Inhalt

20.04.2016
Portraitfoto von Marcus Bocklet

Marcus Bocklet: Vergabegesetz stärkt fairen Wettbewerb – Bund muss Finanzkontrolle Schwarzarbeit angemessen ausstatten und Mindestlohn kontrollieren

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht.
(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))
– Gut? – Danke, Herr Boddenberg. Herr Boddenberg, vielleicht geht es Ihnen ähnlich wie mir. Ich habe nämlich den Eindruck, wenn eine Koalition gut arbeitet, dann unterhält man sich über die unterschiedlichen Auffassungen nicht öffentlich, über das Pult, sondern dann würde man als Bundesregierung tatsächlich einmal darüber nachdenken, wie der Finanzminister mit der zuständigen Arbeitsministerin zu einer guten Lösung kommen kann.
(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe von der SPD)
Herr Kollege, das ist die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland. Herr Gremmels, ich weiß nicht, ob das für Sie überraschend ist, aber die Bundesregierung wird von SPD und CDU gestellt. Ich glaube, das Spiel „Wir sind die Guten – das sind die Bösen“ funktioniert nicht. Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für all das, was Dr. Arnold hier vorgetragen hat, nämlich dass die Kontrollen um die Hälfte abgenommen haben. Das genau ist der Skandal, den es zu beschreiben gilt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Michael Boddenberg (CDU))
Herr Dr. Arnold hat zu Recht beschrieben, dass meine Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage gestellt hat. Wenn man den Vergleich von 2014 zu 2015 sieht – ich wiederhole das für alle diejenigen, gerade für Herrn Kollegen Decker: Wenn die Kontrollen um die Hälfte abgenommen haben, dann können wir sicherlich mit Fug und Recht von einem unhaltbaren Zustand sprechen.
(Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))
Da können Sie nicht sagen, wir haben mit dieser Bundesregierung nichts zu tun.
(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Es tut mir leid. Das funktioniert einfach nicht – nur, weil Sie hier im Hessischen Landtag billig punkten wollen. So läuft das nicht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Wenn 600 Stellen unbesetzt sind und die nächsten 1.600 Stellen erst im Jahr 2017 geschaffen werden sollen, wie das aus der Auskunft auf die Anfrage hervorgeht, dann ist auch das kein Ruhmesblatt für diese Bundesregierung.
(Beifall der Abg. Angela Dorn und Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
So. Herr Kollege Decker, wenn das aber kein Ruhmesblatt ist, dann würde ich doch hier mit einem bisschen mehr Augenmaß auftreten.
(Zuruf von der SPD)
Herr Kollege Decker, in einem Ideenwettbewerb kann man sicherlich sagen, wir hätten da einmal eine Idee, weil die Bundesregierung, bei der wir mitregieren, das nicht auf die Reihe bekommt – –
(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Ich gebe Antwort. Du hast doch die Möglichkeit, in zweiter Runde noch einmal zu reden. Weil die Bundeszollbehörden und die Bundesregierung – –
(Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)
Vielleicht hört Ihr jetzt einfach einmal einen Satz lang zu. Dann können wir in einen Dialog treten.
Wie wir eben festgestellt haben, ist es Fakt, dass die Bundeszollverwaltung die Kontrollen halbiert hat. Fakt ist, dass die Stellen unterbesetzt sind. Fakt ist, dass die neuen Stellen erst im nächsten Jahr kommen. – Dafür trägt die Bundesregierung die Verantwortung.
Wenn dem so ist, dann wäre ich in der Tat etwas verhaltener mit dem: „Ich hätte da einmal eine Idee – Hessen könnte da auch noch eine Struktur schaffen.“ – Das ist genau der Punkt, den wir kritisieren. Wenn für die Kontrollen dieser Baustellen die Bundeszollverwaltung zuständig ist und dort die Missstände herrschen, dann kann man natürlich nicht sagen: „Haltet den Dieb – Hessen muss jetzt unglaublich viel aktiver werden.“
Herr Kollege Arnold, deswegen gebe ich Ihnen recht: Das wären in der Tat Doppelstrukturen, die nicht sinnvoll sind. Deswegen bearbeitet das genau das Thema.
Ich würde mir wünschen, wir hätten eine gemeinsame Initiative, die auf die Bundesebene zielt und sagt: „Lieber Finanzminister, liebe Arbeitsministerin, liebe Bundesregierung, schafft doch endlich solche Strukturen, damit wirklich noch häufiger kontrolliert werden kann.“ Denn darin sind wir uns doch einig: Viele Baustellen arbeiten illegal oder mit unhaltbaren Zuständen. Die müssen besser kontrolliert werden. Darin sind wir uns einig.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
