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10.02.2017

NSU-Untersuchungsausschuss: Sperrerklärung war ‚Entscheidung zwischen Pest und Cholera‘

Die GRÜNEN im Landtag haben in der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses des Landtages zum Kasseler NSU-Mord weitere Erkenntnisse über die Sperrerklärung zur Vernehmung der vom damaligen hessischen Verfassungsschutz-Mitarbeiter Andreas Temme geführten V-Leute gewonnen. „Wir haben heute einen Zeugen, der damals beim Verfassungsschutz arbeitete, und zwei Zeugen aus dem damaligen Innenministerium angehört und Einblicke in die Ereignisse des Frühjahrs 2006 bekommen“, erläutert Daniel May, stellvertretender Ausschuss-Obmann der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. „Alle Zeugen waren sich einig, dass Temme nach Bekanntwerden des Tatverdachts nicht mehr beim Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beschäftigt werden konnte. Sie stimmten auch darin überein, dass der vom damaligen Innenminister Volker Bouffier abgegebenen Sperrerklärung eine eingehende Prüfung und Abwägung vorausgegangen war. Zur Frage, ob das Parlament zu spät informiert wurde, äußerten die Zeugen des Innenministeriums, dass man sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht für einen früheren Zeitpunkt entschieden habe.“

 

„Der damalige stellvertretende Direktor des LfV, Peter Stark, war als Stellvertreter für Lutz Irrgang mit dem Fall Temme in Berührung gekommen. Er hatte wenige Erinnerungen an einzelne Sachverhalte. Allerdings war er sich sicher, dass es nach Bekanntwerden des Tatverdachts oberste Priorität war, dass Temme nicht mehr in das LfV zurückkehren konnte. Drei Tage nach seiner vorläufigen Festnahme wurde ihm deshalb die Führung der Dienstgeschäfte untersagt“, erklärt May. „Dies bezeugten auch Karin Gätcke, die damalige Büroleiterin des Innenministers und der damalige Pressesprecher des Innenministers, der heutige Regierungssprecher und Staatssekretär Michael Bußer. Alle seien sich damals einig gewesen, dass Temme beim Verfassungsschutz nicht mehr weiterbeschäftigt werden könne. Das bestätigt unsere Auffassung, dass Temme für das LfV unhaltbar war.“

 

Gätcke und Bußer nahmen 2006 an einer Besprechung im Innenministerium teil, bei darum ging, eine Aussagegenehmigungen für die von Temme geführten Quellen zur erteilen. Es wurde damals entschieden sie nicht durch die Polizei förmlich vernehmen zu lassen. „Die damalige Büroleiterin des Innenministers erklärte, dass dem Minister klar gewesen sei, dass die Sperrerklärung eine ‚Entscheidung zwischen Pest und Cholera‘ war. Bußer und Gätcke bestätigten, dass der Minister in der Folgezeit alles daran gesetzt habe, seine Entscheidung auf eine vollständig ermittelte Tatsachengrundlage zu stützen. Deshalb seien in mehreren Gesprächen auch die verantwortlichen Personen der ermittlungsleitenden Staatsanwaltschaft und des Justizministeriums einbezogen worden. Das zeigt, dass Volker Bouffier sich die Entscheidung keineswegs leicht gemacht hat“, so May.

 


Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
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