Inhalt

24.09.2015

Sigrid Erfurth: Gleichberechtigungsgesetz

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn ein paar Zahlen aus dem Bericht zitieren. Es sind Zahlen aus dem letzten Berichtsjahr 2012. Der Frauenanteil im Landesdienst betrug insgesamt 54,5 Prozent. Die Zahl der Auszubildenden – obwohl durchaus rückläufig, das war nicht versteckt und konnte genau nachgelesen werden – betrug immerhin 60 Prozent, also über der Hälfte der Auszubildenden. Im höheren Landesdienst haben wir mit 59,1 Prozent eine sehr hohe Ausbildungsquote bei den Frauen. Bei den Arbeitnehmerinnen sind es im höheren Dienst 56,7 Prozent.

Das zeigt, dass Frauen in der Regel gut ausgebildet sind, hoch motiviert und auch in den Landesdienst eintreten wollen. Ich finde, das ist zunächst einmal eine Zahl, bei der man sagen kann: Auf den ersten Blick okay, gut, dass Frauen sich interessieren und nicht zu Hause bleiben wollen. Wenn man oberflächlich wäre, könnte man auch sagen: Frauen, regt euch nicht auf, es ist doch alles gut, ihr habt doch die Hälfte der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst.

Aber – auch darauf haben alle hingewiesen, und das ist auch richtig so – wer sich vertiefter mit den Daten beschäftigt stellt rasch fest, dieser oberflächliche Blick trügt, die alte Gleichung der Frauenpolitik stimmt nach wie vor. Diese alte Gleichung hat schon immer gelautet: Je höher das Amt, je besser die Bezahlung, desto weniger Frauen. – Diese Gleichung stimmt, das hat der Sozialminister vorgetragen, es steht so auch im Vorwort. Darauf haben alle meine Vorrednerinnen und Vorredner hingewiesen. Es ist noch immer so: Frauen in Führungs- und Leitungspositionen sind deutlich unterrepräsentiert. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Wir wissen, dass wir daran arbeiten müssen, Frau Alex.

(Beifall der Abg. Ulrike Alex (SPD))

Genau das ist der Punkt, warum wir an diesem Punkt im neuen Gleichberechtigungsgesetz sehr intensiv gearbeitet haben. Das Gesetz, was die Koalitionsfraktionen Ihnen vorgelegt haben, hat auch genau dies im Fokus: Wir müssen daran arbeiten, dass sich der Frauenanteil in Führungs- und Leitungspositionen ändert. Genau da gebe ich Herrn Rock auch recht: Wir können gesetzliche Rahmenbedingungen setzen, wir können versuchen, einen Rechtsrahmen zu schaffen, aber wir ändern mit Gesetzen keine gesellschaftliche Wirklichkeit.

Deshalb müssen wir versuchen, an einem Rahmen zu arbeiten, und diesen Rahmen versucht das neue in Beratungen befindliche Hessische Gleichberechtigungsgesetz zu setzen. Wir haben in § 4 ein neues Leitprinzip formuliert – man könnte auch „Leitbild“ sagen –, was wir künftig in der hessischen Verwaltung für alle Adressaten dieses Gesetzes formulieren. Wir wollen nämlich darauf hinwirken, dass sich Führungskräfte ihrer Aufgabe bewusst sind, für Chancengleichheit von Männern und Frauen zu sorgen. Das ist ein genau so wichtiges Prinzip wie darauf hinzuarbeiten, dass Arbeit erledigt wird. Sie müssen sich auch darum kümmern, dass Chancengleichheit von Männern und Frauen gewährleistet wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das klingt erst einmal nach einem hehren Ziel. Aber wir haben aus unterlegt: Es gibt nämlich die Pflicht, Frauen besonders für Führungs- und Leitungspositionen zu qualifizieren. Es gibt in diesem Gesetzentwurf die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass Frauen motiviert werden, solche Fortbildungsmaßnahmen wahrzunehmen, dass diese überhaupt angeboten werden und – Frau Kollegin Ravensburg hat darauf hingewiesen – dass sie beispielsweise als Inhouseseminare angeboten werden, um es Frauen und Männern mit Familienaufgaben zu ermöglichen, diese Führungsqualifikationen zu erreichen. Man braucht diesen Unterbau, dann kann sich tatsächlich auch der Anteil von Führungskräften erhöhen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

