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24.11.2015

Sigrid Erfurth: Hessisches Gleichberechtigungsgesetz

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat hatten wir in diesem Plenarsaal eine sehr wichtige und sehr spannende Anhörung zu beiden Gesetzentwürfen. Ich habe allen Anzuhörenden und Sachverständigen wirklich sehr intensiv zugehört.
Diese Anhörung hat eine sehr große Spannbreite gezeigt. Die Äußerungen waren sehr unterschiedlich. Es gab Stimmen, die eine Neuregelung für völlig entbehrlich hielten. So hat z. B. der Vertreter der Sparkassen die Auffassung vorgetragen, es könnte seitens der Sparkassen nur zusätzliche Belastungen geben, wenn das Hessische Gleichberechtigungsgesetz jetzt so umgesetzt und plötzlich auch für die Sparkassen gelten würde.
Ich teile diese Befürchtungen ausdrücklich nicht – denn auch Frauen sind Kundinnen bei den Sparkassen, und auch Frauen möchten in den Führungsetagen nicht nur auf Männer treffen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Auch die Vertreterinnen und Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände haben sich nicht gerade als glühende Verehrerinnen und Verehrer eines neuen Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes geoutet. Die hätten es am liebsten, es bliebe alles beim Alten. Sie haben gesagt: Na ja, wenn es unbedingt sein muss, dann gerade noch so, wie es im Entwurf der Regierungsfraktionen steht, aber bitte nicht mehr. – Auch das war ein O-Ton aus dieser Anhörung.
Es gab natürlich auch eine ganze Reihe von Anzuhörenden, denen unterschiedliche Aspekte im schwarz-grünen Entwurf nicht weit genug gingen. Auch das liegt in der Natur der Sache. Denn das Hessische Gleichberechtigungsgesetz setzt Normen für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern für alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung.
Es liegt auf der Hand, dass die Frauenbeauftragten in den Kommunen das etwas anders sehen bzw. einen anderen Fokus legen als Frauenbeauftragte in Hochschulen, als Frauenbeauftragte in Ministerien oder auch Frauenbeauftragte in größeren und kleineren Behörden. Deshalb gibt es nicht die eine Meinung und auch nicht den einen Punkt, den alle gern gemeinsam anders geregelt hätten. Es gab durchaus unterschiedliche Gewichtungen zu einigen Bereichen. Das will ich nicht verhehlen.
Liebe Kollegin Schott, Mühe und Herzblut haben wir sehr viel investiert, indem wir nämlich diesen Gesetzentwurf erarbeitet und Ihnen vorgelegt haben. Wir haben schließlich nicht im luftleeren Raum begonnen. Zu diesem Gesetzentwurf gab es viele und umfangreiche Vorarbeiten. Wir haben die Anhörung ausgewertet, die es zu diesem Gesetzentwurf gab. Wir haben das ausgewertet, das die Kollegen der SPD in der vergangenen Legislaturperiode eingebracht haben. Das haben wir uns sehr genau angeschaut. Ferner haben wir im Vorfeld mit Vereinen und Verbänden Fachgespräche geführt. Diese Gespräche haben wir sehr sorgfältig geführt, um auszuloten: Wo liegen die Probleme, die die Vereine und Verbände sehen? An welchen Stellschrauben sollten wir nach Auffassung der Vereine und Verbände drehen?
Dann haben wir uns entschieden, Ihnen den Gesetzentwurf vorzulegen, den wir heute in zweiter Lesung beraten. Ich kann Ihnen nach der Auswertung der Anhörung sagen, dass wir ziemlich gut lagen mit dem, was wir Ihnen vorgelegt haben. Wir haben uns vorgenommen – dabei haben wir einen sehr klaren Kompass –, die Rechte der Frauenbeauftragten zu stärken. Genau das machen wir, meine Damen und Herren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Wir stärken die Rechte der Frauenbeauftragten. Ferner wird ein Klagerecht für Frauenbeauftragte eingeführt. Das ist ein Riesenschritt. Wir sind das erste westdeutsche Flächenland, in dem es ein solches Klagerecht geben wird. Auf der einen Seite sind die Befürchtungen riesengroß, es käme zu einer Klageflut, und die Rechtspflege in den Verwaltungen würde eingestellt. Auf der anderen Seite treten Teile der Frauenverbände für eine Ausweitung des Klagerechts ein. Das haben wir in dem Antrag gelesen, den die LINKEN eingebracht haben.
