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14.07.2016

Sigrid Erfurth: Ehrenamtliches Engagement fördern

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege van Ooyen, ich möchte zunächst eines zurückweisen: Sie haben von Gesinnungssteuerrecht gesprochen. Ich finde, dass darf und sollte man nicht tun. Das Steuerrecht ist kein Gesinnungsrecht. Die Finanzbeamtinnen und –beamten urteilen nach Recht und Gesetz. Das ist richtig und gut so. Diese Nähe sollten Sie nicht herstellen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
– Herr Rudolph, sind Sie fertig, dann kann ich weitermachen. – Herr Kollege Schmitt, Sie haben das Spannungsfeld, in dem wir uns bewegen, sehr umfassend und eindrücklich beschrieben. Ich hatte auch das Gefühl, Ihnen ist nicht so ganz wohl dabei, wie man das Gemeinnützigkeitsrecht fortentwickeln kann. Sie haben einen Vorschlag gemacht, aber Sie haben keine richtige Lösung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich lese Ihren Vorschlag so, dass Sie weiterhin an der Trennung politische Partei, politischer Verein festhalten wollen, weil Sie verdeckte Parteifinanzierung nicht wollen. Das sehe ich genauso und finde es klug und richtig.
(Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD))
Da muss man aber einen guten Vorschlag unterbreiten. Herr Kollege van Ooyen, Sie haben Lisa Paus zitiert. Ja, ich war mit Lisa Paus in einem sehr engen Austausch. Ich bin es auch noch. Wir wollen uns darum bemühen, wie man das Gemeinnützigkeitsrecht so fortentwickelt, dass man unerwünschte Nebenwirkungen, von denen auch Kollege Schmitt gesprochen hat, von denen auch die Kollegin Arnoldt gesprochen hat, ausschließen kann. Das muss man sauber rechtlich ausschließen können.
Es kann doch nicht sein, dass wir in den Wünsch-Dir-was-Bereich kommen, dieser Verein ist uns noch lieb, ihm würden wir gerne die Gemeinnützigkeit erteilen und jener Verein ist es nicht mehr. Wir müssen eine klare und saubere Trennung, die auch unser demokratisches System ableiten lässt, hinbekommen. Dann haben wir ein vernünftiges Gemeinnützigkeitsrecht.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Da ist es doch klug, jetzt zu sagen: Es gibt diesen Streitfall Attac
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
– und andere auch –. Wir haben jetzt eine Entscheidung des Finanzgerichts, die sich genau mit diesem Streitfall beschäftigt. Sie beschäftigt sich genau mit dem Thema der Abgrenzung zwischen politischer Betätigung und dem, was demokratisch wünschenswert und richtig und wichtig ist. Da ist es doch nur klug, jetzt zu sagen: Wir warten darauf, wie das Finanzgericht entscheidet. Dann werten wir die Entscheidung ab und schauen, ob wir dabei etwas Gutes finden, um das Gemeinnützigkeitsrecht fortentwickeln zu können.
Jetzt einen Schnellschuss zu machen, hilft Attac nicht. Auf gar keinen Fall, das ist alles Vergangenheit. Es hilft dem Verein nicht, und es hilft auch der Rechtsordnung nicht. Von daher finde ich es sehr klug und richtig, zu schauen, was mit diesem Urteil passiert. Ich bin sehr gespannt darauf. Ich bin auch Attac sehr dankbar, dass sie dieses Verfahren führen. Damit wird klar, wo die Grenze ist und wo das Gemeinnützigkeitsrecht fortentwickelt werden kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Herr Kollege van Ooyen, ja, das wird dauern. Dieser ganze Prozess dauert ja schon sehr lange. Im Jahr 2007 wurde diese Öffnungsklausel in die Abgabenordnung eingefügt, die bürgerschaftliches Engagement steuerlich begünstigen wollte.
Dem vorausgegangen ist ein sehr langer und intensiv geführter Prozess darüber, wo die Abgrenzung ist, was in die Begünstigung aufgenommen wird und was nicht. Das war nicht trivial. Das war damals nicht trivial und ist es heute nicht. Es geht auch um die Abgrenzung von dem, was wir wollen und extremistischen Vereinen, die die Mehrheit dieses Hauses nicht möchten. Auch das ist eine Frage, die beantwortet werden muss.
Wenn wir politisches Engagement gemeinnützig begünstigen wollen, dann müssen wir auch die Frage beantworten, was wir mit den Republikanern dieser Welt machen. Auch diese Frage müssen wir beantworten.
Wenn alle sagen: wir haben eine stabile Demokratie, wir wollen, dass auch diese Kolleginnen und Kollegen in den Genuss der steuerlichen Begünstigungen kommen, dann sind wir d‘accord. Wenn wir das aber nicht wollen, dann müssen wir kluge Abgrenzungen finden. Die haben wir derzeit noch nicht.
Herr Kollege Schmitt, das liefert auch Ihr Antrag derzeit noch nicht. Ihr Vorschlag, jetzt den Katalog der 25 Begünstigungstatbestände locker um sechs zu ergänzen, das ist es nicht.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
– In dem Katalog nicht. Wenn Sie vergleichen, was jetzt schon im Katalog der Abgabenordnung begünstigt ist, dann sehen Sie, dass es sich um einen bunten Strauß handelt: Sport, Heimatpflege, Tierschutz, Kultur, traditionelles Brauchtum. Es ist ein gewachsener Katalog. Man kann sich darüber streiten, ob man das alles gut und richtig findet. Er hat sich aber so entwickelt. Es gibt z. B. in Punkt 18 der Abgabenordnung jetzt schon den Katalog „Förderung der Gleichberechtigung von Mann und Frau“. Sie wollen den Punkt 42 vorschlagen: „Gleichstellung der Geschlechter“. – Ich weiß nicht, was das mehr bringen soll.
 

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Kommen Sie bitte zum Schluss?

Sigrid Erfurth:

Ich danke Ihnen, Herr Präsident. – Ich ziehe einen Strich darunter und sage: Die Zeit ist noch nicht reif. Wir sollten das Gerichtsurteil abwarten, dann klug auswerten und uns dann gemeinsam überlegen, wie wir das Gemeinnützigkeitsrecht so fortentwickeln, dass wir gewünschtes zivilgesellschaftliches Engagement in den Genuss der Steuerbefreiung bringen. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken:

Danke, Frau Erfurth.