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13.07.2016

Sigrid Erfurth – Reformen der Erbschaftsteuer und der Grundsteuer auf dem Weg – vermögensbezogene Steuern sind im Zusammenhang zu betrachten

Das habe ich befürchtet. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal darauf zurückkommen, was Steuern eigentlich sind: Steuern sind nämlich kein Selbstzweck. Sie dienen der Finanzierung der gesamtstaatlichen Aufgaben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Das ist sozusagen Grundbildung von Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten. Sie knüpfen an das Leistungsfähigkeitsprinzip an. Auch das ist richtig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Oder wenn man es ein bisschen einfacher haben will: Derjenige, der mehr hat, soll auch mehr bezahlen bzw. mehr zum Gesamtsystem beibringen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von der CDU)
Aber auch das ist zu beachten: Die Rechtsprechung hat eine Art Halbteilungsgrundsatz entwickelt und gesagt: Es gibt auch irgendwo eine Grenze der Abschöpfung. Es gibt irgendwo eine Begrenzung der Besteuerung, und diese muss man beachten.
(Beifall der Abg. Judith Lannert (CDU) – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Ich bin in Teilen bei den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE und bei Ihnen, Herr Schäfer-Gümbel: Bei sehr hohen Einkommen und Vermögen sind wir davon recht weit entfernt. Das gilt für große Vermögen noch einmal sehr viel mehr als für den Einkommensbereich.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)
Die meisten von Ihnen kennen die Zahlen: 75 % des Nettovermögens konzentrieren sich bei 10 % der deutschen Haushalte. Oder wenn man es andersherum sagt: 10 % der Menschen in Deutschland verfügen über dreiviertel des Gesamtvermögens und dies mit beständig steigender Tendenz.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Das ist ungerecht, zumindest empfinde ich das so, und es schafft beständig weitere Ungerechtigkeiten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)
In zunehmendem Maße hängt Chancengerechtigkeit auch davon ab, ob jemand aus einem Haushalt kommt, in dem das Vermögen größer oder kleiner ist. In ungefähr der Hälfte der Haushalte sind nur ungefähr 2,5 Prozent des Nettovermögens vorhanden. Menschen können zunächst einmal nichts dafür, in welchem Haushalt sie geboren werden und aufwachsen. Es ist die Aufgabe der Politik, für einen Ausgleich und mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Die große Frage lautet: Macht man es so, dass der gesellschaftliche Konsens gewahrt bleibt? Das ist die große Schwierigkeit. Steuererhebung braucht gesellschaftliche Akzeptanz.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Das können gerade auch wir GRÜNE bestätigen. Wir haben dies sehr gut erfahren können: Wenn man die gesellschaftliche Akzeptanz vernachlässigt, dann strafen einen die Wählerinnen und Wähler ab. Ich glaube, auch die Sozialdemokratinnen und -demokraten haben dies ein Stück weit erfahren.
Gesellschaftliche Akzeptanz ist nach meiner Wahrnehmung immer dann zu erzielen, wenn etwas offensichtlich ungerecht ist und auf Kosten anderer Menschen passiert. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir uns in der schwarz-grünen Koalition darauf verständigt haben, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und gegen Steuerverlagerungsmodelle vorzugehen und Steuerbetrügereien den Kampf anzusagen. Es ist ein sehr vielversprechender Weg, Steuereinnahmen zu heben und für Steuereinnahmen zu sorgen. Dazu haben wir in Hessen schon einiges auf den Weg gebracht. Mit Finanzminister Dr. Schäfer haben wir auch einen entschiedenen Streiter für mehr Steuergerechtigkeit. Das konnten wir in der Debatte um die Panama Papers feststellen, als wir im April darüber diskutiert haben, was wir denn machen, um der Steuerflucht Einhalt zu gebieten. Ich kann Ihnen sagen: Auch in Sachen Steuerbetrug durch manipulierte Registrierkassen war der Finanzminister recht erfolgreich – –
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
– Ja, einen Teil davon waren auch Ihre Parteifreunde in Berlin an der Regierung; das kann ich an diesem Punkt auch wieder sagen. Jetzt gibt es endlich einen Gesetzentwurf auf Bundesebene; manipulierte Registrierkassen dürfen künftig nicht mehr sein.
Meine Damen und Herren, ich habe es eingangs schon gesagt: Die Schere in Bezug auf die Vermögensverteilung ist in der letzten Zeit weit auseinandergegangen. Es ist in der Tat eine große Herausforderung, wie die Vermögensbesteuerung in Zukunft auszusehen hat. Ich spreche ganz bewusst von vermögensbezogenen Steuern und nicht von der einen Steuerart, nämlich der Vermögensteuer, die die Kollegen von den LINKEN immer wieder als eine Art Geheimwaffe hervorziehen und sagen: Damit lösen wir alle Finanzprobleme.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
– Nein, das ist nicht geheim. Aber es ist Ihre Allroundwaffe; wir wollen es einmal so nennen.