So gibt es z. B. in dem vorgelegten Gesetzentwurf die Verpflichtung, bei Ausschreibungen darauf hinzuwirken, dass alle Stellen in Teilzeit besetzt werden können, und zwar auf allen Hierarchieebenen. Damit wird klargestellt, dass wir einen Weg ebnen möchten, durch den auch Frauen in Führungspositionen arbeiten wollen.

(Zuruf der Abg. Günter Rudolph (SPD))

– Herr Rudolph, genau das ist der Punkt. Wir müssen in den Köpfen etwas ändern, und wir wollen – –

(Zuruf der Abg. Günter Rudolph (SPD))

– In dem Punkt haben wir gesagt, es müssen alle Stellen auch als für Teilzeit geeignet ausgeschrieben werden, über alle Hierarchieebenen hinweg. Dann gilt das Prinzip, dass sich Führung Gedanken machen muss, wie so etwas ermöglicht werden kann, anstatt es zu verhindern.

Wir müssen darüber eine Kultur des Ermöglichens an allen Dienststellen in Gang setzen. Das wird nicht alle mit Jubel und Freude erfüllen, sondern man muss dann darüber nachdenken, wie Arbeit so organisiert werden kann, dass auch Menschen in Teilzeit diese Arbeit künftig so erfüllen können, dass sie sich für alle zufriedenstellend erledigen lässt.

Dass eine solche Strategie zum Erfolg führen kann, zeigt der Weg, den der Landkreis Marburg-Biedenkopf mit seinem besonderen Konzept für Nachwuchsförderung eingeschlagen hat. Dort hat man es genau so gemacht und ist dort so herangegangen, indem besondere Fortbildung angeboten wurde und genau danach gesucht wurde, wo Frauen ihre Potenziale haben. Das ist der richtige Weg, den wir einschlagen müssen, damit Frauen stärker in Führungspositionen vertreten sind.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sind uns in der Koalition sehr einig darüber, dass das Gesetz nur den Wandel anstoßen und den Rahmen für einen Wandel setzen kann. Deshalb haben wir den Personalverantwortlichen auch einen Strauß von Maßnahmen an die Hand gegeben, wie sie eine geschlechtergerechte Personalentwicklung betreiben können – das geht von den eben erwähnten besonderen Fortbildungsmaßnahmen über Personalkostenbudgetierung bis hin zu einem veränderten Beurteilungswesen, das auch Unterschiede in Erwerbsbiografien berücksichtigen kann.

Das Beispiel beim RP Kassel zeigt, dass Personalkostenbudgetierung ein sehr erfolgreicher Weg sein kann, um auch Unterrepräsentanz von Frauen anzugehen und – auch das finde ich sehr wichtig – dass eine Dienststelle nicht zusammenbricht, wenn plötzlich anders dafür gesorgt wird, Frauen in Führungspositionen bringen zu können und man Gehirnschmalz darauf verwendet, diese vermeintlich unüberwindliche Hürde zu überwinden.

Über die Instrumente, die wir in dem Vorschlag zum HGlG, das wir in der übernächsten Woche in einer Anhörung haben, beraten werden, entscheiden die Dienststellen. Das geben wir ihnen an die Hand. Das Ziel aber ist klar, meine Damen und Herren: Es müssen mehr Frauen in Führungspositionen,

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Sigrid Erfurth:

damit wir beim nächsten Bericht auch hier sagen können, wir haben es geschafft, Frau Alex, auch wenn wir noch nicht alles erreicht haben. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vizepräsidentin Ursula Hammann:

Vielen Dank, Frau Kollegin Erfurth.

Zum Thema