im Fall von TTIP und CETA wichtige Entscheidungen von der Europäischen Union verhandelt werden und die Transparenz – darüber haben wir im Hessischen Landtag einmal gesprochen – über die Inhalte und Ziele doch stark verbesserungswürdig erscheint.
Meine Damen und Herren, man kann doch auch sagen, dieses Einmischen war durchaus erfolgreich. Der Protest hat bereits dazu geführt, dass nicht nur bei der Daseinsvorsorge der Trinkwasserbereich aus dem nun vorliegenden Handelsabkommen CETA herausgenommen wurde, sondern auch die ursprünglich vorgesehenen Regelungen zum Investitionsschutz, das Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren, das ISDS-System, deutlich nachgebessert wurde.
(Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))
Die für CETA gewählte Form einer öffentlichen Investitionsgerichtsbarkeit, Investment Court System, ICS, soll bilateral aus einem Gericht erster Instanz und einem Berufungsgericht bestehen. Die Urteile sollen nun von öffentlich ernannten Richtern gefällt werden, die vergleichbar sind mit der von Mitgliedern anderer ständiger internationaler Gerichte wie des Internationalen Gerichtshofs.
Meine Damen und Herren, dies zeigt einen deutlichen Fortschritt zu den bereits bestehenden Investitionsschutzabkommen, die die EU mit Kanada hat und die nun durch CETA ersetzt werden sollen. Das heißt, es gibt eine deutliche Verbesserung zu dem Iststand.
(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es! –Zuruf des Abg. Stephan Grüger (SPD))
Ebenso erfolgreich war das Bemühen, die Abstimmung über dieses umfassende Handelsabkommen in den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten vorzunehmen. Hier hat es ein Einlenken der EU-Kommission gegeben, die CETA vorher – das ist Ihnen bekannt – als ein Abkommen in gemeinsamer Zuständigkeit ansah und einem gemischten Abkommen ablehnend gegenüberstand. Dies hat sich jetzt verändert. Das heißt, diese öffentliche Diskussion hat zu positiven Veränderungen beigetragen und dadurch ihre Wirksamkeit belegt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Seit Juli liegt die rechtsgültige Übersetzung von CETA auch in deutscher Sprache vor, und die Diskussion intensiviert sich – das können Sie feststellen –, nicht nur bei uns in Deutschland, sondern in allen Mitgliedstaaten der EU wie auch auf kanadischer Seite. Dabei wabern Gerüchte. Ich sage es noch einmal: Ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger weiß nicht wirklich, was in diesem Abkommen festgehalten wird. Es ist auch für den, der sich die Mühe macht, das alles nachzulesen, manchmal sehr schwierig, das einzuordnen und zu sehen, welche Auswirkungen das Ganze hat. Diese kritischen Haltungen findet man auch in anderen EU-Staaten, da ist Deutschland nicht allein. Sie mehren sich insbesondere in den Mitgliedstaaten Luxemburg, Frankreich und Griechenland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Beschlusslage im Hessischen Landtag ist sehr klar. In mehreren Anträgen, Drucks. 19/300 und 19/3333, wurden Bedingungen an die Freihandelsabkommen geknüpft. Aber es wurde auch dargestellt, welche Chancen in Freihandelsabkommen liegen können. Auch das haben wir in den Anträgen betont.
Mit Blick auf die exportorientierte Wirtschaft in Hessen kann ein Handelsabkommen zwischen diesen zwei großen Wirtschaftsräumen durchaus von Vorteil sein. Das beweisen auch die bereits beschlossenen Abkommen. Die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände begrüßt daher das Freihandelsabkommen mit Kanada. CETA würde nach ihrer Ansicht den Zugang zum kanadischen Markt für die heimischen Unternehmen erheblich erleichtern und den bilateralen Wirtschaftsaustausch fördern.
Gerade mittelständische Exportunternehmen würden laut VhU vom Abbau unnötiger Doppelregulierungen und auch vom Zollabbau profitieren.
