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14.09.2016

Sigrid Erfurth – Steuerhinterziehung konsequent bekämpfen – hessische Finanzverwaltung weiter stärken

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bei dem Redebeitrag vom Kollegen Hahn immer gewartet, ob er auch auf Hessen eingeht. Für mich schwankte Ihr Beitrag zwischen Bewunderung für den Finanzminister und dessen Öffentlichkeitsarbeit und Neid, nicht mehr dabei zu sein. Aber das müssen Sie mit sich ausmachen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Meine Damen und Herren, der Umgang und der Zusammenhalt in einer Gesellschaft sind nach meiner Wahrnehmung ganz entscheidend davon geprägt, ob die herrschenden Verhältnisse von den Menschen als hinreichend gerecht empfunden werden. Für die Beantwortung dieser Frage, was gerecht ist, gibt es unterschiedliche Aspekte. Ein paar können sein: Sind die Sozialleistungen, die ein Staat leistet, angemessen? Kommen sie dort an, wo Bedürftige Hilfe brauchen? Ein Anspruch ist auch: Ist die Bezahlung gerecht? Spiegelt sie Erfahrung, Können und Arbeitseinsatz wider?
Ganz entscheidend ist aus meiner Wahrnehmung die Frage der Steuergerechtigkeit. Orientiert sich Besteuerung wirklich an Leistungsfähigkeit? Sorgt der Staat ausreichend dafür, dass die starken Schultern eine entsprechend höhere Steuerlast zahlen? – Das haben alle Rednerinnen und Redner in unterschiedlicher Ausprägung auch so gesagt.
Für mich verknüpft sich die Frage der Steuergerechtigkeit mit der Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts, weil beides aus meiner Sicht zusammengehört.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Steuergerechtigkeit ist nicht nur eine Frage des Spitzensteuersatzes. Herr Kollege Kummer, ich glaube, wir wissen das beide als ehemalige Finanzbeamte, weil natürlich auch die Durchsetzung des Steueranspruchs eine wichtige Frage ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Da geht es nicht unbedingt um den Spitzensteuersatz, der auf dem Papier steht, sondern es geht auch um das, was in der Staatskasse ankommt. Dann ist wirklich die Frage: Was wird überhaupt steuerlich erklärt? Was wird diesem Steuersatz unterworfen? Schließlich die Frage: Was wird tatsächlich gezahlt?
An dieser Stelle zitiere ich gerne den ehemaligen Bundesfinanzminister der Großen Koalition, Peer Steinbrück, der damals in der Debatte um die Abgeltungssteuer gesagt hat: „25 Prozent auf X ist besser als nix.“ Von daher geht es, ganz wichtig, auch um den Vollzug bei Steuern.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir wissen heute, dass es gerade in den letzten zehn Jahren sehr viele erfolgreiche Maßnahmen gab, die es Steuerpflichtigen aus Deutschland erschweren sollten, Kapital ins Ausland zu schaffen und damit auch der deutschen Besteuerung zu entziehen. Deshalb finde ich es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen. Herr Hahn, Sie haben gesagt, das seien Selbstverständlichkeiten. – Nein, eine Regierung ist auch dazu da, Orientierung und Leitung zu geben. Wenn wir immer wieder klarmachen, Steuerhinterziehung ist nicht so eben en passant, sondern es ist eine Straftat, und damit eine Leitlinie dafür geben, wie man oder frau sich verhält, finde ich das richtig und wichtig. Das ist Aufgabe eines Landesparlaments.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir hätten, glaube ich, alle miteinander vor einigen Jahren noch nicht geglaubt, dass Schweizer Banken eine Weißgeldstrategie betreiben würden. Ich glaube, noch vor ein paar Jahren hätten wir nicht erwartet, dass das mal passiert.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
– Lieber Kollege Norbert Schmitt, wir haben gemeinsam engagiert dafür gekämpft, auch in diesem Hessischen Landtag haben wir gemeinsam darum gerungen,
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
wie wir mit Steuerhinterziehung und mit diesen Schweizer CDs umgehen, und wir waren erfolgreich in der Summe. Das kann man doch einmal feststellen.
Wir waren insgesamt erfolgreich, in der Summe. Inzwischen verlangen Schweizer Banken Erklärungen über Steuerkonformität. Auch das hätte ich mir nicht vorstellen können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ich darf auch noch einmal an Peer Steinbrück erinnern, der 2009 bekanntlich die Kavallerie beschwor, die ja nicht ausreiten müsse – Hauptsache, sie drohe.
(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))
Für mich ist diese Weißgeldstrategie ein gutes Signal für einen Fortschritt, der bei der internationalen Besteuerung erzielt werden konnte. Diese Fortschritte – auch das bitte ich, nicht kleinzureden – haben wir auch der deutschen und der hessischen Steuerverwaltung zu verdanken.
Denken Sie einmal an die Debatte, die wir vor einem guten halben Jahr hier in diesem Landtag geführt haben. Da ging es um die Panama-Papers. Über 200.000 Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen sind aufgedeckt worden, die über die Kanzlei Mossack Fonseca in den letzten 38 Jahren eingerichtet wurden – Briefkastenfirmen nicht nur in Panama, sondern in über 20 Ländern und Gebieten dieser Erde, zum Teil mit recht klangvollen Namen: Gegenden, in denen man gerne auch einmal Urlaub macht. Vielleicht heißen sie deshalb Steueroasen. Denken Sie an die Bahamas, an die Seychellen, an Zypern, an Malta und Jersey. All das sind Gebiete, in denen man Steuern sparen wollte.
