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26.06.2013

Daniel Mack: Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung und des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Gestern wäre George Orwell 110 Jahre alt geworden.

(Dr. Rolf Müller (Gelnhausen) (Zuruf von der CDU))

– Ja, Herr Müller. Seit einer Woche wissen wir, dass Geheimdienste befreundeter Staaten jegliche Abkommen und die Verfassung unseres Landes ignorieren und uns alle hemmungslos ausspionieren. Bundeskanzlerin Merkel erklärt, das Internet sei Neuland, für sie vielleicht.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Pentz, das Internet ist kein Neuland. Es ist aber ein neuer Raum. Wir haben ein großes Interesse, dass dieser neue Raum möglichst frei bleibt. Natürlich haben aber Behörden und die Polizei ein Interesse daran, diesen Raum zu kontrollieren und zu schützen. Das ist auch nicht verkehrt.

Wir sehen, dass das in den althergebrachten Räumen ganz gut funktioniert. Man darf in wenigen Ausnahmefällen in die Wohnung und nur auf richterlichen Beschluss Schubladen durchwühlen. Man darf in ganz besonderen Fällen Telefonleitungen abhören.

Mein iPhone ist die Verlängerung meines Gehirns. Dort sind meine Freunde drin, ihre Geburtstage

(Lachen des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

– ja, Herr Müller –, meine Nachrichten an sie, und im Internet bestelle ich über meinen E-Mail-Account Pizza, schreibe Briefe oder führe Tagebuch über Ihre schlechten Anträge. Das alles ist zwar privat, aber das ist mehr als meine Wohnung. Das ist mein Denken und das, was ich tue.

Wir haben es heute mit einem Gesetzentwurf von CDU und FDP in der zweiten Lesung zu tun, durch den der Grundrechtsschutz nicht erhöht, sondern abgesenkt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie erweitern die Befugnisse der Sicherheitsbehörden, anstatt sie zu begrenzen. Es droht der gläserne Internetnutzer. Behörden können also, wenn sie es für notwendig erachten, von Internetprovidern, von Internetdiensten,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

sozialen Netzwerken, Onlinespeichern, usw. die Zugangsdaten der Nutzer erfragen und diese Dienste dann ausspionieren. Sie können die automatisierten IP-Adressen eines Nutzers abfragen und so ohne großen Aufwand Nutzungs- und Bewegungsprofile erstellen. Ich verstehe, dass das in der Strafverfolgung notwendig sein kann. Aber das HSOG ist kein Strafverfolgungsgesetz.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jedenfalls müsste so ein grundsätzlicher Eingriff gerichtlich angeordnet werden. Ursprünglich war der Richtervorbehalt für IP-Adressen in diesem Gesetzentwurf explizit aufgehoben. Nun haben aber SPD sowie CDU und FDP, oder doch das Innenministerium, den Richtervorbehalt arg eingeschränkt nachgeschoben, immerhin.

Jetzt stellt sich die Frage: Kann man diesem Gesetzentwurf zustimmen? – Ich würde sagen: nein, wenn man den Datenschutz ernst nimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bestandsdatenauskunft, also die Pflicht zur Herausgabe von wichtigen Informationen, wie Passwörter, PIN, PUK und Co., ist an sich nicht in Ordnung. Die automatisierte IP-Adresse gehört aber schon gar nicht zu den Bestandsdaten. Sie ist geeignet, Bewegungs- und Nutzerprofile zu erstellen. Da ist der nachgeschobene Richtervorbehalt insofern zwar ein Mindestmaß, aber die nachgeschobene Ausnahme davon ist nicht in Ordnung.

Sie schreiben: „wenn die betroffene Person von Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss oder wenn die Nutzung der Daten bereits durch eine gerichtliche Entscheidung gestattet wird“. – Auf der anderen Seite argumentieren Sie: Wer von Eingriffen Bescheid weiß, kann sich selbst wehren. – Wir sagen aber: Darum geht es beim Richtervorbehalt nicht.

Es geht darum, dass vor dem Eingriff eine rechtlich fundierte Prüfung stattfindet, und das betrifft die Privatsphäre.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dort hat der Staat nichts verloren.

Sehr geehrte Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf enthält gravierende neue Eingriffe in das Telekommunikationsgeheimnis wie auch in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Privatsphäre um uns herum schmilzt wie die Polarkappen. Kein Mensch, der auf die Freiheitsrechte der Bürger etwas gibt, kann diesem Gesetzentwurf zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Lothar Quanz:

Vielen Dank, Herr Mack.