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20.04.2016

Sigrid Erfurth: Konsequenzen aus den „Panama Papers“ ziehen – Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit herstellen

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach meiner Wahrnehmung kann man mit Fug und Recht behaupten, die Veröffentlichung der Panama Papers durch ein weltweites Rechercheteam ist ein Musterbeispiel für gelungenen Journalismus.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Den vielen beteiligten Journalistinnen und Journalisten gebührt unser ausdrücklicher Dank. Es zeigt sich auch an diesem Punkt: In Zeiten von Twitter-Meldungen brauchen wir gründliche Recherche, auch wenn es nicht immer ein solch gigantischer Aufwand sein muss. Mit der Auswertung der Panama Papers, dem größten Datenleck der Geschichte, waren mehr als 100 Medienorganisationen rund ein Jahr lang beschäftigt, und das unter völliger Geheimhaltung. Auch das ist ein Wert an sich.
In Deutschland waren die Süddeutsche Zeitung, der WDR und der NDR beteiligt. Es waren international prominente Medien aus Großbritannien, Frankreich und den USA dabei. Es gab Medienpartner in Kolumbien, Brasilien, Südafrika, Jordanien, dem Senegal, Indien und Japan.
Das ist ein super Beispiel für eine gelungene internationale Zusammenarbeit, die größten Respekt verdient. Auslöser war eine kurze E-Mail an die Süddeutsche Zeitung. Am Ende wurde bekannt, dass die in Panama ansässige Kanzlei Mossack Fonseca in den letzten 38 Jahren offenbar so eine Art Fabrik war, in der wie am Fließband über 200.000 Briefkastenfirmen erstellt wurden. Es wurden mehr als 14.000 Anwälte, Banken und Treuhänder beraten. Zwölf amtierende oder ehemalige Staatschefs hatten Verbindungen in diese Kanzlei in Panama.
Die Briefkastenfirmen residierten und residieren nicht alle in Panama. Es gibt ganz prominente Standorte. Ich kann allen nur empfehlen, sich auf tagesschau.de dieses hübsche Beispiel anzuschauen, wo die Briefkastenfirmen überall sind, nämlich in mehr als 20 Ländern dieser Welt: British Virgin Islands, Bahamas, Nevada, auf den Seychellen, auf Zypern, auf Malta, auf Jersey – insgesamt, wie gesagt, in über 20 Ländern.
So groß dieser Fall auch erscheinen mag, er zeigt auch Zweierlei. Herr Warnecke, Sie haben es beschrieben: Es gibt viel Kreativität und kriminelle Energie, Einkommen und Vermögen der ganz normalen Besteuerung zu entziehen.
Aber es gibt auch, das ist die andere, erfreuliche Seite, einen zunehmenden öffentlichen Druck, Steuerehrlichkeit zu erzwingen. Es gibt auch den öffentlichen Druck, darauf hinzuwirken, dass Menschen steuerehrlich werden. Daran hatten mit Sicherheit die Veröffentlichungen der Steuer-CDs in der Vergangenheit ihren Anteil.
Steuerhinterziehung galt vor wenigen Jahren noch als eine Art Kavaliersdelikt, was man augenzwinkernd hingenommen hat. Der Steuerhinterzieher war etwas Besonderes. Er war besonders schlau. Man hat das nicht so sehr mit Kriminalität in Verbindung gebracht. Hier hat sich der Wind gedreht, das finde ich positiv. Inzwischen werden Steuertricksereien und Steuerbetrügereien als das empfunden, was sie sind, nämlich als verantwortungsloses Handeln gegenüber unserer Gesellschaft, die aus allgemeinen Steuermitteln Leistungen für unser aller Wohlstand und für den Rechtsstaat bezahlt. Da hat sich viel verändert, und das ist auch gut so.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)
Wer Steuerhinterziehung mit Briefkastenfirmen betreibt, kann also nicht mehr auf Verständnis hoffen, sondern muss sich durchaus mit öffentlicher Empörung auseinandersetzen, und er muss auch mit Konsequenzen rechnen. Von guten und nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen wird nicht nur erwartet, dass sie sich an Tarifverträge halten, dass sie gute und faire Arbeitsbedingungen zur Verfügung stellen, dass sie auch darauf achten, dass in der Vorlieferkette nichts Unrechtes passiert. Sie müssen heutzutage aber auch Steuern zahlen, und auch das ist eine gute Entwicklung. Das gilt nicht nur für Deutschland. Das ist auch ein Teil dieser Entwicklung.
Schauen wir einmal, was bereits passiert ist. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus richtig und wichtig, dass sich einiges in die richtige Richtung bewegt hat. Es ist nicht so, dass nichts passiert wäre. Auf der Berliner Steuerkonferenz im Oktober 2014 wurde als neuer Standard der neue automatische Informationsaustausch über Finanzkonten festgelegt. Fast 100 Staaten haben zugesagt, daran mitzuwirken. Das ist ein qualitativer Fortschritt an sich. Noch vor vielen Jahren galt Informationsaustausch als etwas, was es nie geben kann.
Von daher ist es ein Schritt in die richtige Richtung, aber längst nicht genug; denn Panama, über das wir alle reden, macht noch nicht mit. Der Präsident hat jetzt zumindest zugesagt, 2018 wolle man auch dabei sein. Das ist eine Ankündigung. Aber es müssen noch die anderen Steueroasen mitziehen, von denen ich eben gesprochen habe.
