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24.02.2015

Beratung im Ältestenrat über Abberufung von Hans-Jürgen Irmer als Vorsitzender des Landtags-Unterausschusses

Die GRÜNE Landtagsfraktion hat sich erneut intensiv mit den Äußerungen des Abgeordneten Hans-Jürgen Irmer und der Forderung nach seiner Abberufung als Vorsitzender des Unterausschusses des Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung befasst. Hierzu hat die Fraktion beschlossen:

  • Die Fraktion hat sich immer klar und geschlossen – auch im Landtag – von inakzeptablen Äußerungen von Herrn Irmer gegenüber Minderheiten distanziert und sie als falsch und schädlich beurteilt und wird dies auch weiter tun.

 Konkret wurde in der Landtagsdebatte vom 4. April 2014 im Namen der Fraktion gesagt:
„Ich will das sehr deutlich sagen. Wir halten diesen Vergleich, den Herr Kollege Irmer […] hergestellt hat […] für falsch, unangemessen, sachfremd und für völlig überflüssig. Um es sehr deutlich zu sagen: Von der GRÜNEN-Landtagsfraktion und den grünen Abgeordneten wird es kein Wort der Rechtfertigung oder gar der Verteidigung für diesen Vergleich geben“.

In der Landtagssitzung vom 4. November 2014:
„Im Grunde geht es in dem Kampf für Akzeptanz und gegen Diskriminierung genau darum. Auch Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität wollen und sollen ein Leben führen können wie alle anderen: ein Leben frei von schrägen Blicken, ein Leben frei von Anfeindungen und ein Leben frei von Ausgrenzung, ein – in diesem Sinne, meine Damen und Herren – normales Leben. Herr Kollege Irmer, eben weil Sie diese Normalität infrage gestellt haben, haben viele Menschen Ihre Äußerung zu Recht als so verletzend empfunden“.

In Bezug auf die jüngsten Veröffentlichungen wurde in der Landtagsdebatte vom 5. Februar 2015 für die GRÜNEN gesagt:
„Wir teilen die Auffassungen von Herrn Irmer zum Islam nicht. Wir halten es ausdrücklich für falsch, dass man den Islam und Islamismus gleichsetzt. Das ist genau das falsche Signal in der aktuellen Situation. Wir sind Kirchen und Glaubensgemeinschaften, wir sind Christen, Juden und Muslime für das Signal sehr dankbar, das sie nach den furchtbaren Anschlägen von Paris gesetzt haben. Und dieses Signal war eindeutig: Mord, Gewalt, Terror können sich niemals auf Gott und auf keinen Gott in keiner Religion berufen“

