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21.06.2016

Eva Goldbach: Änderung des Hessischen Gesetzes über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In meiner Heimatstadt, einem kleinen Fachwerkstädtchen auf dem Land, blieb früher sonntags immer eine Person zu Hause. Das musste so sein wegen des Brandschutzes. Es waren alles kleine Fachwerkhäuser, und es durfte nicht riskiert werden, dass aus dem Feuer – in jeder Küche brannte ein Feuer zum Heizen und Kochen – Funken flogen und das Haus in Brand setzten. Noch dazu standen die Häuser sehr eng zusammen – das stehen sie auch heute noch –, und die Feuer griffen schnell über. Früher war es wahnsinnig schwierig, den Brandschutz zu gewährleisten; denn gelöscht wurde mit Eimern und Wasser.

 

Heute sind wir in einer ganz anderen Situation; denn wir haben die freiwilligen Feuerwehren, die im Brandfall löschen, bergen und schützen. Ich finde, man kann dieses Engagement nicht genug würdigen. Das tun wir oft, und das ist auch richtig so.

 

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Markus Meysner und Horst Klee (CDU))

 

Denn wir haben nur wenige Berufsfeuerwehren in Hessen, und ohne dieses Engagement wäre ein flächendeckender Brand- und Katastrophenschutz überhaupt nicht möglich. Diese Leute sind von existenzieller Bedeutung für uns in Hessen; denn so etwas wie früher, dass ganze Stadtteile abbrannten, passiert heute nicht mehr – zum Glück.

 

Wir wollen auch nicht darüber hinwegsehen, dass die Feuerwehren auch einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben leisten. Es gibt kein Dorf- oder Stadtfest, an dem die freiwilligen Feuerwehren nicht irgendwie beteiligt sind. Diese dauerhafte Einsatz- und Leistungsbereitschaft der Feuerwehrleute ist wirklich bewundernswert. Sie investieren viel Freizeit für Übung, für Ausbildung und für die Einsätze. Sie sind sogar dazu bereit, ihr eigenes Leben zu gefährden, um andere Menschen zu retten. Das alles ist keine Selbstverständlichkeit.

 

Jetzt ist die Frage: Warum tun Feuerwehrleute das eigentlich? Damit nähern wir uns auch der Frage, ob ein gesetzlicher Kündigungsschutz, so wie die SPD-Fraktion ihn vorschlägt, überhaupt notwendig und zielführend ist. Wenn ich mich einmal daran erinnere, wie das in meiner Jugend auf dem Land war: Diejenigen, die zur freiwilligen Feuerwehr gegangen sind, haben das nicht getan, weil sie vielleicht in Zukunft in ihrem Beruf einen besonderen Kündigungsschutz erwarten konnten. Sie hatten Spaß daran. Ich weiß noch, wie mein kleiner Bruder, stolz wie Bolle, das erste Mal einen Löschanzug anhatte, den Schlauch unterm Arm, und zu seinem ersten Übungseinsatz marschiert ist.

 

Das ist genau der Punkt. Das ist der Ursprung dieser Feuerwehrarbeit. Das gehört zum Gemeinwesen. Die jungen Leute machen schon mit, das ist auch Sport und Freiheit. Daraus wird dann diese sehr kompetente ehrenamtliche Arbeit in den Feuerwehren bei den aktiven Einsätzen.

 

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

 

Ein Kündigungsschutz als Bonbon, um sich dort zu engagieren, erscheint mir wirklich alles andere als zielführend. Wir haben die freistellenden Betriebe, die den Feuerwehrleuten ermöglichen, zu Einsätzen zu gehen, wenn die Einsätze während der normalen Arbeitszeiten stattfinden. Das forderte gerade von den kleinen und mittleren Betrieben eine ganz schön große Flexibilität. Auch deshalb sollten wir das würdigen.

 

(Beifall der Abg. Karin Müller (Kassel) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

 

Auf dem Land gibt es in manchen Gegenden nur einige wenige große Arbeitgeber. Das kann dazu führen, wenn ein Einsatz stattfindet, dass sie die Schicht herunterfahren müssen, dass sie einfach aufhören müssen, zu produzieren. Das tun die Firmen. Aber warum tun sie das denn? Weil sie genau wissen, wie wichtig die freiwilligen Feuerwehren sind; denn sie löschen im Brandfall z. B. auch Firmengebäude.

