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12.11.2010

Hessen tritt auf die Schuldenbremse - Aktualisiert Haushalt 2012

Vorschaubild Konzeptpapier

Ursprüngliches Konzept 7 mit den Zahlen für den Haushalt 2011

Als erste Landtagsfraktion haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein umfassendes Konzept vorgelegt, wie der Landeshaushalt saniert und gleichzeitig die notwendigen öffentlichen Investitionen gesichert werden können. Bis zum Jahr 2020 wollen die GRÜNEN das strukturelle Defizit von 1,9 Milliarden Euro schrittweise abbauen, einen Haushalt ohne neue Schulden ermöglichen und somit die Vorgaben der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse einhalten. Gleichzeitig zeigt die Fraktion auf, in welchen Bereichen das Land zur Sicherung seiner Zukunftschancen mehr als bislang investieren muss. Die Vorschläge der GRÜNEN setzen auf eine Kombination von Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Einnahmeerhöhungen. “Wir müssen mit dem Auftürmen immer neuer Schulden endlich Schluss machen. Die Schuldenbremse darf aber nicht zu einem schwachen, handlungsunfähigen Staat führen. Für die Generationengerechtigkeit ist beispielsweise nichts gewonnen, wenn notwendige Investitionen in Bildung unterbleiben, um die Schuldenbremse einzuhalten. Umgekehrt stimmt etwas in einem Staat nicht, wenn die heutigen Bildungsinvestitionen nur mit Schulden zu Lasten künftiger Generationen finanziert werden können. Mit unserem Konzept stellen wir uns der Herausforderung, beides in Einklang zu bringen”, erläutert der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Tarek Al-Wazir.

Die GRÜNEN verstehen ihr Konzept als Vorschlag und Einladung an die anderen Fraktionen im Landtag und die Öffentlichkeit, konkret über die Umsetzung der Schuldenbremse zu reden. “Wir haben, obwohl wir in der Opposition sind, als erste den Kopf aus dem Fenster gesteckt. Wir wissen, dass wir mit unserem Konzept vielen einiges zumuten. Dafür liegt jetzt endlich ein Vorschlag vor, mit dem sich alle konkret auseinandersetzen und um den besten Weg ringen können. Wer die von uns vorgeschlagenen Einsparungen nicht will, möge bitte Vorschläge für Einsparungen an anderer Stelle machen. Wer glaubt, Einnahmeverbesserungen seien nicht nötig, möge bitte sagen, wo noch stärker gekürzt werden soll. Wer zusätzliche Investitionen in den Bereichen Umwelt, Bildung und Soziales für überflüssig hält und mit der Schuldenbremse dem schwachen Staat das Wort reden will, möge dies bitte offen sagen. Die Zeit der abstrakten Debatten ist vorbei. Jetzt heißt es für alle, Farbe zu bekennen. Wir glauben, ein ausgewogenes Paket von Einsparungen, Effizienzsteigerungen und Einnahmeerhöhungen zusammengestellt zu haben. Für bessere Vorschläge sind wir aber selbstverständlich offen”, so Al-Wazir.

Zu den Vorschlägen der GRÜNEN gehören der Abbau von Subventionen, die Umstellung der Förderprogramme von Zuschüssen auf Darlehen, Einsparungen bei Personal- und Sachkosten ebenso wie eine Verkleinerung des Landtags und der Landesregierung. Dazu kommen Einnahmeverbesserungen wie die Anhebung der Grunderwerbssteuer und die Einführung eines Wassercents. In die Zukunftsbereiche Bildung, Umwelt und Soziales werden zusätzliche Mittel investiert.

Neuverschuldung 2011 reduzieren und bis 2020 vollständig abbauen

In einem ersten Schritt vermindern DIE GRÜNEN die Neuverschuldung 2011 um rund 240 Millionen Euro. Ihre langfristigen Vorschläge zu Ausgabenminderung und Einnahmeverbesserung auf Landesebene würden dazu führen, dass das in eigener landespolitischer Verantwortung beeinflussbare Defizit 2020 um 960 Millionen Euro sinkt. Werden darüber hinaus die im Konzept erhaltenen steuerpolitischen Vorschläge auf Bundesebene umgesetzt, steigt der Konsolidierungsbeitrag im Jahre 2020 auf über 2,2 Milliarden Euro. Damit wäre das strukturelle Defizit von 1,9 Milliarden Euro restlos geschlossen.

