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20.04.2016
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Vergabegesetz stärkt fairen Wettbewerb – Bund muss Finanzkontrolle Schwarzarbeit angemessen ausstatten und Mindestlohn kontrollieren

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es scheint hier so zu sein, als sei aus einer ursprünglich vor allem über die Frage, was wir mit unseren hessischen Gesetzen erreicht haben, angekündigte Debatte hier eine allgemeine Debatte über Grundsätze des Mindestlohns, der Wirtschaftspolitik, der Hartz-Gesetze usw. entstanden.
(Zuruf von der FDP)
Ich kann auch einiges dazu beitragen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Doch, ich habe den Antrag gelesen. Aber ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen und vielleicht einmal verbindend feststellen: Seien wir doch froh, dass die Einführung des Mindestlohns die befürchteten negativen Auswirkungen, die manche vorher gefürchtet haben, nicht hatte. Seien wir doch froh.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Nehmen wir das auch zur Kenntnis. Ich finde, dass es eine gute Nachricht ist, dass wir einen Mindestlohn in Deutschland seit 1. Januar 2015 haben und dass wir da keine negativen Auswirkungen hatten, sondern unterm Strich so viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wie noch nie, weniger Minijobs aber eben keinen Verlust an Arbeit, sondern unter dem Strich auch ein Plus an geleisteten Arbeitsstunden. Freuen wir uns doch einfach einmal auch über diese Tatsache.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will zweitens Folgendes hinzufügen: Ganz so einfach ist es natürlich nicht, Frau Kollegin Wissler, wenn man zurückschaut. Zur Wahrheit gehört auch, dass es auch Leute gab, die sich schon bei der Erarbeitung der Agenda 2010 Gedanken gemacht haben, ob man nicht gleichzeitig einen Mindestlohn einführen muss. Damals waren es mit die Gewerkschaften, die das verhindert haben. Ver.di war immer dafür.
(Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Nahrung-Genuss-Gaststätten war es auch. Aber IG Metall und IG Chemie waren strikt dagegen, weil sie Angst um die Tarifautonomie hatten. Das ist einer der Gründe, warum der Mindestlohn damals nicht gekommen ist. Diesen Fehler haben wir jetzt nachträglich korrigiert.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das gehört zur Wahrheit eben auch dazu. Und zur Wahrheit gehört auch, wenn man sozusagen an dieser Stelle recht hatte, dass die sonstigen wirtschaftspolitischen Vorstellungen, die Sie so äußern, nicht immer das Gelbe vom Ei sind. Sie werden ja in Frankreich seit ein paar Jahren jetzt durchgesetzt. Das Ergebnis ist nicht gerade überzeugend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sprechen also darüber, dass wir einen Mindestlohn haben und dass wir froh darüber sind, dass wir ihn haben. Wir sind auch froh, dass er keine negativen, sondern eher positive Auswirkungen hatte.
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
– An dieser Stelle danke für den Zwischenruf, Herr Kollege Schaus. – Sie müssen jetzt aufpassen, dass Sie das, was die FDP sozusagen immer noch vor sich herträgt, weil sie die positiven Auswirkungen gar nicht sehen wollen, nachträglich nicht noch legitimieren. Wir dürfen keinen Lohn haben, bei dem es am Ende heißt: „Darf es gern noch etwas mehr sein?“
(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))
Es gibt gute Gründe, warum es nach dem Vorbild der Low Pay Commission in Großbritannien eine Kommission gibt, wo sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeber vertreten sind und wo man das überprüfen kann.
(Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))
Natürlich wird man ihn anheben müssen, wenn sich die allgemeine Teuerungsrate und das Lohnniveau insgesamt verändert. Aber wenn man einen politischen Mindestlohn hat, der quasi nur noch im Parlament festgelegt wird, ohne die Frage zu klären, was er für Auswirkungen hat, dann wäre es falsch. Es ist gut, dass es eine solche Kommission gibt, die sich fachlich mit dieser Frage beschäftigt.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber wir müssen natürlich auch zusehen, dass der Mindestlohn durchgesetzt wird. Jetzt kommen wir einmal zu dem Punkt, der auch in dem Antrag enthalten ist und die Frage betrifft, was eigentlich auf hessischen Baustellen los ist. Es gibt einen enormen Preisdruck. Das gilt insbesondere nicht nur für die öffentlichen Baustellen. Das gilt vor allem für die Baustellen von privaten Bauherren. Ich will ausdrücklich sagen, dass dieser Preiskampf nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgetragen werden kann und dass wir ein Interesse daran haben, dass die Einhaltung des Mindestlohns bzw. des Tarifs, der teilweise auf Baustellen auch gilt – Stichwort Entsendegesetz –, auch durchgesetzt wird.
