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24.09.2008

Frank Kaufmann und Tarek Al-Wazir zu: Rechtsstaat duldet keinen Rechtsbruch - Weg des regionalen Dialogs war und ist erfolgreich

Frank Kaufmann:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben wirklich in merkwürdigen, ja geradezu verwunderlichen Zeiten. In der erst fünften Plenarwoche dieser Legislaturperiode haben wir bereits zum dritten Mal eine Debatte zum Thema Flughafenausbau im Landtag, und jedes Mal von der Seite des Hauses auf die Tagesordnung gebracht, die vor gar nicht allzu langer Zeit uns GRÜNEN ziemlich vorwurfsvoll erklärte, zum Thema Flughafen Frankfurt gäbe es im Parlament nun wirklich gar nichts mehr zu debattieren, da nur noch die Genehmigungsbehörde und die Gerichte etwas zu sagen hätten. Herr Kollege Boddenberg, so kann man sich täuschen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und DIE LINKE)

Es war die FDP-Fraktion im Juni, dann im August die Regierung selbst, und jetzt sind es CDU und FDP zusammen, die heute angeblich über den Flughafenausbau und den Kelsterbacher Wald reden wollten. Worüber Herr Boddenberg geredet hat, haben wir alle gehört.

Meine Damen und Herren, die Verwunderung wird noch ein bisschen größer, wenn man sich den Titel des heutigen Antrags vor Augen führt. Es wird geradezu bedrohlich formuliert: „Rechtsstaat duldet keinen Rechtsbruch – Weg des regionalen Dialogs war und ist erfolgreich“. Schon daran merken Sie doch, dass die Qualität der Formulierung stark nachlässt.

Ich will noch anmerken, dass die Anträge aus dem Juni, die sich bezüglich der Fortsetzung des regionalen Dialogforums bis heute in der Diskussion im Verkehrsausschuss befinden, sodass zu diesem Thema heute, wenn es wirklich um die Sache ginge, nun keine neuerliche Plenardebatte notwendig wäre, ja auch nicht sinnvoll wäre, weil wir die Anträge im Ausschuss immer noch zur abschließenden Klärung liegen haben. Damit wird deutlich, es geht nicht um die Sache, wie der heutige Antragstitel unterstreicht.

Schauen wir uns den ersten Halbsatz an: „Der Staat duldet keinen Rechtsbruch“. Ich sage Ihnen, dieses Postulat entspringt einer bestimmten politischen Mentalität, die man gewiss nicht als aufgeklärt oder liberal oder freiheitlich bezeichnen kann. Deshalb bezeichnet der Begriff des Rechtsstaates, wie er von den Antragstellern benutzt wird, eher eine politische Himmelsrichtung, sozusagen: Rechtsstaat im Gegensatz zum Linksstaat,

(Zurufe von der FDP)

als dass er, was eigentlich nötig wäre, als synonym für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung genutzt würde.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Das ist der blödeste Witz, den es gibt!)

Herr Boddenberg, im klaren Gegensatz zu Ihrer Aussage betone ich mit Nachdruck: Freiheit muss sehr wohl duldsam sein. Für die Verfolgung einzelner Interessen darf sie nicht grenzenlos sein, aber noch weniger chancenlos. Ein Rechtsstaat in unserem Verständnis zeichnet sich genau dadurch aus, dass er den Menschen zuerst Freiheit zur Entfaltung ihrer Talente und Wünsche gibt und nicht als Erstes Gehorsam, Unterwürfigkeit und Unduldsamkeit propagiert. Erst danach, nach der Freiheit, kommen die Regeln,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nach der Freiheit kommt die Regel?)

deren Verletzungen zu klar definierten Verfahren und im Vorhinein definierten Konsequenzen führen müssen – das ist völlig unstreitig, aber erst danach und nicht davor, wie es hier insinuiert wird.

Meine Damen und Herren, damit wird schon aus der ersten Titelhälfte des Antrages überdeutlich, was Sie mit ihm nicht bezwecken, nämlich eine sachgerechte Debatte über die Probleme, die sich mit dem geplanten Flughafenausbau für die Menschen in der Region tatsächlich stellen.

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Kaufmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Hahn?

Frank-Peter Kaufmann:

Herr Präsident, ich möchte gerne meine Gedanken fortsetzen.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Feigling!)

Es ist in Ihrem Antrag überhaupt keine Rede davon, wie z. B. die totale Verlärmung von bestehenden Wohngebieten in Flörsheim oder der Verlust der Naherholungsflächen in Kelsterbach verhindert werden kann. Es ist keine Rede über die Verfahrenstricks.

