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22.06.2016
Portraitfoto von Daniel May vor grauem Hintergrund.

Daniel May: zukünftige Entwicklung der hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften – Potenziale nutzen und fördern

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben vor zwei Jahren mit uns ein rapides Wachstum ihrer Lehrtätigkeit vereinbart. Sie haben mächtig Gas gegeben und haben diese Beschleunigung aufgenommen, obwohl zurzeit noch eine Wand auf ihrem Weg steht, nämlich das Auslaufen des Hochschulpakts 2020 des Bundes. Sie beschleunigen immer noch, vertrauen aber darauf, dass die Politik diese eben beschriebene Wand, auf die die Hochschulen zurasen, noch einreißt. – So in etwa beschrieb der Präsident der Hochschule Darmstadt, Professor Dr. Stengler, letzte Woche die Situation der hessischen Hochschulen.
Dieser Sachverhalt ist einer der Gründe, warum wir die Entwicklung unserer Hochschulen heute gesetzt haben, weil wir als Koalition zuverlässige Partner unserer Hochschulen sind.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Denn die Hochschulen für angewandte Wissenschaften – ich nenne sie in der Folge nur noch Hochschulen – sind unerlässlich wichtig für unser Land. Sie sind traditionell Orte der Bildungsexpansion, des Bildungsaufstiegs. Sie sind nämlich traditionell stärker darin, jungen Menschen, auch jenen aus bildungsfernen Schichten, eine gute akademische Bildung zukommen zu lassen. Sie sind traditionell besser darin, den beruflich Qualifizierten, die dann noch eine akademische Bildung wünschen, eine gute Bildung zukommen zu lassen. Sie sind auch besonders stark darin, Praxis und Theorie miteinander zu verbinden, und sie tun das in einer ganz hervorragenden Qualität.
Ein Beispiel dafür: Über 60 % der deutschen Ingenieurinnen und Ingenieure sind Absolventen unserer Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Mit dieser hervorragenden Ausbildungsleistung der Hochschulen wird das Feld für unsere vielfältige Wirtschaft bereitet, die von diesen Fachkräften lebt und deren Qualität weltweit anerkannt ist, so sehr anerkannt, dass ein Reifenhersteller aus meiner Heimatstadt global mit dem Slogan wirbt: „Do it with german engineering“.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Die Hochschulen verbinden also theoretische und praktische Bildung. Sie bieten einen Bachelor-Abschluss, der tatsächlich zum Beruf befähigt. Sie bieten aber auch einen wissenschaftsorientierten Master, und sie betreiben anwendungsorientierte Forschung, und dies auf hohem Niveau. Aus allen diesen Gründen haben wir einen Schwerpunkt auf ihre Entwicklung gelegt, die sehr positiv zu bewerten ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Sie helfen uns besonders bei einer Entwicklung, die da heißt, dass die junge Generation eine stärkere Studierneigung hat. Immer mehr junge Menschen streben ein Studium an. Aufgrund der vorgenannten Eigenschaften der Hochschulen haben wir uns als Koalition entschieden, die Hochschulen im Rahmen des Hessischen Hochschulpakts, aber auch im Rahmen des Hochschulpakts 2020 besonders wachsen zu lassen. Das heißt: Im 10-Jahres-Vergleich von 2005 bis 2015 sind sie bereits um 50 % gewachsen, und sie haben sich verpflichtet, weitere Studierende aufzunehmen. Sie haben sich verpflichtet, noch mehr Bildungsgänge einzurichten, ihre Kapazitäten zu erweitern, und sie machen das mit großem Erfolg, weil wir ihnen die richtigen Rahmenbedingungen dafür eingeräumt haben.
Diese Entscheidung der schwarz-grünen Koalition fußt gerade darauf, dass die jetzt stattfindende Bildungsexpansion von den Hochschulen für angewandte Wissenschaften am besten bewältigt werden kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Es geht hier nicht darum, die beiden Hochschultypen, die Universitäten und die Fachhochschulen, heute Hochschulen für angewandte Wissenschaften, gegeneinander auszuspielen oder Hochschulbildung auf Nützlichkeitsüberlegungen zu reduzieren; aber es ist unsere Überzeugung, dass die Hochschulen für angewandte Wissenschaften in einer langfristigen Hochschulentwicklung spielen eine große Rolle müssen. Diese stärkere Rolle umfasst eben auch ihre Forschungstätigkeit. Die Hochschulen haben bereits gezeigt, dass sie hervorragende anwendungsorientierte Forschung betreiben. Daher war es nur logisch, dass dieser Landtag in der Hochschulgesetznovelle die Möglichkeit für ein eigenständiges Promotionsrecht geschaffen hat. Gerade diese Entscheidung hat die Hochschulen elektrisiert und schenkt uns bundesweit Beachtung. Ich bin sehr glücklich, dass Hessen an dieser Stelle bundesweit Vorreiter ist.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Die Bedeutung des eigenständigen Promotionsrechts für Hochschulen für angewandte Wissenschaften kann gar nicht hoch genug bemessen werden. Zum ersten Mal wird es nämlich möglich, dass in den anwendungsorientierten Wissenschaften, beispielsweise in Sozialer Arbeit, direkt und nicht in einer sogenannten Bezugswissenschaft eigenständig wissenschaftlicher Nachwuchs ausgebildet werden kann.