Der Kollege Decker hat ja eine Neuerung hier in die parlamentarische Debatte eingeführt; er hat nämlich schon eine zweite Runde angekündigt, bevor ich den ersten Ton gesagt habe, was eigentlich, wie ich die Geschäftsordnung verstanden habe, eine Reaktion auf die Regierung sein sollte – aber: geschenkt. Frau Barth, deswegen sage ich sozusagen präventiv: Wir wären ganz falsch beraten, wenn wir jetzt neben der eigentlich zuständigen Bundeszollverwaltung und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit eine zweite Landesstruktur einführen würden. Das wäre aus meiner Sicht ganz falsch, und das würde für zusätzliche Bürokratie und ein zusätzliches Durcheinander sorgen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen alle gemeinsam dafür kämpfen, dass der Zoll seiner Verantwortung nachkommt und dass die Kontrollen durchgeführt werden, von denen, die dafür zuständig sind und die übrigens auch polizeiliche Befugnisse haben, die eine Landesbehörde niemals haben könnte. Auch das ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen.
(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))
Ich will deshalb ausdrücklich sagen: Ja, wir sind dafür, dass dort die Zuständigen dafür sorgen, dass die Regeln eingehalten werden. Ich bin ausdrücklich dafür, dass der Bund an dieser Stelle seiner Verantwortung nachkommt. Ich fände es aber ganz falsch, wenn wir an dieser Stelle die Zuständigkeiten für die Umsetzung der Gesetze vermischen würden. Das führt am Ende dazu, dass wir eher weniger anstatt mehr Durchsetzungsfähigkeit haben.
(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))
Ein Punkt, weil er auch immer wieder genannt wird – auch das sozusagen präventiv, Frau Barth –: Alle Bundesländer machen das so, bis auf eines. Das ist Hamburg. Ich habe mich in dieser Frage einmal mit der Sache beschäftigt und habe eine Kleine Anfrage an den Senat der Freien und Hansestadt Hamburg gefunden. Das sind die aktuellsten Zahlen, die wir gefunden haben: 2012 haben sage und schreibe 448 Kontrollen stattgefunden, übrigens mit dem Ergebnis: kein einziger Verstoß. Ich komme am Ende zu dem Schluss: Ob das wirklich so wirksam ist, daran mache ich einmal ein großes Fragezeichen.
Ich will einen weiteren Punkt nennen, der mir wichtig ist – Stichwort: Durchsetzung dessen, was wir beschlossen haben. Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz ist gut. Das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz sorgt dafür, dass am Ende auch umgesetzt wird. Wir haben dort Kontrollmöglichkeiten – die Kontrollmöglichkeiten des Auftraggebers, der das Recht hat, sich alles vorlegen zu lassen vom Auftragnehmer. Wir haben die VOB-Stellen, die bewährt sind.
Übrigens: Aus meiner Sicht ist der beste Kontrolleur immer noch der Konkurrent; der schaut nämlich im Zweifel genau, was der andere macht, wie der andere vielleicht zum Zuschlag gekommen ist und ob der andere vielleicht unlautere Mittel eingesetzt hat. Da will ich auch ausdrücklich sagen, dass ich die Menschen ermutige, sich an die zuständigen Stellen zu wenden, wenn Sie einen solchen Verdacht haben.
Frau Barth, es gibt auch bei der Personalausstattung bezüglich der VOB-Stellen kein Problem, weil wir keinen Stau unerledigter Punkte haben, sondern wir erleben zeitnah ein abarbeiten an dieser Stelle. Wenn wir zu wenig Personal hätten, müsste es einen Stau unerledigter Fälle geben. Das gibt es nicht. An dieser Stelle gibt es keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.
Wo wir Handlungsbedarf haben – das ist auf jeden Fall so –, ist bei der Frage, wie wir Menschen in die Lage versetzen, ihre Rechte wahrzunehmen. An dieser Stelle – Herr Kollege Bocklet hat es angesprochen –, will ich ausdrücklich sagen, es war richtig, dass die Landesregierung durch das Sozialministerium die faire Mobilität, die Beratungsstellen, gefördert hat, die sich gerade an diejenigen Arbeiter, die auf den Baustellen arbeiten, in der Landessprache wenden. Wir haben in Hessen jetzt Ansprechpartner, die das in den Muttersprachen polnisch, rumänisch und bulgarisch machen.
Manchmal geht es nämlich schlicht darum: nicht neue Rechte zu schaffen, sondern dafür zu sorgen, dass die Menschen von ihren Rechten erfahren, und ihnen dann dabei zu helfen, sie durchzusetzen. An dieser Stelle sind wir auf einem guten Weg.
Ich glaube, dass wir dazu beitragen können, wenn wir nicht nur die Debatten von vor zehn Jahren führen, sondern uns auch über die Frage Gedanken machen, wie es in der Zukunft möglich ist, dass wir faire Bedingungen sowohl auf dem Arbeitsmarkt insgesamt als auch ganz besonders im Bausektor durchsetzen können. Ich glaube, dass wir mit unserem Vergabe- und Tariftreuegesetz dazu beigetragen haben, dass wir auch an dieser Stelle die Bedingungen verbessern können. Wenn wir das in zwei Jahren evaluieren, da bin ich sicher, werden das auch diejenigen so sehen, die vor einem Jahr noch dagegen gestimmt haben. – Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herr Minister, herzlichen Dank.

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