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10.03.2016
Portraitfoto von Tarek Al-Wazir vor grauem Hintergrund

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung: Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Frankfurt weiterentwickeln

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Rentsch, ich habe letzten Samstag in der „FAZ“ ein Interview mit Ihnen gelesen, wo Sie verlangen, dass sich die Regierung dringend zur Sache äußert. Genau das tue ich jetzt. Ich glaube, das kann der Debatte nur guttun.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will ausdrücklich sagen, dass uns als Landesregierung der Finanzplatz sehr wichtig ist, unter anderem auch deshalb, weil es dort um die Arbeitsplätze von sehr vielen Beschäftigten geht, die für die Wirtschaftskraft des Rhein-Main-Gebiets und den Wohlstand sehr wichtig sind.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Rentsch, ich habe dort an manchen Punkten auch auf gute Vorarbeit von Ihnen zurückgreifen können. Ich erinnere an die Frage, ob es uns gelingt, den Offshore-Renminbi-Hub nach Frankfurt zu bekommen. Da konnte ich anknüpfen, das haben wir gemacht.
Wir haben aber auch neue Akzente gesetzt, Stichwort: Regulierung. Es ist uns gelungen, die operative Einheit der GLEIF hier anzusiedeln, also der Global Legal Entity Identifier Foundation. Wir haben beispielsweise neue LOEWE-Projekte fortführen können, Stichwort: SAFE am House of Finance, um uns Gedanken zu machen über die Zukunft des Finanzplatzes und auf neue Punkte geantwortet, Stichwort: Fintech-Initiative. – Das heißt, wir arbeiten daran, dass der Finanzplatz seine Rolle erhält und nach Möglichkeit stärker wird.
Aber – das ist der Anlass für die heutige Debatte – der Finanzplatz Frankfurt steht wieder einmal vor wichtigen Weichenstellungen. Der bekannt gewordene Plan – deswegen debattieren wir heute – eines beabsichtigten Zusammenschlusses der Deutschen Börse AG und der London Stock Exchange ist eine wichtige Frage, die momentan auf der Tagesordnung steht und wo wir sachgerechte Antworten finden müssen.
Deswegen zuallererst eine Feststellung. Ich stelle fest, dass die Verhandlungen zwischen der Deutschen Börse und der Londoner Börse für einen Zusammenschluss, soweit wir wissen, noch nicht abgeschlossen sind. Einige zentrale Eckpunkte sind zwar schon bekannt. Für eine Bewertung fehlen aber noch viele wesentliche Einzelheiten.
Öffentlich mitgeteilt wurde bisher insbesondere, dass beabsichtigt ist, eine gemeinsame Holdinggesellschaft zu gründen und dass diese ihren Sitz wohl in London haben soll. Diese Holding soll den Aktionären der London Stock Exchange und der Deutschen Börse AG ein Übernahmeangebot für die Aktien der beiden Unternehmen im Tausch gegen eigene Aktien der Holding unterbreiten. Wenn das Übernahmeangebot durch die Aktionäre beider Unternehmen angenommen würde, dann würden die LSE und die Deutsche Börse zu Tochterunternehmen der Londoner Holdinggesellschaft.
Genau diesen Schritt hat das hessische Wirtschaftsministerium als die zuständige Börsenaufsichtsbehörde über die Börsenträger in Frankfurt zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen. Nach § 6 des Börsengesetzes kann es untersagt werden, dass ein Dritter 10 Prozent des Stimmrechts des Börsenträgers oder mehr erwirbt – ich zitiere aus dem Gesetz – „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass 1. [der Erwerber] … nicht zuverlässig ist …“ oder, das ist hier der Fall, „2. die Durchführung und angemessene Fortentwicklung des Börsenbetriebs beeinträchtigt wird.“ Das ist unsere Aufgabe.
Es handelt sich also um eine Prognoseentscheidung. Das bedeutet, wir werden die zu erwartenden Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Entwicklungen der Börsen in Frankfurt zu prüfen haben. Konkret ist zu prüfen, ob die Börsenträgergesellschaft, die Deutsche Börse AG, auch wenn sie unter der Leitung einer neuen Holdinggesellschaft in London steht, ihren Aufgaben und Pflichten nach dem Börsengesetz noch nachkommen kann, sodass sich die Frankfurter Wertpapierbörse entwickeln kann. Ich will ausdrücklich hinzufügen: Auch die Eurex Frankfurt AG muss ihre Pflichten zum Betrieb und zur Entwicklung der wichtigsten Derivate-Börse Europas, der Eurex Frankfurt, nachkommen können.
Dabei ist auch zu prüfen, was es heißt, dass die neue Holding eine Vielzahl von Handelsplattformen und Nachhandelseinrichtungen betreibt und diesen Ressourcen und damit Entwicklungschancen zuteilt.
Zu untersuchen ist dabei auch, welche Bedeutung es haben kann, dass nach den bisher bekannt gewordenen Plänen die neue Holding ihren Sitz in London haben soll, wo auch einige andere Einrichtungen des Gesamtkonzerns betrieben werden. Natürlich wird auch zu untersuchen sein, ob Aufsichtsrechte durch diese Holdingkonstruktion eingeschränkt werden.
Die Maxime ist der Wortlaut des Gesetzes. Wir haben zu prüfen, ob die Durchführung und eine angemessene Fortentwicklung des Börsenbetriebs möglich sind.
Ich will hinzufügen, dass jede Entscheidung der Börsenaufsicht, wenn wir eine Entscheidung treffen sollten, ein Verwaltungsakt ist. Gegen einen solchen Verwaltungsakt sind natürlich auch Rechtsmittel zulässig.
(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))
Im Zweifel stellen sich dann auch Haftungsfragen. Wir haben in der Frage Verwaltungsakte und eventuelle Haftungsfragen in einer anderen Angelegenheit durchaus muntere Debatten im Hessischen Landtag gehabt.
Deswegen – Herr Kollege Rentsch, ich bin sicher, wenn Sie noch in Verantwortung wären, würden Sie nicht anders handeln – werden Sie von der hessischen Börsenaufsicht keine Vorfestlegungen zu hören bekommen, sondern wir prüfen nach Recht und Gesetz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden natürlich externen juristischen Sachverstand beiziehen. Wir werden aber auch für die Prognoseentscheidung wissenschaftlichen Sachverstand beiziehen, damit wir eine sachgerechte Entscheidung treffen können. Dann werden wir nach bestem Wissen und Gewissen genau diese sachgerechte Entscheidung treffen. Ich bin sicher, dass das dann die Unterstützung des ganzen Hauses finden wird. – Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Wolfgang Greilich:
Vielen Dank, Herr Minister Al-Wazir.

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