  • Die Fraktion bekräftigt, dass sie sich auch in Zukunft klar gegen fremdenfeindliche, Ressentiments schürende und homophobe Äußerungen positionieren wird. Dies tun wir vor allem auf Grundlage unserer GRÜNEN Grundüberzeugungen aber auch auf Basis der Vereinbarungen aus dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag, in dem es für solche Auffassungen keinen Platz gibt.
  • Mit seinem Rücktritt von seinen Ämtern als bildungspolitischer Sprecher und stv. Fraktionsvorsitzender hat Herr Irmer Konsequenzen gezogen. Wir bleiben bei unserer Kritik an seinen aus unserer Sicht inakzeptablen Äußerungen, treten aber nach den erfolgten Rücktritten nicht nach.
  • Die Fraktion hat sich mit der Überlegung nach Teilung des Ausschusses befasst und ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Eine Trennung widerspricht dem Bemühen stärker eine immer stärker gemeinsame Integrationspolitik für die verschiedenen Gruppen zu gestalten. Auch würde eine solche Teilung ebenso wie ein Wechsel beim Ausschussvorsitz des UHW nicht zu einem Ende der Debatte über die Person Hans-Jürgen Irmer und seine Äußerungen führen. Die Integrations- und Flüchtlingspolitik in Hessen wird zudem nicht vom Vorsitzenden des Unterausschusses für Heimatvertriebene, Aussiedler, Flüchtlinge und Wiedergutmachung bestimmt, sondern – wie bei allen anderen Ausschüssen auch – von Beschlüssen im Landtag. Deshalb greift die Fraktion diese Überlegung nicht auf.
  • In einer Koalition ist unter Wahrung der Freiheit des Abgeordnetenmandats der Umgang mit Abgeordneten, die von den gemeinsam gesetzten Zielen und Verfahren des Koalitionsvertrags abweichende Vorstellungen haben, zuerst Aufgabe der jeweiligen Fraktion.
  • Die Fraktion erwartet, dass die erfolgreiche Integrations-, Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik der schwarz-grünen Koalition nicht weiter von Äußerungen eines Einzelnen überschattet wird.
  • Bereits im ersten Jahr haben wir in diesen Bereichen sehr viel erreicht:
    • Berufung eines Staatssekretärs und Bevollmächtigten für Integration und Antidiskriminierung;
    • Einrichtung des Kabinettausschusses Integration, in dem sich sämtliche Ressorts mit dieser Querschnittsaufgabe befassen;
    • deutliche Stärkung der Mittel im Haushalt 2015 für die Aufnahme, Unterbringung und angemessene Versorgung von Flüchtlingen, insbesondere der Pauschalen für die Landkreise und kreisfreien Städte um 15 %;
    • Einberufung der Asylkonferenz in Hessen und auf hessischer Initiative auch im Bund;
    • Erfolgreicher Einsatz auf Bundesebene für mehr Unterstützung der Länder und Kommunen bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen;
    • Bundesweite Aufhebung der Residenzpflicht (über Bundesrat)
    • Erleichterter Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge (über Bundesrat)
    • Forderung eines Bleiberechts für Asylsuchende mindestens für die Dauer einer Ausbildung;
    • Hürden für Härtefälle abgebaut (Härtefallkommissiongesetz);
    • Integrationsprogramm WIR gestärkt (3,1 Millionen für WIR-Koordinationsstellen in den Gebietskörperschaften sowie Projektförderung. Ziel: Stärkere Vernetzung der bestehenden Integrationsangebote vor Ort sowie Sprachförderung, Qualifizierung von Integrationslotsen u.a.);
    • Einberufung Integrationsbeirat;
    • Unterzeichnung Rahmenvereinbarung mit dem Landesverband der Sinti und Roma;
    • Ausbau von Sprachförderung in Kitas;
    • Lehrerzuweisung nach Sozialindex ausgeweitet;
    • Zusätzliche Lehrerstellen für Sprachförderung von Quereinsteigern aus anderen Ländern
    • Ausweitung des islamischen Religionsunterrichts
    • Mehr Geld für muslimische Seelsorge in Gefängnissen;
    • Beitritt zur „Koalition gegen Diskriminierung“;
    • Einrichtung Antidiskriminierungsstelle des Landes Hessen;
    • Stärkere Unterstützung der SchLAu-Projekte an Schulen (SchLAu steht für Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung).
    • Verbesserungen am Asylbewerberleistungsgesetz durch Verhandlungen auf Bundesratsebene, insbesondere Ermöglichung der Einführung einer Gesundheitskarte für Asylsuchende auch in den Flächenländern
  • Wir haben auch noch viel vor:
    • Einberufung einer Integrationskonferenz
    • Erarbeitung eines Integrationsplans inklusive Abschließen von Integrationsverträgen zwischen dem Land und zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Vereinen, Verbänden, Kommunen und Religionsgemeinschaften;
    • Stärkere interkulturelle Öffnung des öffentlichen Dienstes und anderer Bereiche (z.B. Pflege);
    • Weiterer Ausbau von Sprachförderangeboten;
    • Übergang zwischen Schule und Beruf weiterentwickeln und jedem jungen Menschen eine Ausbildung ermöglichen;
    • Weiterer Ausbau des islamischen Religionsunterrichts;
    • Zügige Prüfung und Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen und Abschlüsse;
    • Einbürgerungskampagne;
    • Weiterentwicklung der Integrationsarbeit;
    • Unternehmen ermutigen, der „Charta der Vielfalt“ beizutreten;
    • Aufbau von zwei neuen Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge, um die Betreuungs- und Unterbringungssituation zu verbessern
    • Spezifisches Konzept zur Förderung und Integration junger Flüchtlinge über 16 Jahren, die nicht mehr schulpflichtig sind;
    • Evaluierung und Änderung des Landesaufnahmegesetzes;
    • Umsetzung der EU-Richtlinie für besonders Schutzbedürftige (Kranke, Alte, Traumatisierte, Menschen mit Behinderung);
    • Entwicklung einer Antidiskriminierungsstrategie;
    • Erarbeitung eines „Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt“ zusammen mit den Selbstvertretungsorganisationen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen;
    • Aufarbeitung der Schicksale der Opfer des ehemaligen §175 StGB („Unzucht zwischen Männern“).
  • Die GRÜNE Landtagsfraktion wird sich auch weiterhin für ein weltoffenes und vielfältiges Hessen einsetzen, in dem einander bei aller Unterschiedlichkeit mit Respekt begegnet wird und Diskriminierung keinen Platz hat. Zu Äußerungen, die diesen Zielen entgegenstehen werden wir nicht schweigen, sondern deutlich Gegenposition beziehen. Wir werden uns davon aber nicht bei der Umsetzung aufhalten und schon gar nicht abhalten lassen.

Pressestelle der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag
Pressesprecher: Volker Schmidt

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