Von daher kann es nicht das eine Instrument sein; man muss vermögensbezogene Steuern im Paket betrachten. Das besagt auch unser Antrag zur heutigen Tagesordnung. Auf Bundesebene stehen eine ganze Reihe von Entscheidungen zu vermögensbezogenen Steuern an. Zum einen die Grundsteuer. Das ist ein Projekt, bei dem sich fast alle Bundesländer endlich einmal bewegt und gesagt haben, wie sie die Grundsteuer als vermögensbezogene Steuer künftig regeln wollen.
Daran ist die hessische schwarz-grüne Landesregierung maßgeblich beteiligt sowie das rot-grüne Niedersachsen, wo man versucht hat, jetzt endlich einmal einen Weg aufzumachen, um die Grundsteuer als vermögensbezogene Steuer auf eine neue, verfassungsrechtlich sichere Grundlage zu stellen. Wir streiten in Hessen auch im Interesse der Kommunen dafür, dass das weitergeht, denn es ist eine kommunale Steuer, die bei den Kommunen landet. Deshalb ist es sehr in unserem Interesse, dass der Gesetzentwurf für die neue Grundsteuer auch eine Chance auf eine Realisierung hat. Auch das ist ein wichtiger Punkt, wie wir künftig Vermögen besteuern. Auch das dürfen wir nicht vergessen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Noch nicht endgültig entschieden ist ein weiterer wichtiger Teil der vermögensbezogenen Steuern, nämlich die Erbschaftsteuer. Auch das ist noch nicht endgültig entschieden. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Bundesgesetzgeber aufgegeben, die zu starke Begünstigung großer Unternehmen zurückzufahren und für eine gerechtere Besteuerung zu sorgen. Im Moment haben sich auf Bundesebene nach meiner Wahrnehmung nicht alle mit Ruhm bekleckert.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Diese Aufgabe ist bisher nicht zufriedenstellend gelöst worden.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Die meisten von Ihnen haben verschiedene Schleifen und Anläufe des Bundesfinanzministers gesehen, der versucht hat, die Steuer auf einen verfassungsfesten Weg zu führen. Es gab ziemlich große Einsprüche aus dem Süden der Republik, die jetzt noch einmal zu Einigungsversuchen geführt haben. Diese waren aber – dies sage ich ausdrücklich aus grüner Sicht – nicht Erfolg versprechend, weil damit aus unserer Sicht die Verfassungsfestigkeit der Erbschaftsteuer nicht gegeben ist. Viele Finanzexperten teilen diese Ansicht.
Es wird letztendlich von der Ausgestaltung der Erbschaftsteuer abhängen, ob und in welcher Höhe vermögensbezogene Steuern zum Steueraufkommen insgesamt beitragen und in welcher Höhe dann der von der Rechtsprechung immer wieder ins Feld geführte Halbteilungsgrundsatz beachtet wird. Ich sage an dieser Stelle ganz ausdrücklich: Die Erbschaftsteuer darf auch – da bin ich sehr bei Frau Kollegin Arnold – nicht dazu führen, dass der Klein- und Mittelstand, Wirtschaftsunternehmen, die in Hessen sehr prosperieren, ausgebremst wird. Das darf nicht passieren.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Das muss wirtschaftsfest passieren. Es muss dafür gesorgt werden, dass unsere Unternehmen weitergeführt werden können und die Erbschaftsteuer nachher nicht der Strick ist, an dem ein Unternehmen sozusagen stranguliert wird.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Diese Austarierung steht an, und diese ist wichtig. Dann bin ich wieder bei dem Paket. Wir müssen sehr genau schauen, wie das Paket der vermögensbezogenen Steuern geschnürt ist. Dann kann man sich unter Umständen darüber unterhalten, ob es noch eine Vermögensteuer braucht oder nicht. Aber diesen Punkt haben wir noch nicht erreicht. Deshalb kann ich in Richtung der Kollegen von der LINKEN nur sagen: Wozu eine Anhörung? Sie ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend, weil wir überhaupt nicht sagen können, in welche Richtung sich die Vermögensteuer entwickeln soll. Wir haben überhaupt kein Konzept, über das es sich zu diskutieren lohnt.
(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))
Es wäre nicht zielführend – liebe Frau Kollegin Schott – jetzt nur aus dem Grund eine Anhörung im Hessischen Landtag durchzuführen, um darüber einmal gesprochen zu haben, ob man denn vielleicht, unter gewissen Parametern, eine Vermögensteuer einführen könnte oder nicht, und um einen großen Auflauf von Finanzexpertinnen und -experten im Hessischen Landtag zu haben, wobei wir am langen Ende für den Gesetzentwurf gar nicht zuständig sind, denn das ist alles Bundesrecht.
(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))
– Herr Dr. Wilken, das halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für eine Verschwendung unserer Arbeitszeit, wie ich es einmal formulieren will. Ich glaube, das nehmen wir uns wieder einmal vor, wenn wir klarer sehen und wissen, wie sich vermögensbezogene Steuern sortieren. Dann können wir uns hierüber noch immer unterhalten. Dann werden wir weitersehen, wie sich das Konzept der vermögensbezogenen Steuern entwickelt. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.