Aber auch für die Wirtschaft ist das sehr wichtig. Um das zu unterstreichen, darf ich aus einem Gastbeitrag von Hans-Henning von Grünberg aus dem „Handelsblatt“ vom 10. Juni zitieren. Er fordert das Promotionsrecht auch in anderen Bundesländern und sagt:
Eine eigenständige Forschung wiederum braucht eine angemessene Forschungsausstattung, aber vor allem eines: eigene Doktoranden. Für die Aufgaben der Zukunft braucht Deutschland und der regional orientierte Mittelstand schlagkräftige Hochschulen für angewandte Wissenschaften, also Hochschulen mit Promotionsrecht, die ihren eigenen Weg gehen und sich um ihren Nachwuchs selber kümmern dürfen.
Genau diesen Weg gehen wir in Hessen, mit eigenständigem Forschungsbudget und eigenständigem Promotionsrecht, und ich finde das sehr gut so.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Alles Positive, das ich über die Entwicklung der Hochschulen berichten konnte, ist aber nicht gottgegeben, sondern hart erkämpft. Gerade wenn wir uns den sogenannten Hochschulpakt 2020 und die Fragen der Forschung anschauen, bedarf es einer Weichenstellung und einer Absicherung durch einen Beschluss dieses Landtags.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Hochschulen wollen wissen, wie die Fraktionen in diesem Haus dazu stehen, dass sie sowohl hinsichtlich der Ausbildungsleistung als auch der Forschung große Fortschritte erzielt haben. Sie wollen wissen, wie die einzelnen Fraktionen dazu stehen, dass die Hochschulen für angewandte Wissenschaften das Promotionsrecht bekommen haben. Hier sind insbesondere die SPD und die FDP gefragt, die sich in der Vergangenheit nicht eindeutig geäußert haben.
Daher haben wir diesen Antrag vorgelegt, der beschreiben soll, wie wir uns die Entwicklung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften vorstellen und wie dieser Pfad weiter gegangen werden soll. Wir würden uns freuen, wenn die Opposition dem mit klaren Aussagen beitreten könnte.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Wir brauchen eine Entscheidung hinsichtlich des Hochschulpakts 2020. Um auf die noch bestehende Wand – bildlich gesprochen – vom Anfang meiner Rede zurückzukommen: Der Hochschulpakt 2020 ist nicht mit unserem hessischen Hochschulpakt zu verwechseln, sondern ein Programm, das vom Bund ausgeht und viel Geld mit sich bringt. Insbesondere für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist dieser Pakt immens wichtig, denn sie bestreiten daraus bis zu 30 Prozent ihrer Haushalte.
Es ist uns GRÜNEN schon lange klar, dass der sogenannte Studierendenberg eigentlich ein Studierenden-Hochplateau ist. Trotzdem ist der Hochschulpakt 2020 so aufgebaut, als wären die hohen Studierendenzahlen eine vorübergehende Erscheinung. Die Mittel des Paktes wachsen zunächst auf, sinken dann aber wieder und verebben nach 2020 vollständig. Wir wissen aber, dass es bei den Studierendenzahlen nicht zu dieser Entwicklung kommen wird.
Was ist die Konsequenz daraus? Sollen wir die Angebote, die wir gerade erfolgreich aufbauen, wieder einstampfen? Gewiss dürfen wir das nicht tun, denn das würde vielen jungen Menschen das Tor zu den Hochschulen verschließen. Es würde vor allen Dingen die Hochschulen für angewandte Wissenschaften treffen – und damit all die positiven Entwicklungen, sei es die Verknüpfung von beruflicher und akademischer Bildung, sei es der Wissenstransfer an kleinere und mittlere Unternehmen, sei es die anwendungsorientierte Forschung. All das würde abgesägt. Das kann nicht unser Ziel sein.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Daher müssen wir heute ein starkes und hoffentlich überparteiliches Signal an den Bund senden, das lautet: Wir brauchen den Hochschulpakt 2020 unbedingt,
(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))
und wir brauchen die Mittel nicht nur für fünf Jahre, sondern auf Dauer, damit die Entwicklung bei den Hochschulen für angewandte Wissenschaften weitergehen kann. Wir als Land können die dafür notwendigen Mittel nicht alleine stemmen.
(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))
Es ist eine gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit vorhanden, unsere Bildungs- und Forschungsaktivitäten in diesem Bereich nicht zu beschneiden. Wir müssen sie vielmehr ausbauen, und dem Fachkräftemangel zu begegnen und der jungen Generation beste Chancen zu bieten.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))
Für uns GRÜNE und die Koalition ist klar: Unsere Hochschulen für angewandte Wissenschaften müssen in ihrer Entwicklung gefördert werden, damit den jungen Menschen weiterhin beste Chancen geboten werden. Es würde mich freuen, wenn der Redner der SPD-Fraktion zu diesem Punkt qualifizierter sprechen würde, als es die Zwischenrufe des Herrn Merz während meiner Rede waren.
(Heiterkeit und Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Herzlichen Dank.

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