“Wir haben das kurzfristig begrenzte Einsparpotenzial für 2011 genutzt. Gleichzeitig schlagen wir bis 2020 zahlreiche strukturelle Veränderungen vor, die erhebliche finanzielle Mittel freisetzen. In den Zahlen sind bereits die nötigen Mehrausgaben enthalten, um Zukunftschancen in den Bereichen Bildung, Umwelt und Soziales zu eröffnen. Statt mit dem Rasenmäher zu kürzen, haben wir konzeptionell gespart, intelligent umgeschichtet und auf sozial ausgewogene Steuermehreinnahmen gesetzt”, fasst Al-Wazir die Strategie der GRÜNEN zusammen.

Subventionsabbau und Verwaltungsreform

Wer die staatlichen Ausgaben überprüft, muss aus Sicht der GRÜNEN bei den Subventionen beginnen. Sie schlagen deshalb vor, zahlreiche Subventionen bis 2020 um durchschnittlich 30 Prozent zu vermindern. Zuschussprogramme sollten – wo immer möglich – durch Förderkredite ersetzt werden. Die Kürzungen betreffen sowohl die Wirtschaftsförderung als auch die Landwirtschaft, den Sport, die Stadtsanierung und die Dorferneuerung. Dieser vorgeschlagene Subventionsabbau soll dem Land im Jahr 2011 sechs Millionen Euro, bis 2020 55 Millionen Euro ersparen.

Weiterhin schlagen DIE GRÜNEN vor, die Verwaltungsstrukturen zu modernisieren, um Effizienzgewinne zu erzielen Die Regierungspräsidien und die Landkreise sollen zu einer Verwaltungsebene, den Regionalkreisen zusammengefasst werden. Landesbehörden wie beispielsweise das Statistische Landesamt oder der Verfassungsschutz sollen mit den Nachbarländern gemeinsam betrieben werden. Diese Vorschläge wirken erst mittelfristig und können dem Land 2020 knapp 65 Millionen Euro ersparen. “Wer anderen etwas zumutet, muss auch im eigenen Verantwortungsbereich handeln. Deshalb wollen wir auch Landesregierung und Landtag verkleinern. Künftig soll es statt regulär 110 nur noch 99 Abgeordnete geben.”

Personal- und Sachausgaben im Griff

Weiterhin setzen DIE GRÜNEN bei den großen Blöcken der Personal- und Sachausgaben an. “Wir wollen durch Ausnutzung der Fluktuation bis 2020 zehn Prozent der Stellen in den Ministerien und obersten Landesbehörden abbauen. Von den Kürzungen nicht betroffen sind die anderen Beamten, zum Beispiel in den Schulen und bei der Polizei.” Weiterhin schlagen DIE GRÜNEN vor, die 13. Monatspension für Versorgungsempfänger teilweise zu streichen und die Beihilfeleistungen dem Bundesniveau anzupassen. Das bedeutet, dass es keine Erstattung der Chefarztkosten und der eines Einzelzimmers mehr geben soll. Im Gegenzug solle die Wochenarbeitszeit der Beamten schrittweise auf 40 Stunden reduziert werden.

Auch bei den Sachausgaben sehen DIE GRÜNEN die Chance, durch nachhaltiges Wirtschaften die Kosten bis 2020 um zehn Prozent zu drücken. Alle Vorschläge in diesem Bereich zusammengenommen ergeben im Jahr 2011 Einsparungen von 22 Millionen Euro, im Jahr 2020 solche von 235 Millionen Euro.

Bei einer grundlegenden Durchforstung des Haushaltes treten weitere Einsparpotenziale zu Tage, die DIE GRÜNEN unter “Fachspezifische Veränderungen in den Ressorts” zusammengefasst haben. Darunter fällt z. B. eine Neukonzeption des Hessentages, der entweder deutlich kostengünstiger werden oder nur noch in einem Zwei-Jahres-Rhythmus stattfinden soll. Diese Vorschläge sind zum Teil kurzfristig umsetzbar, teilweise erbringen sie aber nur einmalige Einsparsummen und summieren sich deshalb 2011 wie 2020 auf etwas mehr als 80 Millionen Euro.