Es kommt hinzu: Der Druck muss bleiben, dass auch tatsächlich etwas passiert und dass Panama und andere bisherige Steueroasen dann auch am Informationsaustausch teilnehmen. Beim Treffen der G-20-Staaten wurde angekündigt: Wer nicht mitmacht, muss mit Abwehrmaßnahmen, sprich: mit Sanktionen, rechnen. Auch das ist ein richtiger Schritt, auch wenn er für meinen Geschmack durchaus schon viel früher hätte passieren können.
In unserem Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, haben wir Ihnen Schritte benannt, die auf internationaler Ebene zu gehen sind. Denn wir brauchen überregionale und grenzüberschreitende Mechanismen, da weltweit arbeitende Firmen nur dann ins Geflecht der Steuerzahlung eingebunden werden können, wenn man das grenzübergreifend tut. Deshalb brauchen wir ein weltweites Register, damit auch die wirtschaftlich begünstigten Personen hinter den Unternehmenskonstruktionen erkennbar werden und damit auch hier Finanzverwaltungen eingreifen können. Darauf hat Frau Arnoldt schon hingewiesen.
Das Register, das wir auf EU-Ebene beschlossen haben, ist auch sinnvoll, aber auch nur ein erster Schritt, bevor sich eine internationale Lösung durchsetzt. Von daher muss das aus unserer Sicht passieren.
Die internationalen Einrichtungen wie die EU und die OECD müssen beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht in Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen. Dazu gehört auch der Aktionsplan der OECD gegen die Aushöhlung der Steuerbasis und die Gewinnverlagerung. Die englische Abkürzung heißt BEPS. Dieser Aktionsplan muss mit Leben gefüllt werden. Das ist dringend erforderlich.
Herr Warnecke, Sie sprachen auch davon: Was ist mit den Banken, die – ich sage es einmal so – in die Steuerunehrlichkeit hinein beraten? Da gibt es häufig Probleme, dass das Fehlverhalten dieser einzelnen Mitarbeiter der Banken nicht sanktioniert werden kann, weil man ihnen kein persönliches Fehlverhalten nachweisen kann. Da muss etwas passieren, dass die Aufsichtsbehörden künftig die Unternehmen stärker zur Verantwortung ziehen können. Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Schritt.
Auch hier in Deutschland sollten wir durchaus tätig werden. Wir sollten bei den Verjährungsfristen dafür sorgen, dass Steuerhinterzieher nicht durch das Verschweigen von Auslandsbezügen künftig Straffreiheit erwirken können. Sprich, wir müssen die Anlaufhemmungen ausweiten, damit sich die Steuerhinterzieher nicht in Verjährungsfristen flüchten können.
Das sind alles Punkte, an denen wir arbeiten müssen, die wir Ihnen auch in unserem Antrag aufgeschrieben haben und die wir damit heute in die Debatte geben. Ich glaube, dass wir daran gemeinsam arbeiten müssen.
Ich war jetzt auf der internationalen Ebene, aber es ist durchaus so, dass wir in Hessen und vor Ort handeln müssen. Auch bei der Steuergerechtigkeit gilt der alte Satz: Wir denken global, aber wir handeln auch lokal.
Ich kann mich dem Dank von Frau Arnoldt an die hessische Steuerverwaltung nur anschließen. Wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht so konsequent arbeiten würden an dem, was jeden Tag zu besorgen ist, und nicht dafür sorgen würden, dass jeden Tag Steuern eingenommen werden, dann hätten wir diesen Standard nicht. Die Kolleginnen und Kollegen in der Steuerverwaltung machen da einen verdammt guten Job.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir sind in Hessen recht gut aufgestellt. Frau Arnoldt hat darauf hingewiesen: Bei den Einkommensmillionären liegt die Prüfdichte in Hessen deutlich über dem Mittelwert in den Bundesländern. Auch bei den aufkommensstarken Großbetrieben, also den großen Unternehmen und den Banken, haben wir gute Werte im Ländervergleich. Da haben wir Anschlussprüfungen, und da stehen wir, glaube ich, ganz gut da.
(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
– Ja, das ist auch eine Frage des Risikos. Da haben Sie durchaus recht, Herr van Ooyen. Aber da sind wir gut aufgestellt. Wir prüfen diese großen Unternehmen regelmäßig, und zwar viel öfter, als das in anderen Bundesländern der Fall ist.

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Kollegin Erfurth, kommen Sie bitte zum Schluss.

Sigrid Erfurth:

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. – Wir sind durchaus gut aufgestellt. Über den 5-Punkte-Plan der Landesregierung sind mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgebildet worden, damit wir in die Prüfung investieren können.
In diesem Sinne kann ich nur sagen: Wir alle sollten weiterhin daran arbeiten, dass Steuergerechtigkeit ein Thema bleibt. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass sie auch durchgesetzt wird. – Ich danke Ihnen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der FDP und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Vizepräsidentin Heike Habermann:

Vielen Dank.