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23.06.2017

NSU-Untersuchungsausschuss - Fragen an Volker Bouffier zu Abwägung bei V-Leute-Vernehmung

Die GRÜNEN im Landtag wollen den früheren hessischen Innenminister und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier in der nächsten Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am Montag vor allem nach der Entscheidung fragen, die vom damaligen Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Andreas Temme, geführten V-Leute nicht förmlich durch die Polizei vernehmen zu lassen. „Uns interessiert, welcher Abwägungsprozess dieser Entscheidung voranging“, erklärt Jürgen Frömmrich, Ausschuss-Obmann der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. „Die von Temme geführten V-Leute – mit einer Ausnahme alle im islamistischen Bereich– wären durch eine polizeiliche Vernehmung möglicherweise in Gefahr geraten und hätten dem Verfassungsschutz keine Informationen mehr liefern können. Dieses Risiko hatte Herr Bouffier als damaliger Innenminister abzuwägen gegen das Informationsinteresse, das die Staatsanwaltschaft geltend machte. Aus heutiger Sicht hätte für die eine Quelle, die Temme im rechtsextremistischen Bereich führte, eine Aussagegenehmigung erteilt werden können, weil sie dem Verfassungsschutz ohnehin kaum relevante Erkenntnisse lieferte. Eine Vernehmung allein dieses einen V-Mannes hat die Staatsanwaltschaft aber offenbar nicht angefragt.“

Temme war am Tattag am Tatort gewesen, hatte sich aber nicht als Zeuge gemeldet. Nach bisherigen Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses musste das Innenministerium als oberste Dienstaufsichtsbehörde mit Nachdruck beim LfV für die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens gegen dessen damaligen Mitarbeiter sorgen, um zu verhindern, dass Temme weiter als Verfassungsschützer würde arbeiten können. „Bisherige Zeugen haben ausgesagt, dass man sich im Innenministerium seinerzeit einig war, Temme könne nicht beim Landesamt beschäftigt bleiben. Wir wollen Herrn Bouffier auch nach seiner Einschätzung dazu fragen“, so Frömmrich.

Interessant ist auch, warum das Ermittlungsverfahren in der NSU-Mordserie nicht beim Bundeskriminalamt zentralisiert wurde. „Wir können natürlich nicht wissen, ob eine Übernahme der Ermittlungen durch  das BKA zu besseren Ergebnissen geführt hätte. Aus den bisherigen Vernehmungen im Untersuchungsausschuss hat sich allerdings im Rückblick der Eindruck ergeben, als seien die Ermittlungen zu lange auf die Länder konzentriert gewesen, insbesondere auf Bayern, wo die drei Mörder die meisten ihrer Taten begingen. Die drei Bundesländer mit Tatorten der Ceska-Serie vor dem Mord in Hessen stellten nie ein förmliches Übernahmeersuchen. Nach bisherigem Kenntnisstand war hierfür vor allem die ablehnende Haltung Bayerns ausschlaggebend. Auch das Bundesinnenministerium wurde nicht entsprechend aktiv.“


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
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