An diesem strittigen Punkt müssen wir tatsächlich den wahren Verantwortlichen benennen. Das haben Sie sehr gut herausgearbeitet. Ich bin auch gar nicht eifersüchtig darauf, dass Sie unsere grüne Bundestagsfraktion zitiert haben, denn wenn die GRÜNEN im Bundestag etwas Gutes machen, dann soll man das auch so benennen. Das ist in diesem Fall gelungen. Es wurde sehr klar herausgearbeitet, wo die Verantwortlichkeiten eigentlich liegen.
Herr Kollege Decker, bei diesem Tagesordnungspunkt haben Sie drei verschiedene Themen angesprochen – nämlich noch die Themen Leiharbeit und Mindestlohn. Darüber haben wir schon mehrfach gesprochen. Wir fanden, das Mindestlohngesetz auf Bundesebene war überfällig. Spätestens bei der Hartz-Gesetzgebung wurde klar, dass ohne einen Mindestlohn dem Tür und Tor geöffnet war, dass Arbeitnehmer unter alle Lohnniveaus gerieten und der Staat sie dann mit öffentlichen Mitteln bezuschusst. Das war uns schon vor zehn Jahren klar. Wir sind sehr glücklich darüber, dass das Mindestlohngesetz eingeführt wurde. Ich glaube, das ist ein richtiger Schritt. Ich teile auch die Auffassung, dass dieser Mindestlohn schrittweise angepasst werden muss: Genauso, wie sich die Lohn- und Preisentwicklung in der Bundesrepublik gestaltet, gilt es dann natürlich auch, das untere Niveau anzuheben.
Drittens. Auch richtig ist das Thema Leiharbeit. Dr. Arnold, ich glaube, ohne dabei jemanden zu beschämen kann man sagen, dass sich hier in den letzten Jahren im Bewusstsein vieles verändert hat. Wir haben gesagt, Leiharbeit muss dazu da sein, Spitzen abzudecken und Notlagen abzufedern. Man muss sie flexibel nutzen können, wenn eine unternehmerische Herausforderung ansteht.
Viele Studien sprechen aber dafür, dass viele Stammbelegschaften zu 20 bis 50 % durch Leiharbeiter ersetzt werden. Das ist total destruktiv, und dagegen müssen wir vorgehen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Vor zehn Jahren, selbst vor fünf Jahren haben wir über Mindestlöhne und Leiharbeit noch anders diskutiert. Ich bin gespannt auf die Positionierung der FDP-Fraktion. Ich bin gespannt darauf, wo Sie heute stehen. Es hat sich gezeigt – das war gut belegbar –, dass wir sowohl die Gesetzgebung betreffend Leiharbeit verbessern als auch die Kontrollen verstärken müssen. Das zeigt sich immer wieder daran, was auf Baustellen an Fällen aufploppt. Da herrschen zum Teil ganz untragbare Zustände. Auf dem Rücken von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, insbesondere aus dem osteuropäischen Raum, wird versucht, billigst zu produzieren, zu bauen. Dem müssen wir natürlich einen Riegel vorschieben. Das haben wir klargemacht, und dazu stehen wir auch.
Es gibt in den §§ 4, 6 und 9 Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz hinreichende Regelungen dazu, wie kontrolliert wird, und dazu, dass die öffentlichen Auftraggeber auch dazu da sind, die Einhaltung der Bestimmungen zu kontrollieren. Unternehmen, die dagegen verstoßen, riskieren, aus der öffentlichen Auftragsvergabe zu fliegen. Ich denke, wir haben richtig gehandelt, als wir dieses Gesetz im letzten Jahr in Hessen in Kraft treten ließen.
Wir haben mit der Förderung der DGB-Beratungsstelle „Faire Mobilität“ eine weitere Möglichkeit geschaffen, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst melden und auf Missstände in ihrem Betrieb hinweisen können. Wir haben diese Beratungsstelle vor einem Jahr besucht. Dort hört man von menschlichen Tragödien, die sich in manchen Betrieben abspielen. Man hört von Löhnen, die nicht gezahlt werden, von Massenunterkünften, die hochpreisig vermietet werden. Die DGB-Beratungsstelle „Faire Mobilität“ berät außerordentlich erfolgreich und außerordentlich gut. Jeder Cent, den wir dort investiert haben, hilft den Menschen vor Ort, und unsere Initiative zeigt auch, dass wir entrechteten Menschen zu ihrem Recht verhelfen wollen.
Zusammenfassend möchte ich Folgendes sagen. Die Einführung eines Mindestlohns war richtig. Die Bestimmungen zur Leiharbeit müssen verbessert werden. Bei den Kontrollen muss der Bund endlich in die Gänge kommen. Herr Kollege Decker, ich wünsche mir, dass Sie mit Ihrer Bundespartei, die an der Bundesregierung beteiligt ist, energischer reden als bisher, denn es müssen tatsächlich mehr Kontrollen stattfinden, es müssen zügig Stellen zu diesem Zweck geschaffen werden. Hier hat die Bundesregierung große Versäumnisse zu verantworten. Solange diese Versäumnisse nicht behoben sind, macht es überhaupt keinen Sinn, mit dem Finger auf die Landesregierung zu zeigen. Das ist ein billiges und durchschaubares Manöver.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

Kontakt

Zum Thema