Inhalt

03.02.2016
Portraitfoto von Daniel May vor grauem Hintergrund.

Daniel May: Zukunft der Hauptschule in Hessen

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, liebe Frau Geis, zuerst einmal: Ich finde es gut, dass Sie das Thema Hauptschule auf die Tagesordnung gesetzt haben und mit einer Großen Anfrage einige statistische Daten zur Hauptschule und zu dem, was sie erreicht, hier eingebracht haben. Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, Sie hätten sich der Großen Anfrage noch ein bisschen mehr gewidmet, als Sie das ohnehin getan haben. Aber ich verstehe, dass es natürlich verlockend ist, von dieser Stelle aus auch ein paar allgemeine Ausführungen zur Schulpolitik zu machen.

Ich möchte auf die Zahlenangaben der Großen Anfrage eingehen. In der Tat ist es so, dass die Zahlen, die wir zum Bildungsgang Hauptschule vorliegen haben, auf niedrigem Niveau rückläufig sind; es waren 12.035 Schüler im Schuljahr 2013/2014, die von der Grundschule direkt in den Hauptschulbildungsgang übergewechselt sind. Das ist eine geringe Anzahl. Der Wechsel von anderen Schulformen auf die Hauptschule ist im Vergleich wesentlich umfangreicher. Ich komme im weiteren Verlauf meiner Rede noch einmal darauf zurück.

Was mich an Ihren Ausführungen nicht gänzlich überzeugt hat, ist der Anteil, den Sie bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund angenommen haben. Der Mikrozensus 2013 spricht in der Altersklasse der Schüler bis zehn Jahre von 47,1 Prozent der Gesamtbevölkerung in dieser Alterskohorte, die einen Migrationshintergrund haben. Diesen Anteil bei 24 Prozent zu sehen – da müssten Sie, glaube ich, noch einmal schauen, ob da dieselbe Definition für den Migrationshintergrund zugrundeliegt; der Mikrozensus geht nämlich schon für die Gesamtbevölkerung von 27,8 Prozent aus, und es ist ja bekannt, dass der Anteil mit Migrationshintergrund in den höheren Altersklassen wesentlich geringer ist. Ich glaube, dass Sie da noch einmal das statistische Material überprüfen und das noch einmal neu bewerten sollten.

Insgesamt haben wir bei den Hauptschülerinnen und Hauptschülern einen nicht zufriedenstellenden Befund, was die Anzahl der Abgängerinnen und Abgänger ohne Schulabschluss angeht. Dort würden wir uns in der Tat wünschen, dass wir erreichen würden, noch mehr Schülerinnen und Schüler direkt zum Schulabschluss zu führen, ohne dass sie in ein Übergangssystem an den beruflichen Schulen wechseln müssen, auch vollkommen unabhängig, ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Dort gibt es keine Auffälligkeiten. Ich denke, dort müssen wir besser werden, damit möglichst wenige Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss unser Schulsystem verlassen. Ich denke, das sollte unser aller Anspruch sein.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

An dieser Stelle muss man natürlich auch die Frage stellen, ob die ursprünglich gedachte Funktion der Hauptschule noch in befriedigendem Maße erreicht wird. Ein kurzer Exkurs dazu: Die Hauptschule wurde ja nach dem Hamburger Abkommen sozusagen als Ersatz für die Volksschule bzw. die Oberschule eingeführt und sollte sozusagen als die spezialisierte Schule, die den direkten Übergang in die duale Berufsausbildung ermöglicht, eingesetzt werden.

Sie hatte ein spezielles pädagogisches Konzept, an dem vieles – wie ich sagen würde – sehr gut ist, beispielsweise dass man den Unterricht handlungsorientiert aufbauen soll, dass man eine klare Berufsorientierung, eine Lebensweltorientierung im Unterricht einbeziehen soll. All das sind Punkte, die nachher in anderen Schulformen übernommen wurden und dort als Reformpädagogik gewertet wurden. Das zeigt, dass die Hauptschule an sich eine sehr gute Zielsetzung hat.

Gleichwohl können wir sehen, dass das primäre Ziel, den direkten Übergang in die Berufsausbildung zu ermöglichen, jetzt nicht mehr in dem gewünschten Maße erreicht wird, wenn wir beachten, dass insgesamt nur 1.131 Schülerinnen und Schüler von 6.070 Schülerinnen und Schülern mit Hauptschulabschluss und 6.919 Schülerinnen und Schülern mit qualifizierendem Hauptschulabschluss direkt in die Berufsausbildung wechseln.