(Michael Boddenberg (CDU): Zweieinhalbtausend im Planfeststellungsverfahren!)

Wir erinnern uns. Schon im ersten Verfahren, wo es um die Raumordnung ging, war die Rede davon, dass eine Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung hergestellt werden kann. Bereits das ist ein Verfahrenstrick, weil ein Raumordnungsverfahren festzustellen hat, ob es übereinstimmt – ja oder nein. In dem Fall war die Antwort eigentlich nein.

(Michael Boddenberg (CDU): Völlig falsche Interpretation!)

Weiter ging es mit den gebrochenen Versprechen – es ist schon davon die Rede gewesen. Ein Nachtflugverbot, was versprochen war, und jetzt pro Nacht durchschnittlich 17 erlaubte geplante und ungezählte und ebenso erlaubt ungeplante Flugbewegungen haben wird, also bestimmt mehr als 7.000 Flugbewegungen im Jahr, und das zu einer Zeit, in der Ruhe versprochen war.

Es ist erst recht in dem Antrag keine Rede mehr von den immer wieder auftauchenden Ungereimtheiten in den Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens. Die Zeitpläne stimmen nicht. Auf einmal erfahren wir – nur durch Nachfragen und natürlich nebenbei –, dass jetzt Provisorien bezüglich des Terminals 3 vorgesehen sein werden. Wir erfahren weiterhin, dass aktuell versucht wird, kommunale Klagen nach völlig unklaren Kriterien auszusondern, damit man es nicht mit schwierigen Vorträgen vor Gericht zu tun hat.

Meine Damen und Herren, das alles stärkt mit Sicherheit nicht das Vertrauen in das Verfahren, was Sie hier eingefordert haben, Herr Kollege Boddenberg.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Hannelore Eckhardt (SPD))

Jetzt versuchen Sie, die Bemühungen mit den vielen guten Argumenten, die den Protest unterstützen und die sich gegen die Vernichtung des Kelsterbacher Waldes und die immer weiter steigenden Belastungen der Region durch Fluglärm und Schadstoffen darstellen, einzuschüchtern.

Beschwörungsgleich wie ein Glaubensbekenntnis der Ausbaubefürworter wird wiederholt, dass am Flughafenausbau kein Weg vorbei geht. Das ist doch wie diese neue hessische Werbeparole – in diesem Fall ganz schlecht angewendet. Ergänzt wird das durch solche Bemerkungen wie der in Abs. 5 des Antrags, „dass das Hüttendorf im Kelsterbacher Wald bereits jetzt die Grenzen des Rechtsstaats tangiert“.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Meine Damen und Herren – ich spreche jetzt vor allem die Antragsteller an –, merken Sie denn nicht, wie Sie genau das, was Sie vorgeblich ablehnen, faktisch befördern? Viele Menschen, die diese Hütten im Wald für keine sinnvolle Aktion halten – ich persönlich gehöre dazu –, werden sich über den Antragsteller und dessen Aussagen dennoch zu Recht empören.

Herr Boddenberg, Sie stellten sich hierhin und sagten, das Ziel muss es sein, Feindbilder abzubauen.

(Michael Boddenberg (CDU): Joschka Fischer war das!)

Das Gegenteil davon haben Sie mit Ihrer Rede und mit Ihrem Antrag getan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Denn das, was mit dieser Formulierung im Antrag versucht wird, ist doch eine Kriminalisierung der Ausbaugegner – indem im völligen Widerspruch zu den historischen Fakten und die haben Sie sogar selbst angesprochen und damit in eindeutig unzulässiger Weise eine Parallele zwischen Formen zivilen Ungehorsams und der Ermordung zweier Polizeibeamter an der Startbahn West gezogen wird.

(Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU))

Herr Boddenberg, dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wehret den Anfängen! Das sind die geistigen Brandstifter!)

Sie wissen ganz genau wie alle anderen auch, dass es in den Reihen der Ausbaugegner niemanden gibt, der die Ermordung von Polizeibeamten in dieser Weise verharmlost sehen möchte.

(Michael Boddenberg (CDU): Wer hat denn das gesagt?)

Ich finde es von Ihnen äußerst niederträchtig, dies hier zu unterstellen. Letztendlich zeigt das nichts weiter, als dass Sie in der Sache überhaupt keine Argumentationskraft haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wenn CDU und FDP nichts anderes mehr einfällt, als die Ausbaugegner derart zu beleidigen und als Kriminelle zu denunzieren, dann sollten Sie lieber schweigen.

