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21.04.2016
Portraitfoto von Marcus Bocklet

Marcus Bocklet: Aktuelle Stunde – Verkaufsoffene Sonntage endlich zeitgemäß regeln

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir jetzt erleben, ist die Wiedervorlage des FDP-Vorschlags angesichts eines aktuellen Ereignisses, nämlich des Gerichtsurteils des VGH zu einer möglichen sonntäglichen Öffnung in Frankfurt. Was wir erleben, ist die klassische Situation eines Zielkonflikts. Auf der einen Seite haben wir Teile der Bevölkerung, die es durchaus als angenehm empfinden, wenn sie an einem arbeitsfreien Tag in Ruhe shoppen gehen können. Auf derselben Seite haben wir einen Handel, der sich dadurch eine Umsatzsteigerung verspricht und sich wünscht, mehr Umsätze zu erlösen.
Auf der anderen Seite steht der Großteil der Bevölkerung – dieser ist schwerlich zu quantifizieren, aber es ist sicherlich eine große, eine relevante Gruppe –, der sagt: „Bitte lasst auch zukünftig die Sonntage unangetastet“. Und es gibt Verbände und Organisationen wie die Kirchen, Gewerkschaften und viele andere, die sagen: Wir sehen das genauso. Der Sonntag ist und bleibt ein gesetzlich geschützter Tag. Er muss nach wie vor der Ruhe versprochen bleiben.
Ich will noch einmal vorwegnehmen – das habe ich schon einmal gesagt –, dass hierüber in diesem Hause nach wie vor Einigkeit bestehen sollte: Die Sonntage und die gesetzlichen Feiertage müssen für den öffentlichen, für den „normalen“ Kommerz unangetastet bleiben. Wir wollen, dass dieser Tag ein Tag der Ruhe bleibt, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der erste Gesetzentwurf, den die FDP damals vorgeschlagen hat, war nachweislich nicht konform mit der Hessischen Verfassung, nämlich einfach den Anlassbezug abzuschaffen und in die Verantwortung der Stadtteile zu stellen. Das haben wir damals schon diskutiert. Dann hätten große Städte wie Frankfurt, Kassel und Darmstadt wöchentlich sonntags in einem Stadtteil die Läden geöffnet. Das wäre nicht in diesem Sinne.
Herr Lenders, Sie schlagen weiter vor, das Modell des Landes Rheinland-Pfalz zu übernehmen. Die Gemeinden, die das planen, müssten eine Anhörung vor Ort vornehmen. Das ist ein extrem aufwändiges Verfahren. Ich frage Sie ganz offen, ohne es rhetorisch zu meinen: Glauben Sie allen Ernstes, dass die Anzuhörenden, wie Gewerkschaften und Kirchen, in einer Stadt wie Frankfurt anders reagieren würden als auf Landesebene? Die Gewerkschaften würden auch, wenn die Stadt Frankfurt so etwas durchführen wollte, als Anzuhörende Nein sagen. In der Tat würde sich an der Situation nur sehr wenig verändern. Insofern bleibt es dabei, dass die Situation, die wir in Hessen haben, gesetzlich richtig und verfassungskonform ist.
Ich will auch noch einmal darauf eingehen, weil die FDP die wirtschaftlichen Interessen vertreten will, und Ihnen ganz offen und ehrlich über das Gespräch mit der IHK Frankfurt und dem Einzelhandelsverband berichten. Ich habe gefragt: Haben Sie Untersuchungen darüber, dass verkaufsoffene Sonntage tatsächlich dazu beitragen, dass insgesamt der jährliche Umsatz steigt? – Sie mussten mir antworten, dass Sie mir dazu ad hoc nichts sagen können.
Zweitens habe ich gefragt: Glauben Sie wirklich, dass der Onlinehandel dadurch bekämpfbar ist, dass an vier Sonntagen im Jahr die Geschäfte in den Innenstädten geöffnet haben? – Auch auf diese Frage gab es keine profunde Antwort.
Die dritte Frage lautete: Glauben Sie, wenn in Frankfurt die Geschäfte auf der Zeil geöffnet sind, dass das dem Einzelhandel in den Stadtteilen Bockenheim, Bornheim usw. tatsächlich zum Vorteil gereicht? Wird das tatsächlich einer Stadt wirtschaftspolitisch gerecht, wenn die Menschen, die normalerweise den Umsatz in den Stadteilzentren machen, an diesen Sonntagen in die Innenstadt gehen?
All diese drei Fragen, die ausschließlich wirtschaftspolitisch von Interesse sind, konnten nicht mit Fug und Recht beantwortet werden. Selbst wenn ich das wirtschaftspolitische Interesse des Handels ernst nehme, habe ich auf diese Fragen, die uns interessieren, kaum überzeugende Antworten bekommen. Ganz nebenbei und vorneweg: Wirtschaftliche Interessen und Kommerzinteressen sind definitiv von der Sonntagsöffnung ausgeschlossen. Nur, um das noch einmal klipp und klar zu sagen. Selbst wenn Sie sich das von ganzem Herzen wünschen, wirtschaftliche Interessen und Konsum sind für die Frage der Sonntagsöffnungszeit nie von der Verfassung gedeckt.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ich wollte es nur explizit in der Argumentation aufgreifen. Selbst, wenn man es sich wünscht und in die wirtschaftspolitische Diskussion eintaucht, ist es kaum hilfreich, weil es eigentlich nur vorgaukelt, dass es eine Lösung schafft. Die Innenstädte, die bedroht sind, werden dadurch kaum attraktiver werden.
Ich habe das auch beim südhessischen Handel gefragt. Wenn der Bensheimer das macht, wissen Sie woher die Leute dann kommen?
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Aus der Nachbargemeinde. Glauben Sie denn, dass die Nachbargemeinde sich darüber freut, dass der Fluss in diese Gemeinden geht? – Es ist also ein ganzes Stück differenzierter, gaukelt etwas vor und setzt eine unheilige Allianz in Gang, nämlich die von Wirtschaftsinteressen, also einem Teil des Einzelhandels und Menschen, die sagen, es wäre chic, sonntags in aller Ruhe shoppen zu gehen.
Diesen Menschen müssen wir erklären, dass dem etwas entgegensteht. Dem stehen die Interessen der Verkäuferinnen und Verkäufer entgegen. Wir brauchen sonntags einen Tag Ruhe. Das tut uns allen gut. Nicht alles, was möglich ist, ist auch tatsächlich zu tun. Man sollte sich einmal einen Tag der Ruhe und der Entspannung gönnen und die Gesellschaft auch ein Stück weit entschleunigen. Das ist etwas Wertkonservatives, dazu bekennen wir uns.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU und der LINKEN)
Wir sind gut beraten, das Gesetz so zu belassen, wie es ist.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Herr Kollege Bocklet, kommen Sie bitte zum Schluss.

Marcus Bocklet:

Es ist natürlich bedauerlich, dass viele 1.000 Euro umsonst ausgegeben wurden. Ich teile die Auffassung, dass man das mit einer klugen Voraussicht auch hätte sehen können, dass man in eine Niederlage läuft. Ich wiederhole das, was auch Herr Dr. Bartelt schon sagte, CDU und GRÜNE sind sehr gespannt auf die Evaluierung dieses Gesetzes im Jahr 2018. Dann werden wir diese wirtschaftspolitischen Argumente noch einmal genau auseinandernehmen. Ich bin mir sicher, dass wir in der Abwägung all dieser Zielkonflikte zu dem Tenor kommen, dass der Sonntag restriktiv geschützt bleiben muss. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.

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