Oder denken Sie an Apple. Es war nicht Google, sondern es ist Apple. Vor wenigen Tagen hat die EU-Kommissarin die von Irland gewährten Steuervergünstigungen für Apple für unzulässig erklärt und dem Konzern eine Nachzahlung von bis zu 13 Milliarden € angekündigt. Das muss man sich vor Augen führen.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
– Das ist die EU, das ist Irland. Ich finde, man muss auch dorthin schauen, um diese Steuerverlagerungen in der Europäischen Union zu vermeiden.
(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))
Die EU-Kommission spricht davon, dass der effektive Köperschaftsteuersatz, den Apple bekommen hat, im Jahr 2003  1 Prozent betrug und im Jahr 2014 – das muss ich ablesen, damit ich mich nicht verlese – 0,005 Prozent. Das ist, finde ich, ein steuerlicher Skandal. Da muss man einschreiten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie des Abg. Florian Rentsch (FDP) –Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
– Ach, Herr Schmitt, Sie wissen doch, wie das funktioniert. Es geht immer um die Konzernzentralen und darum, wo Steuern bezahlt werden.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Darum geht es. Das hat jetzt zunächst einmal nichts mit dem hessischen Vollzug zu tun.
Es geht aber auch um anderes, und damit komme ich durchaus nach Deutschland und nach Hessen. Es sind nicht immer nur die anderen, damit hat der Kollege Kummer durchaus recht; man muss auch auf die Steuergestaltung hier im Inland schauen. Denken Sie an die Grunderwerbsteuer; Frau Arnoldt hat das Prinzip beschrieben. Es geht um ein ärgerliches Schlupfloch bei der Grunderwerbsteuer, das auf Initiative Hessens hoffentlich möglichst bald geschlossen werden soll und geschlossen werden muss.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, Steuerskandale und Steuertricks haben immer das gleiche Muster: Die Großen können es sich leisten, Vermeidungsstrategien zu entwickeln, sie können sich drücken, während die Kleinen brav und artig ihre Steuern zahlen müssen. Deshalb ist es so wichtig, nicht nur die theoretische Ausgestaltung eines Steuersystems zu haben, sondern auch für die praktische Durchsetzung zu sorgen.
Hierfür sind die Länder zuständig, die Bundesländer. Es ist unbestritten, dass die hessische Finanzverwaltung einen sehr, sehr guten Job leistet. Von uns deshalb auch der Dank an die Kolleginnen und Kollegen in der Finanzverwaltung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wir haben es hier immer wieder zitiert: Die Zahl der Betriebsprüfer und Steuerfahnder ist in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent angestiegen. Mit den Prüfungszyklen bei den Großbetrieben stehen wir im Bundesdurchschnitt sehr gut da, sie liegen nämlich deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Auch die Mittelbetriebe, Herr Kummer, werden bei uns deutlich öfter geprüft als im Bundesdurchschnitt.
Jetzt haben Sie die Kleinbetriebe angemahnt. Ja, darüber kann man sich unterhalten. Aber Sie als ehemaliger Betriebsprüfer wissen: Zu einem kleinen Betrieb geht der Betriebsprüfer nicht gerne hin, weil das Mehrergebnis dort nicht so gut ist.
Von daher geht es auch um die Risikoabwägung. Man muss am besten dorthin schauen, wo möglichst viel Geld zu holen ist, sage ich einmal so salopp. Dann ist es richtig, schwerpunktmäßig auf die Groß- und Mittelbetriebe zu achten und den Flaschenbierhandel vielleicht nicht so oft zu prüfen. Ich glaube, es ist eine richtige Entscheidung, hier Risikostrategien einzubauen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU –Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
– Natürlich braucht man ein ausgewogenes Verhältnis, und die Finanzverwaltung muss schritthalten.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Darum sagen wir ja auch, wir müssen den Innen- und den Außendienst stärken. Deshalb gibt es 80 zusätzliche Stellen im Innendienst, damit diese schwierigen Rechtsfragen und Gemengelagen auch im Innendienst aufbereitet werden können. Es geht nicht nur um Steuerfahnder, die dann sozusagen immer die Spitze bilden, wenn sich Prüfungen als sinnvoll erweisen.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Von daher ist der Weg richtig, im Innendienst aufzubauen und für den Innendienst zu sorgen – und natürlich auch die Steuerfahndung, die sehr erfolgreich arbeitet, im Haushalt weiter aufzubauen. Das ist eine kluge und gute Strategie.
Natürlich: Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder wachsen nicht auf Bäumen. Deshalb müssen wir Anwärter einstellen. Das tun wir. Wir tun das im kommenden Jahr in einer Zahl, die wir noch nie hatten: Es wird 650 neue Anwärterinnen und Anwärter geben, weil wir wissen, dass die Aufgaben aufwachsen.
Vizepräsidentin Heike Habermann:
Frau Kollegin Erfurth, Sie müssen zum Schluss kommen.
Sigrid Erfurth:
Wir brauchen gut ausgebildete Steuerbeamtinnen und Steuerbeamte. Das ist gut so, es ist eine wichtige Investition in die finanzielle und soziale Zukunft des Landes Hessen. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesen Weg mit uns gehen würden. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)