 

Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal dabei war, wenn so eine große Übung stattgefunden hat. Ich schaue mir das bei uns immer an.

 

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

 

Da rücken die Feuerwehren immer mit ihren Löschzügen und Rettungshubwagen an. Es ist absolut beeindruckend, wozu sie in der Lage sind: eine riesige Firma mit 600, 800 Angestellten zu schützen, dort zu löschen und verletzte Personen zu bergen. Die Firmen wissen das doch. Die Firmen wissen doch, wie wichtig diese Feuerwehren, die Feuerwehrleute, die Gerätschaften, die sie haben, für den Ernstfall sind. Das wissen sie zu schätzen, und das wissen sie auch zu würdigen. Deshalb sind sie auch dazu bereit, die Feuerwehrleute im Ernstfall freizustellen.

 

Ich fasse zusammen. Es gibt eine enge Zusammenarbeit und Verzahnung zwischen den ehrenamtlichen Feuerwehrleuten und den örtlichen Betrieben. Diese Zusammenarbeit, diese Partnerschaft beruht auf Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung. Mit einem besonderen Kündigungsschutz würden wir sehr einseitig in dieses Vertrauensverhältnis eingreifen und es nachhaltig verändern. Was würde denn passieren, wenn ein Arbeitgeber bei der Einstellung fragen würde: „Sind Sie bei der ehrenamtlichen Feuerwehr?“?

 

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

 

Blicken wir einmal zurück, als der besondere Kündigungsschutz für schwangere Frauen eingeführt wurde.

 

(Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD))

 

– Arbeitsrechtlich darf man das durchaus vergleichen. Das ist ein rein arbeitsrechtlicher Vergleich. – Die Frage ist: Muss dann der Bewerber oder die Bewerberin die Wahrheit sagen, oder nicht?

 

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

 

Es könnte dazu führen, dass wegen Nichteinstellung geklagt wird, weil der Feuerwehrmann oder die Feuerwehrfrau bei dem Bewerbungsgespräch gesagt hat: „Ich bin in der freiwilligen Feuerwehr und habe Anspruch auf einen besonderen Kündigungsschutz.“

 

(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

 

Er weiß nicht, warum das Unternehmen ihn vielleicht nicht eingestellt hat; er könnte dagegen klagen. Das wiederum könnte durch eine oder mehrere arbeitsgerichtliche Entscheidungen dazu führen, dass es auch hier ein Recht zur Lüge gibt, so wie das ganz berechtigt bei schwangeren Arbeitnehmerinnen der Fall ist.

 

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das gibt es! –Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

 

Wir sehen, da könnten arbeitsrechtlich große Schwierigkeiten und Prozesse auf uns zukommen.

 

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

 

Die gute Zusammenarbeit zwischen Feuerwehren und Arbeitgebern beruht, wie gesagt, auf Freiwilligkeit, Vertrauen und Wertschätzung. Das ist der richtige Weg, so wie es auch der Weg ist, den das Land Hessen in der gemeinsamen Erklärung beschreitet, die der Kollege Meysner vorhin schon beschrieben hat, nämlich die Erklärung „Gemeinsam für Hessen“ vom Landesfeuerwehrverband, von den Kommunalen Spitzenverbänden, den Arbeitgebern und dem Land, wo sie versuchen, gemeinsam mit konkreten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Feuerwehren genug Nachwuchs haben, dass die Betriebe weiterhin freistellen, dass aber die Betriebe bei Einsätzen so wenig Personal für den Einsatz freistellen müssen, wie es möglich ist. Mit dieser Vereinbarung und dem einmal jährlich stattfindenden runden Tisch, an dem ständig weiter an dieser guten Zusammenarbeit gearbeitet wird, gehen wir in Hessen den richtigen Weg.

 

Wir haben hier eine gute Partnerschaft zwischen den genannten Gruppen und Institutionen. Eine gute Partnerschaft beruht auf Vertrauen und nicht auf Zwang. Wir möchten, dass diese gute Partnerschaft so weitergeführt wird, wie sie im Moment schon ist.

 

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

 

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

 

Vielen Dank, Frau Kollegen Goldbach.