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15.09.2016

Aktuelle Stunde – Eva Goldbach: Kinder müssen schwimmen lernen – auch in Hessen

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, über zwei Dinge sind wir uns einig. Erstens. Wir machen uns Sorgen, denn es gibt auch in Hessen tödliche Badeunfälle. Zweitens. Es können zu wenige Kinder schwimmen.
Ich möchte meinem Kollegen Greilich von der FDP-Fraktion recht geben – was ich selten tue –: Wir sollten über diese Dinge in Ruhe reden.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu den tödlichen Badeunfällen: Wir hatten in Hessen in diesem Jahr 24 bis 30 derartige Unfälle – es werden da unterschiedliche Zahlen genannt. Aber eines ist klar: Es sind mindestens sechs Unfälle mehr als im Vorjahr.
Es lohnt sich aber, sich anzuschauen, wo Menschen beim Baden tödlich verunglückt sind und welcher Altersgruppe sie angehören. 14 Menschen sind in unbewachten Gewässern – Flüssen und Seen – ums Leben gekommen. Und: Es gibt einen Anstieg der Zahl der Verunglückten in der Altersgruppe der 50- bis 90-Jährigen. Das heißt, es funktioniert nicht, einen kausalen Zusammenhang zwischen den tödlichen Badeunfällen und der derzeitigen Situation beim Schulschwimmunterricht herzustellen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU))
Zu den Kindern, die Nichtschwimmer sind: Es ist zutreffend, dass sich das Freizeitverhalten der Kinder im Vergleich zu früher geändert hat. Wir haben den ganzen Sommer im Schwimmbad verbracht, keine Frage; das ist bei der heutigen Jugend nicht mehr so. Schwimmen muss permanent trainiert, geübt werden. Es in einem fünfstündigen Kurs nur zu erlernen, reicht nicht. Das ist ein Problem. Das Problem liegt also im Freizeitverhalten der Kinder und im Verhalten der Eltern.
Trotzdem haben die Schulen den Anspruch, Schwimmunterricht zu erteilen und jedem Kind das Schwimmen beizubringen. Das steht so in den Lehrplänen. Wir haben schon gehört, dass nur dort geschwommen werden kann, wo ein Schwimmbad vorhanden ist. Das ist klar.
Zutreffend ist auch: Kommunen, die Schwimmbäder unterhalten, haben finanzielle Probleme. Dazu möchte ich jetzt kommen, denn darum geht es eigentlich. Es geht darum: Wer finanziert die Schwimmbäder, und wie funktioniert das ganze System?
Wir haben an der Stelle mehrere Probleme, zum einen den Umstand, dass die Eintrittsgelder nicht kostendeckend sind. Das sollen Sie auch nicht sein, sonst könnte sich kaum ein Mensch leisten, ins Schwimmbad zu gehen – außer den Beziehern höherer Einkommen. Selbstverständlich darf der Eintritt ins Schwimmbad nur 2,50 € kosten, damit jedes Kind ins Schwimmbad gehen kann. Es ist in Ordnung, dass dadurch ein Defizit entsteht.
Die Entgelte der Schulträger – jetzt sind wir beim Schulsport – für die Nutzung der kommunalen, der gemeindlichen Schwimmbäder sind ebenfalls nicht kostendeckend. Wären sie kostendeckend, würde der Schulträger die Kosten für die Nutzung der Bäder über die Schulumlage auf die kreisangehörigen Gemeinden umlegen, die ja vom Schulschwimmen ihrer Kinder profitieren. Das passiert im Moment nicht, und das ist ein Problem.
Es wäre schön, wenn sich auch die Gemeinden, die die Schwimmbäder in ihren Nachbargemeinden nutzen, an den Kosten beteiligen würden. Das ist oft nicht so. Das funktioniert zwar manchmal und teilweise auch in Zweckverbänden, aber längst nicht immer. Auch da könnte man noch viel in Sachen interkommunale Zusammenarbeit tun.
Warum sind die Defizite der einzelnen Schwimmbäder überhaupt so hoch? Ein paar Zahlen dazu. Die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen hat festgestellt: Bei den Hallenbädern liegen die Defizite – je nach Größe – zwischen 400.000 € und 1 Million € pro Jahr. Bei den Freibädern sind es etwa 240.000 € pro Jahr. Jetzt sage ich noch etwas, was die Gesellschaft nicht festgestellt hat: Bei einem Badebiotop liegt der Verlust bei 40.000 € – also einem Bruchteil der sonstigen Defizite.
Man kann zusammenfassen: Große Spaßbäder mit großen Flächen verursachen wesentlich höhere Defizite als reine Schwimmbäder, also Bäder, in denen es Schwimmerbecken gibt, Freibäder oder gar Badebiotope.
Wer trifft die Entscheidung, was für ein Bad gebaut wird? Das sind kommunale Entscheidungen. Die Kommunen entscheiden, ob sie ein Freizeitbad, ein Spaßbad, ein reines Schwimmerbad, ein Freibad, ein Kombibad oder – wie es z. B. die Stadt Ulrichstein getan hat – ein Badebiotop bauen, das einen Verlust von nur 40.000 € verursacht, der im Übrigen, auch das ist ganz interessant, durch Einnahmen aus Windkraftanlagen in Höhe von 556.000 € locker ausgeglichen werden kann)
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Das Land Hessen unterstützt die Finanzierung durch die Zuweisung im KFA. Sport wird bei den Defiziten zu 100 % anerkannt. Weiterhin haben wir das KIP. Es gibt auch Kommunen in Hessen, die die Mittel aus dem KIP nutzen, um ihre Hallenbäder energetisch zu sanieren.
Vizepräsident Wolfgang Greilich:
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Eva Goldbach:
Dazu kommt das Hallenbad-Investitionsprogramm, mit dem das Land Hessen 45 Millionen € in Hallenbäder und Schwimmbäder investiert hat. Genau das wird das Land Hessen weiter tun, nämlich die Kommunen dabei unterstützen, dass sie ihre Infrastruktur verbessern und so dauerhaft niedrigere Kosten haben, um ihre Bäder zu erhalten, instand zu halten und somit auch Schulsport zu ermöglichen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Wolfgang Greilich:
Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach.

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