Sie können sich vorstellen, dass wir Ihren Antragstext insgesamt für eine Zumutung halten und ihn selbstverständlich ablehnen.

(Michael Boddenberg (CDU): Offenbar haben Sie Ihre Rede aufgeschrieben, bevor Sie meine gehört haben!)

Ich bin froh, dass sich auch die SPD negativ zu Ihrem Antrag stellt – obwohl Sie doch versucht haben, durch Name-Dropping mit den Namen des Ministerpräsidenten und des Bürgermeisters von Kelsterbach ein bisschen Stimmung in Richtung SPD zu machen. Herr Boddenberg, das ist erkannt worden. Ich bin fest überzeugt, Sie werden mit Ihrem Antrag scheitern.

Der nachgeschobene Antrag von heute Morgen macht die Sache eher noch ein bisschen schlimmer. Insoweit wird der Landtag Ihnen hier – das hoffe und erwarte ich – mehrheitlich nicht folgen.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Meine Damen und Herren, die Anmerkung, dass wir mit vielen Passagen dieses SPD-Antrags unsere Schwierigkeiten haben, überrascht hier niemanden. Denn wir haben nach wie vor klar und deutlich die Position: Wir halten den Flughafenausbau aus vielen gut erwogenen Gründen für falsch.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, ich will jetzt noch zwei Punkte des Antrags ansprechen.

Zum einen greife ich Abs. 4 auf. Damit meine ich nicht die eher als Plattitüde zu verstehende Aussage, „dass der gerichtliche Weg über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens zu akzeptieren ist“.

Meine Damen und Herren, da der Rechtsweg auch von etlichen Ausbaugegnern beschritten wird, steht doch diese Frage überhaupt nicht zur Debatte – ob ein Rechtsweg akzeptiert wird. Zur Debatte steht doch vielmehr, dass es aus unserer Sicht jenseits dessen eindeutig geboten ist, den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenausbau seitens der Landesregierung zu verändern. Unsere Überzeugung ist: Er kann nicht so bleiben, wie er ist – zumal er den fortwährenden Makel des Wortbruchs in sich trägt.

Alle politischen Kräfte, denen es ehrlich auf eine Deeskalation des Konflikts ankommt, können es nicht bei diesem Planfeststellungsbeschluss belassen. Deshalb müssen sich diejenigen, die sich strikt einer Änderung verweigern – wie insbesondere die heutigen Antragsteller –, den Vorwurf gefallen lassen, ihrerseits an der Eskalation der Auseinandersetzung mitzuwirken.

Meine Damen und Herren – ich spreche jetzt die Antragsteller CDU und FDP an –, dieses Problem beseitigen Sie nicht, indem Sie irgendwelche Kraftmeiersprüche, die nichts anderes sind als Selbstverständlichkeiten, hier aufschreiben, nämlich: „alles rechtsstaatlich Gebotene“ soll unternommen werden, „um eine Verfestigung von rechtswidrigen Zuständen zu vermeiden.“ Was heißt denn das im Konkreten?

Wie wäre es denn, wenn Sie vielmehr einen Text schrieben, der besagt, es sei alles rechtlich Mögliche zu unternehmen, um eine Fortdauer des Wortbruchs des Ministerpräsidenten zu vermeiden und das versprochene Nachtflugverbot auch tatsächlich durchzusetzen? Das wäre der Durchbruch.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, zu guter Letzt will ich mich noch mit dem einzigen einigermaßen sachbezogenen Punkt dieses Antrags befassen. Das ist Abs. 2. Dort geht es um den Lärmindex.

Der Lärmindex, wie ihn Prof. Wörner entwickelt hat, wird hier gelobt. Wenn er so großartig ist – und damit wende ich mich wieder an die Antragsteller des Ausgangsantrags –, warum hat er dann eigentlich nicht Eingang in den Planfeststellungsbeschluss gefunden? Warum weigern Sie sich weiterhin, ihn jetzt noch ergänzend hineinzunehmen – wenn er doch so toll ist?

Liegt das vielleicht daran, dass er doch nicht so toll ist? Die wissenschaftliche Bewertung des Lärmindex liegt nun vor, und man kann sie bestimmt nicht als besonders euphorisch bezeichnen.