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Allerdings muss man fairer Weise dazusagen, dass der Trend eben ein anderer ist. Wir haben hier schon öfter besprochen, dass wir einen sehr bedauerlichen Trend weg von dualer Berufsausbildung hin zu schulischen Vollausbildungen bzw. später zum Studium haben und dass die berufliche Bildung ein gewisses Akzeptanzproblem hat. Das setzt sich natürlich an dieser Stelle fort.

Aber ich glaube, uns muss klar sein: Wenn wir über die Hauptschule reden, müssen wir auch über dieses Ziel des direkten Übergangs in die Berufsqualifizierung reden, weil das letztendlich die Funktion war, die dieser Schule zugewiesen wurde. Das würden letztendlich auch die Eltern verlangen, wenn sie für Ihre Kinder einen Wechsel an diese Schule wollten. Dass Sie das nicht mehr in dem Maße tun, wie das einmal war, ist durch die Eingangszahlen schon klar geworden. Die Hauptschule sieht sich dadurch großen Problemen gegenüber.

Man hat versucht, darauf zu reagieren, auch in jüngster Zeit: durch kleinere Lerngruppen, Schulsozialarbeit, noch stärkere Berufsorientierung, Klassenlehrerprinzip usw. Trotzdem hat das nicht zu einer Trendumkehr an der Hauptschule geführt. Vielmehr ist das Anwahlverfahren der Eltern nun einmal so, wie ich es gerade beschrieben habe: dass nur ein sehr kleiner Teil sich eingangs zum Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule für die Hauptschule entscheidet.

Ein anderer Punkt, den ich schon erwähnt habe, ist auch problembehaftet: dass der Hauptteil der Schülerinnen und Schüler, die an einer Hauptschule sind, nicht von vornherein dorthin wollte, sondern im Lauf des Schullebens dorthin gekommen ist, meistens nicht freiwillig – das muss man auch dazusagen –, was für die Motivation der Schülerinnen und Schüler zuerst einmal nicht gerade hilfreich ist.

Leider ist es auch so, dass die Schülerinnen und Schüler selbst ihre Mitgliedschaft in der Hauptschule als problematisch erkennen und sich Hauptschullehrerinnen und Hauptschullehrer daher sehr großen Problemen in ihren Klassen gegenüber sehen, die wir mit verschiedenen Maßnahmen anzupacken versucht haben, die aber dazu geführt haben, dass die Akzeptanz der Hauptschule weiter zurückgegangen ist und dass mit der Hautschule vor allen Dingen diese Probleme, die es dort gibt, verbunden werden.

Ich habe gesagt, dass Hauptschule an sich einen sehr positiven Impuls gibt und sehr viele positive Aspekte in das Schulsystem eingebracht hat – sei es die Berufsorientierung, sei es der handlungsorientierte Unterricht, sei es stark praxisbezogener Unterricht, der eine Alternative zur rein akademischen Ausrichtung von Schule darstellen sollte, wie sie am Gymnasium stattfindet, und damit ein Angebot für die Schülerinnen und Schüler bieten wollte, denen das akademische Angebot nicht zusagt, und ein faires Angebot für den gesellschaftlichen Aufstieg an diejenigen machen wollte, die berufsorientiert sind.

Wenn wir über die Akzeptanz von Hauptschule reden, ist das, glaube ich, das, was wir den Eltern und der Gesellschaft als Alternative darstellen müssen, wenn wir über die Reform von Schule reden: Wie schaffen wir es, diese positiven Aspekte, die mit Hauptschule verbunden waren, unterzubringen? Wie schaffen wir es, dass wir die Probleme bewältigen, die es hinsichtlich der Akzeptanz bei den Eltern gibt?

Ich glaube nämlich, wir sollten uns davor hüten, Hauptschule an sich zu diskreditieren. Wir sollten vielmehr genau differenzieren und dort einen Blick darauf werfen, wie es zu dieser Entwicklung gekommen ist. Es sind gesellschaftliche Prozesse gewesen, die zu diesen Akzeptanzproblemen geführt haben. Ich glaube aber: Wenn der Bildungsgipfel einheitlich festhält, so etwas wie Berufsorientierung soll auch im Gymnasium stattfinden, das ursprünglich ein ganz andere Aufgabe hatte, zeigt das doch, dass viele Konzepte, die in der Hauptschule entwickelt wurden, längst in der Gesellschaft angekommen sind und dass wir diese positiven Aspekte bei zukünftigen Schulreformen auf jeden Fall mit berücksichtigen sollten.

Da brauchen wir keine Grundsatzentscheidungen, sondern pragmatische an den Ansprüchen der Eltern orientierte Lösungen, die auch das Angebot ermöglichen, das ursprünglich mit der Hauptschule gewährleistet werden sollte; das brauchen wir nämlich für unsere Schülerinnen und Schüler. Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsident Frank Lortz:

Vielen Dank.

Kontakt

Zum Thema