Allerdings treten nur Teile der Frauenverbände für eine Ausweitung des Klagerechts ein. Das tun längst nicht alle.
Ich denke, wir liegen mit unserem Vorschlag sehr richtig, ein Organklagerecht zu ermöglichen, damit Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte auch dann, wenn alle Versuche scheitern, sich gütlich zu einigen, ein Mittel in der Hand haben, um zu sagen: bis hierher und nicht weiter.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Ferner schaffen wir Rechtssicherheit für Frauenbeauftragte, indem wir die Freistellung präziser fassen, indem wir eine Freistellung von 25 Prozent bereits ab 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorschreiben wollen. Ferner wollen wir ermöglichen, bei großen Dienststellen mit mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weitere Stellenanteile freizustellen. Auch das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Recht.
Wir schaffen ein Initiativrecht für Frauenbeauftragte. Wir ermöglichen es den Frauenbeauftragten, sich direkt ans Ministerium zu wenden. An dieser Stelle haben viele Frauenverbände den Wunsch geäußert, eine zentrale Stelle zu schaffen, an die man sich wenden kann. Diesen Wunsch kannten wir schon aus den zuvor geführten Gesprächen. Dieser Wunsch wurde schon vorher an uns herangetragen. Wir haben sehr lange zusammengesessen und überlegt: Wie geht das? Wie geht das zusammen? Kann man eine solche Stelle schaffen?
Wir haben gemerkt, dass das schlicht nicht finanzierbar ist. Dieser Wunsch ist zwar verständlich, aber schlicht nicht finanzierbar. Deshalb haben wir uns für einen praktischen und gangbaren Weg entschieden. Wir haben uns dafür entschieden, dass das Anliegen der kommunalen Frauenbeauftragten aufgegriffen wird, dass man sich an das Sozialministerium wenden kann, um dort Fragen zu klären. Damit haben wir ein wichtiges Anliegen der kommunalen Frauenbeauftragten aufgegriffen und dennoch den Landeshaushalt nicht weiter belastet. Ich finde, das ist ein sehr praktischer Weg, mit einem berechtigten Anliegen umzugehen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Bei einigen Punkten haben uns Anzuhörende möglicherweise missverstanden. Auch bei Ihnen ist das gerade wieder durchgeklungen, Frau Schott. Es ist nicht so, dass Frauenbeauftragte, die zu weniger als 100 Prozent arbeiten, auf die Nachzeichnung ihres beruflichen Werdegangs verzichten müssen. Das steht auch nicht so im Gesetzentwurf. Ich denke, in der praktischen Anwendung wird sich das eine oder andere noch glätten, was möglicherweise von dem einen oder anderen Anzuhörenden missverstanden worden ist. Ich will dabei jedoch nicht alle über einen Kamm scheren, weil das wirklich eine sehr unterschiedliche Gemengelage war. Ich denke, das sind Auslegungsfragen, die sich in der Praxis klären werden.
Ich will eine weitere Frage aufgreifen, die von vielen in der Anhörung thematisiert worden ist. Dies betrifft den Geltungsbereich des HGlG in privatisierten Unternehmen. Auch hierüber haben wir im Vorfeld sehr lange und sehr intensiv gesprochen. Was ist der richtige Weg, um in privatisierten Unternehmen das HGlG ein Stück weit zur Anwendung zu bringen? Wir haben uns dafür entschieden, dass die Kommunen entsprechend ihres Beteiligungsanteils dafür sorgen müssen, dass in dem privatisierten Unternehmen die Grundsätze des HGlG zur Anwendung kommen. Sie sagen, das reiche nicht. Wir sagen, dass das der richtige Weg ist, ohne die Regelungen überzustrapazieren. Damit können wir die Tür ein Stück weit öffnen, um die Vorgaben des HGlG auch in privatisierten Unternehmen umsetzen zu können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)
Abschließend möchte ich sagen, dass wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der für die Gleichberechtigung im öffentlichen Dienst und für die Beseitigung der Diskriminierung wegweisend sein wird und der die Kultur in den Dienststellen verändern wird. Ich bin sehr gespannt auf den ersten Umsetzungsbericht, sodass wir sehen können, wie es weitergeht.
Daher danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

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