Er wird zwar als grundsätzlich geeignet angesehen – was angesichts der Tatsache, dass auch das DLR mit begutachtet hat, nicht so überrascht –, aber immerhin werden 20 Modifikationen für erforderlich gehalten. So steht es im einschlägigen Gutachten.

Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass der Maßstab für die anzuwendende Lärmobergrenze und die Höhe der Reduktionsvorgabe – ich zitiere – „gesellschaftspolitisch diskutiert und entschieden“ werden muss.

Meine Damen und Herren, das heißt doch eindeutig, die Lärmindexarithmetik kann letztlich nichts anderes ermitteln, als vorgegebene Setzungen von interessierter Seite festzuschreiben. Damit wird das gesamte Verfahren eher als eine Verschleierungsmethode denn als eine tatsächliche Hilfestellung zur Reduzierung des Lärms wirken.

Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, war ich selbst einmal Physiker.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sind Sie heute noch!)

– Ich praktiziere diese Tätigkeit nicht mehr.

(Zurufe)

In der Physik wird seit Jahrhunderten immer das Perpetuum mobile diskutiert und mit neuen Formen und Ideen angereichert – obwohl längst bewiesen ist, dass es ein solches Gerät nicht geben kann, nämlich ein Gerät, das bei Bewegung keine Energie verbraucht.

Herr Boddenberg, genauso verhält es sich mit dem Fluglärm. Immer mehr Flugzeuge produzieren immer mehr Fluglärm,

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein! – Michael Boddenberg (CDU): Falsch!)

egal, mit welchen Umrechnungsfaktoren und Bewertungsformeln Sie dies behandeln. Immer mehr Flugzeuge produzieren immer mehr Fluglärm.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Boddenberg (CDU): Sie wissen, dass das falsch ist!)

Deswegen ist es ausgeschlossen, dass der Lärmindex eine Chance ist – wie Sie schreiben –, „zukunftsorientiert Lärmminderung für Anwohner in der Flughafenregion zu erreichen.“

(Michael Boddenberg (CDU): Sie wissen dass das falsch ist! – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Sie sind doch nicht mehr Physiker!)

Das werden Sie nur erreichen, wenn Sie die Zahl der Flugbewegungen reduzieren.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Nein! – Widerspruch des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Darüber muss man nicht streiten. Aber Sie wollen das Gegenteil machen.

Meine Damen und Herren, auch ein Beschluss darüber würde die Wahrheit nicht ändern. Denn Sie wissen ja: Mehrheit ist noch lange nicht Wahrheit.

(Jörg-Uwe Hahn (FDP): Aber Sie sind nicht die Wahrheit, Herr Kaufmann!)

Wirksam ist ein Lärmindex nach dem Willen seiner Erfinder allenfalls als ein Instrument zur Abwehr von Beschwerden gegen die wachsenden Fluglärmbelastungen und zur Beruhigung der Beschwerdeführer.

Nein, in aller Ernsthaftigkeit sage ich zum Schluss nochmals sehr deutlich: Anträge wie der vorliegende helfen den Menschen, die rund um den Flughafen leben, nicht einen einzigen Millimeter weiter. Sie sind vollständig überflüssig, und wenn sie so formuliert sind wie Drucks. 17/658, dann sind sie obendrein nichts als ärgerlich.

Ich erinnere daran, dass seit Februar 2000, seit dem Ende der Mediation, bis heute, dem 24. September 2008, das sind rund achteinhalb Jahre, von den damaligen Versprechen zur Reduzierung der Lärmbelastung der Bevölkerung nichts, aber rein gar nichts tatsächlich umgesetzt wurde.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Statt weniger Krach ist es mehr Krach geworden. Vielleicht fragen sich die Landesregierung und die Antragsteller von CDU und FDP endlich einmal ernsthaft, wer nach alledem Ihnen eigentlich in Sachen Flughafen noch irgendetwas glauben soll. Ich meine, darüber sollten Sie nachdenken – Herr Boddenberg und die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP –, dann kämen Sie vielleicht endlich einen Schritt weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Danke, Herr Kaufmann.

Tarek Al-Wazir:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gab ein Wort – es war, wenn ich es richtig gehört habe, das einzige Wort, das von allen Rednerinnen und Rednern gebraucht wurde –, das die Debatte bestimmt hat: Das war das Wort „Deeskalation“. Das hat gerade im Hessischen Landtag einen Grund, wie man weiß, wenn man die Vorgeschichte der Auseinandersetzung über den Bau der Startbahn West mit allem, was folgte, kennt.