Zukunftschancen eröffnen: Bildung, Umwelt und Soziales

“Bildung sehen wir als eines der wichtigsten Zukunftsthemen an, es entscheidet über die Chancen der nachfolgenden Generationen. Deshalb sehen wir in den Budgets für Schulen und Hochschulen bis 2020 gegenüber dem status quo einen Mehrbedarf von einer halben Milliarde Euro, den wir schrittweise zur Verfügung stellen wollen. Durch die so genannte demographische Rendite wird es etwas leichter dieses Ziel zu erreichen, aber es bleibt eine Herkulesaufgabe. Der erste Schritt für 2011 soll 100 Millionen Euro umfassen”, kündigt Al-Wazir an. “Ebenso erfordert der Klimawandel und der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ein Umsteuern in der Umwelt- und Verkehrspolitik. Hier soll der Mitteleinsatz beginnend mit 74 Millionen Euro im Jahr 2011 bis 2020 auf 124 Millionen Euro gesteigert werden.” Im Sozialbereich wollen DIE GRÜNEN den Schwerpunkt  auf die effektivere Verwendung der Landesmittel und auf die Kinderbetreuung legen. Das Sozialbudget der GRÜNEN soll darüber hinaus das soziale Angebot an Dienstleistungen und Hilfen in Hessen sichern. Wegen Umstrukturierungen und zugesagten Bundesmitteln erwarten DIE GRÜNEN hier 2020 mit Mehrausgaben von rund drei Millionen Euro auszukommen, 2011 werden es aber erst einmal 30 Millionen Euro.

Auch Einnahmeverbesserungen sind nötig

Die vorgeschlagenen Umschichtungen und Einsparungen müssen durch Einnahmeverbesserungen begleitet werden. DIE GRÜNEN unterscheiden zwischen Einnahmen, die das Land eigenständig gestalten kann und weiteren im Bund vorzunehmenden Steuerrechtsänderungen. So soll auf Landesebene die Grunderwerbssteuer um einen Prozentpunkt angehoben werden, ein Wassercent eingeführt und Betriebsprüfungen und Steuerfahndung intensiviert werden. Alles zusammengenommen können im Jahr 2020 Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro erzielt werden, 2011 kann bereits mit 320 Millionen gerechnet werden. Weitere im Bund vorzunehmende Steuerrechtsänderungen – zum Beispiel die Streichung von Umsatzsteuerausnahmen, ein Spitzensteuersatz von 45 Prozent und eine höhere Erbschaftssteuer – können Hessen 2011 bereits 291 Millionen Euro, im Jahr 2020 knapp 1,3 Milliarden Euro bringen. “Es ist kein Zufall, dass die Schuldenbremse für die Länder erst ab dem Jahr 2020 und damit exakt in dem Jahr gilt, in dem der Solidarpakt Ost ausläuft. Ausgeglichene Haushalte in allen Bundesländern werden nur dann erreichbar sein, wenn den Ländern beim Umgang mit ihren Altschulden geholfen wird. Deshalb erneuern wir unseren Vorschlag eines Altschuldenfonds, bei dem der Bund den Ländern bei den zu leistenden Zinszahlungen hilft, während die Länder entsprechend ihrer jeweiligen Schuldenlast die Verantwortung für die Tilgung behalten und dadurch ab 2020 auch beginnen können, nicht nur die Neuverschuldung zu stoppen, sondern auch Altschulden abzutragen. Unter dem Strich rechnen wir mit einer Entlastung Hessens von 500 Mio. Euro”, so Al-Wazir.

GRÜNE fordern Reform des Kommunalen Finanzausgleichs (KFA)

Zusätzlich zu den Haushaltsanträgen haben DIE GRÜNEN einen Antrag eingebracht, der die von der Landesregierung geplante Kürzung des KFA um 360 Millionen Euro korrigiert. “Durch die Kürzung würde die ohnehin schwierige Finanzlage der Kommunen weiter verschärft. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, die Kürzung für 2011 vollständig auszugleichen. Dazu soll die Spitzabrechnung des KFA für 2010 vorgezogen werden. Das dann noch fehlende Geld soll aus den Steuermehreinnahmen des Jahres 2010 finanziert werden”, fordert Tarek Al-Wazir. Ein solch kurzfristiger Schritt wie das Vorziehen der Spitzabrechnung ist aber nur vertretbar, wenn endlich langfristig wirksame Reformen des KFA eingeleitet werden. Deshalb fordern DIE GRÜNEN die Landesregierung auf, eine grundlegende Reform des KFA anzugehen, die zum 01.01.2012 in Kraft treten muss.

“Wir sind offen für Gespräche über eine Weiterentwicklung unserer Vorschläge. Die Regierungsfraktionen CDU und FDP sind bis heute konkrete Aussagen darüber schuldig geblieben, wie ihr Weg des Schuldenabbaus aussehen soll. Wir sind die erste Fraktion, die einen detaillierten Weg zum Abbau des strukturellen Defizits im Landeshaushalt aufzeigt. Wer unser Konzept schlecht findet, den bitten wir allerdings um einen Gegenvorschlag”, lädt Al-Wazir zur weiteren Diskussion ein.


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