Aber auch der Verband der Chemischen Industrie hat sich zu Wort gemeldet. Er hat eine Überprüfung vorgenommen. Sie sehen für sich Vorteile darin, z. B. durch einen besseren Zugang zu einem für sie interessanten Absatz- und Rohstoffmarkt. Der Verband der Chemischen Industrie zeigt sich überzeugt, dass CETA Vorteile für Verbraucher, Beschäftigte und Unternehmen in Europa bietet.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verantwortliche Politik bedeutet, Chancen und Risiken gegeneinander abzuwägen und am Ende zu einem sachgerechten Ergebnis zu kommen. Daher ist es wichtig, dass die im Hessischen Landtag gefassten Beschlüsse mit dem Ergebnis der Verhandlungen zu CETA abgeglichen werden. Die realen Auswirkungen der Abkommen auf Hessen – und auf die Bundesrepublik als Ganzes – müssen also gründlich und sachlich überprüft werden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ich will die Ergebnisse deswegen noch einmal nennen. Das ist zum einen die Beibehaltung von Schutzstandards, insbesondere zum Schutz des Lebens, der Gesundheit, des geistigen Eigentums, der Arbeitnehmerrechte, des Umwelt- und Tierschutzes sowie des Daten- und Verbraucherschutzes.
Zum anderen ist es uns allen wichtig, dass das in Europa geltende Prinzip des vorsorgenden Verbraucherschutzes nicht angetastet wird. Die Entscheidung der EU und ihrer Mitgliedstaaten, bestimmte Produkte nicht zuzulassen oder deren Import zu verbieten, darf nicht durch Freihandelsabkommen konterkariert werden. Dies betrifft unter anderem Produkte, die aus gentechnisch veränderten Organismen bestehen, z. B. mit Wachstumshormonen oder mit verbotenen Verfahren behandelte oder geklonte Tiere und deren Fleisch. Diese dürfen auch weiterhin nicht in die EU importiert werden. Soziale und ökologische Standards müssen weiterhin Bestandteil öffentlicher Ausschreibungen bleiben können.
Dazu gehört auch, dass Investitionsschutzvereinbarungen rechtsstaatlichen Prinzipien entsprechen und Handlungsspielräume der Europäischen Union sowie der Parlamente und der Regierungen der Mitgliedstaaten gesichert sind. Es war daher sehr richtig, dass die Landesregierung in der Umweltministerkonferenz im Juni in Berlin zusammen mit anderen Landesregierungen die Bundesregierung aufgefordert hat, sich nicht auf eine Aufweichung der Umweltstandards einzulassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein ganz wichtiges Signal.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Eines wird klar sein: Aufgrund der Entscheidung der EU, das CETA-Abkommen nun als ein gemischtes Abkommen zu betrachten, wird es zu einer Behandlung sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat kommen.
Medienberichten zufolge wird auch über die Notwendigkeit von ergänzenden Erklärungen und Präzisierungen zu dem Abkommen diskutiert. Es bleibt abzuwarten, ob es dazu kommen wird und ob diese Ergänzungen substanzielle Änderungen bzw. verbindliche Klarstellungen hinsichtlich des Abkommens bewirken. Eine sorgfältige Überprüfung des zur Ratifizierung vorliegenden Freihandelsabkommens in seiner endgültigen Fassung ist notwendig, um die Auswirkungen dieses Abkommens anschließend richtig bewerten zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das werden wir tun. Aber man muss auch wissen, dafür braucht man Zeit. Ich denke, am Ende wird eine richtige Entscheidung dazu getroffen werden. Weder Polemik noch Ängste dürfen uns dazu verleiten, eine Entscheidung zu treffen, sondern die Grundlage muss eine sachgerechte Abwägung dessen sein, was zur Entscheidung vorliegt. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Vizepräsident Wolfgang Greilich:
Vielen Dank, Frau Kollegin Hammann.