Herr Innenminister, wir sind gern bereit, uns mit allen in diesem Haus über die Frage auseinanderzusetzen, was eskalierend und was deeskalierend wirkt. Aber, Herr Innenminister, Sie sollten sich einmal selbstkritisch fragen, ob Ihre Rede ein Beitrag zur Deeskalation war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bouffier, ich glaube, an dem Punkt, als Sie gesagt haben: „Herr Kahl, jetzt sagen Sie doch einmal, dass mit den LINKEN nichts geht, solange die ihr Büro nicht räumen“, haben Sie bewiesen, dass es Ihnen nicht um eine Deeskalation geht, sondern um eine ziemlich kleine, billige, parteipolitische Münze.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Hier geht es um mehr als Taktik, Herr Al-Wazir!)

Gerade angesichts der hessischen Geschichte finde ich das unangemessen. Ich sage Ihnen: Ich war als Kind des Öfteren im Hüttendorf im Flörsheimer Wald, unter anderem deshalb, weil mein Stiefvater dort Sanitäter aufseiten der Demonstranten war. Bei uns auf dem Küchentisch stand eine Kiste, in der Polaroidfotos von verletzten Demonstranten abgelegt wurden.

Ich weiß, wie es war, wenn damals der andere – aus Sicht der Demonstranten war der andere immer der Polizist – nur noch als Gegner wahrgenommen wurde. Ich weiß, wie das damals war. Als ich 1995 ins Parlament kam und innenpolitischer Sprecher wurde, hatte ich natürlich auch Termine bei der Polizei, unter anderem mit so genannten Aufsteigern – also Polizisten in Ausbildung, die aber schon länger im Dienst waren.

Damals habe ich erstmals gemerkt, dass es auch in der heutigen Generation der Polizistinnen und Polizisten ein Startbahntrauma gibt. Die haben gesagt: Nie wieder dürfen uns die Politiker, nur weil sie nicht in der Lage sind, die Probleme zu lösen, immer wieder in diese Konflikte hineinschicken. – Da ist mir noch eimall klar geworden, welch eine Tragik – auch aus heutiger Sicht – dieser Konflikt um die Startbahn West eigentlich war.

Herr Kollege Beuth, wenn Sie Kurt Oeser schon erwähnen, müssten Sie auch sagen, dass es Kurt Oeser war, der die Hüttenkirche im Dorf im Flörsheimer Wald geweiht hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Demnach wäre auch Kurt Oeser einer dieser Rechtsbrecher, so, wie Sie es heute gesagt haben.

Deswegen sage ich Ihnen: Wir müssen unseren Beitrag dazu leisten, dass dieser Konflikt nicht eskaliert. Ich sage Ihnen ausdrücklich: Ich finde, es gibt in der Auseinandersetzung Unterschiede. Einer der Unterschiede zwischen heute und 1981 ist, dass damals keine Ausbaugegner im Hessischen Landtag saßen und dass diejenigen, die gegen den Ausbau waren, das Gefühl hatten, sie seien ohnmächtig. Das ist übrigens ein großer Unterschied zu heute. Es gibt in diesem Parlament auch Leute, die sagen: Ich halte diesen Ausbau für falsch. – Deshalb muss man sich überlegen, ob die Protestformen von damals heute noch tragen oder nicht.

Aber, Herr Innenminister, ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Wenn man versuchte, den Weg der Deeskalation, den wir alle miteinander gehen müssen, zu verlassen, nur weil man eine Fraktion, die Sachen macht, die man selbst nicht für richtig hält und die die eigene Fraktion auch nicht machen würde, in ein schlechtes Licht rücken möchte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Herr Innenminister: wenn die Aussage mit dem Rechtsbruch ernst gemeint ist, der da täglich stattfinden soll, dann frage ich Sie, ob es richtig ist, dass die Polizei bisher – ich finde: zu Recht – deeskalierend wirkt. Ist es dann richtig, dass z. B. die Polizei letzte Woche, als dort ein Blindgänger aus dem Weltkrieg entschärft wurde, ausdrücklich gesagt hat, sie greife nicht ein, auch wenn die Bewohner heraus- und nachher wieder hineingingen? Herr Innenminister, ich sage ausdrücklich: Ich finde es richtig, dass sich alle darum bemühen, dass dieser Konflikt nicht eskaliert. Herr Innenminister, ich finde, Ihr Beitrag war keiner zur Deeskalation. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, den Weg der Deeskalation nicht zu verlassen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Erster Vizepräsident Lothar Quanz:

Herr Al-Wazir, danke schön.