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26.06.2013

Kordula Schulz-Asche: Änderung des Hessischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist richtig, die existierenden Gesetze immer wieder daraufhin zu überprüfen, ob sie der gesellschaftlichen Realität tatsächlich noch entsprechen. Deswegen sehen wir dem Gesetzentwurf, den die SPD hier eingebracht hat, um das Behindertengleichstellungsgesetz an die Realitäten anzupassen, grundsätzlich als einen richtigen Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

– Klatscht nicht zu früh. – Es ist natürlich richtig, dass wir im 21. Jahrhundert endlich dazu kommen, dass Menschen mit Behinderungen, aber zunehmend auch ältere Menschen, die beeinträchtigt sind, an unserem gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Deswegen haben, glaube ich, wir alle in diesem Haus das Ziel einer inklusiven Gesellschaft vor Augen. Wir alle sind am Überlegen – und arbeiten daran –, wie wir zu einer inklusiven Gesellschaft kommen.

Die inklusive Gesellschaft bedeutet einen Perspektivenwechsel. Das heißt nämlich nicht, dass wir einzelne Personen in die Gesellschaft integrieren, sondern dass man in der Gesellschaft insgesamt, auf allen Ebenen, darüber nachdenkt und auch so handelt, dass die Menschen, egal ob sie beeinträchtigt sind oder nicht, am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Wir haben in Hessen ein Behindertengleichstellungsgesetz und einen Aktionsplan. Wenn wir uns jetzt Gedanken darüber machen, wie die zukünftige Gestaltung aussehen soll, spielen die Organisationen der Betroffenen und vor allem auch die Kommunen dabei eine sehr große Rolle. Wir halten es für wesentlich, in die Novellierung des Behindertengleichstellungsgesetzes die Organisationen und die Kommunen einzubinden.

Es geht nicht darum, mit einem Strich ein Gesetz zu machen, sondern wir haben einen inklusiven Prozess vor uns, der nicht innerhalb eines Tages abläuft. Deswegen müssen wir uns zusammensetzen. Wir wissen auch, das ist nicht kostenfrei. Deswegen müssen wir einen Prozess gestalten, an dessen Ende die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen stehen.

Deswegen meinen wir, der Gesetzentwurf ist es wert, in einer Anhörung genauer betrachtet zu werden. Wir haben aber die Befürchtung, dass ein umfassender Prozess, in dem wirklich alle mitgenommen werden und in dem der Aktionsplan in konkrete Handlungsschritte überführt wird, nicht zustande kommt.

Unsere Kritik an dem bisherigen Plan ist, dass er keine konkreten Handlungsziele enthält, die zu erreichen sind. Genau dieser Prozess steht jetzt an. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich glaube, dass wir so kurz vor der Sommerpause und so kurz vor den Landtagswahlen einen breiten Prozess des inklusiven Denkens, der in allen Organisationen, in allen Kommunen sowie in den Städten und im Land stattfindet, nicht mehr umsetzen können.

Aber wir sind offen. Deswegen freuen wir uns, wie der Kollege Mick schon gesagt hat, auf die Anhörung; denn sie wird mit Sicherheit ein erster Schritt sein, um sich Gedanken darüber zu machen, wie die Inklusion in unserer Gesellschaft – auch durch rechtliche Rahmenbedingungen – zu ermöglichen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten glaube ich, dass wir nicht dem Beispiel der jetzigen Landesregierung folgen sollten, solche Prozesse, z. B. gerade auch den Aktionsplan, nicht mit allen Beteiligten durchzuführen. Vielmehr sollten wir diesen Prozess sehr ernst nehmen. Die inklusive Gesellschaft ist kein Ergebnis von Gesetzen, sondern ein Ergebnis von sozialen und gesellschaftlichen Konsensen und Kompromissen.

Deswegen sage ich: Wir brauchen eine breite Beteiligung. Das sieht der Gesetzentwurf in der jetzigen Form leider nicht vor; aber, wie gesagt, man kann alles anhören, man kann alles bearbeiten, und man kann zu allem Änderungsanträge einbringen.

Wir haben selbst ein Konzept mit dem Titel „Barrierefreiheit als universelles Gestaltungsdesign“ eingebracht. Ich glaube, dass wir mit diesem Konzept schon einen wesentlichen Beitrag geleistet haben und dass sich die verschiedenen Akteure, denen es um Inklusion in Hessen geht, daran orientieren und mit uns darüber diskutieren können.

Ich glaube, das ist der richtige Weg. Dann werden wir auch die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Deswegen freue ich mich, wie auch Herr Mick, auf die Anhörung. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Frank Lortz:

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche.