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Dossier: Dubiose Auftragsvergaben der Landesregierung

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Zweifelhafte Praktiken bei der Auftragsvergabe durch die Landesregierung beschäftigen derzeit den Hessischen Landtag. Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Einrichtung des digitalen Polizeifunks und andere IT-Projekte des Landes aus den Jahren 2008 bis 2010 wurden nicht offen ausgeschrieben und an CDU-nahe Unternehmen vergeben. Die Aufträge haben ein Gesamtvolumen von rund 21 Millionen Euro. Nachzulesen sind die Auftragsvergaben im Amtsblatt der Europäischen Union. Die EU-Vergabeordnung verlangt für öffentliche Aufträge bereits ab einem Wert von 206.000 Euro eine offene Ausschreibung.

Die dubiosen Vergabefälle

Recherchen der GRÜNEN haben ergeben, dass ein Auftrag im Wert von 18,48 Millionen Euro der Wiesbadener Götzfried AG zugeteilt wurden, in deren Aufsichtsrat der CDU-Fraktionsvorsitzende Christean Wagner sitzt. Der Auftrag war ursprünglich im Mai 2008 ausgeschrieben worden, wurde im Februar 2009 aber wieder aufgehoben und dann in einem beschleunigten Verfahren am 7. Juli vergeben.

Bei dem „Projekt Digitalfunk BOS Hessen“ geht es um drei Aufträge, die es zusammen auf ein Volumen von 1,067 Millionen Euro bringen und, obwohl auch hier die entsprechende Vergabeschwelle überschritten wurde, nicht öffentlich ausgeschrieben wurden. Profiteur war die Valora Consulting, eine Firma, an der Dr. Walter Gora, Vorstandsmitglied des hessischen CDU-Wirtschaftsrats, maßgeblich beteiligt ist.

Undurchschaubares Beziehungsgeflecht

Verflechtungen bei der Auftragsvergabe der Landesregierung als Schaubild.

Die zum Zuge gekommenen Unternehmen stehen in direktem Bezug zum Verein ISPRAT (Interdisziplinäre Studien zu Politik, Recht, Administration und Technologie e.V.). Thomas Götzfried (Götzfried AG) ist Vorstandsmitglied dieses Vereins und auch Dr. Walter Gora wird als Mitglied geführt.

Staatssekretär Westerfeld ist Geschäftsführer von ISPRAT. Diese Nebentätigkeit des Staatssekretärs hatte die Landesregierung nach einer Kleinen Anfrage (Drucksache 18/983) dem Landtag vorenthalten. Fraglich ist, ob Westerfeld diese Tätigkeit überhaupt ausführen durfte: Nach §79 (2) des Hessischen Beamtengesetz ist Beamten eine Nebentätigkeit, die „den Beamten in einen Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen kann; sie in einer Angelegenheit ausgeübt wird, in der die Behörde, der der Beamte angehört, tätig wird oder tätig werden kann oder die Nebentätigkeit die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflussen kann“.

Parlamentarisches Vorgehen der GRÜNEN

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Am 22. September 2010 beschäftigte sich in einer gemeinsamen Sitzung erstmals der Haushalts- und Innenausschuss mit der Vergabepraxis der Landesregierung. Die Regierung argumentierte mit „einzigartigen“ Kenntnissen der betreffenden Firma. Allerdings wurden vergleichbare Aufträge in anderen Bundesländern offen ausgeschrieben und andere Firmen waren zum Zug gekommen. Die Argumentation, Walter Goras Firmen hätten durch eine vorherige Tätigkeit über ein Vorwissen verfügt, das sie „einzigartig“ im Sinne der Vergabeordnung mache, nannte der wirtschaftspolitische Sprecher der GRÜNEN, Kai Klose, „absurd“. So wirke das Land daran mit, dass eine Firma, die Fachwissen auf Kosten der hessischen Steuerzahler erworben habe, ein Monopol erwirke.

Da nach der Sitzung vom 22. September zu viele Fragen offen blieben, haben DIE GRÜNEN am 1. Oktober einen Dringlichen Antrag eingereicht. Dieser neue Antrag fragt dezidiert nach den Vergabeverfahren im IT-Bereich. „Wir wollen jetzt endlich von der Landesregierung erfahren, warum konkret sie – anders als alle anderen Bundesländer – von der Regel abgewichen ist und freihändig vergeben hat. Die bisherigen Erklärungsversuche sind mit geltendem Recht nicht vereinbar“, begründet Kai Klose das weitere Vorgehen.

Aktualisierung – November 2011: CDU-Politiker gestehen Fehler ein

Finanzminister Schäfer (CDU) musste einräumen, dass die Vorwürfe der GRÜNEN Landtagsfraktion hinsichtlich der rechts-widrigen Vergabepraxis der Landesregierung zutreffen. Wenige Tage später gab auch Regierungssprecher Michael Bußer (CDU) gegenüber der  HR-Sendung „defacto“  zu, Einfluss auf Auftragsvergaben im Bereich „Digitalfunk“ zugunsten seines Parteifreundes Dr. Georgi genommen zu haben. Bußer und Georgi sitzen beide im Vorstand der Seligenstädter CDU.

„Der Zustand dieses Augiasstalls ist weit übler, als es uns der vermeintliche Aufklärer, Finanzminister Schäfer, am vergangenen Donnerstag weismachen wollte“, urteilte Kai Klose. „Wir stehen keineswegs am Ende der Aufklärung zu den rechtswidrigen Vergaben und der Vetternwirtschaft, sondern fangen gerade erst an. Die Wahrheit kommt nur scheibchenweiche ans Licht.“

Zuvor hatte Finanzminister Schäfer (CDU) bei der Beantwortung eines Dringlichen Berichtsantrags der GRÜNEN die Verantwortung für die fehlerhaften Auftragsvergaben ausschließlich der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) zugewiesen. „Diese Argumentation ist nun nicht mehr haltbar“, stellt Klose fest. „Herr Bußer war damals als Pressesprecher und ist heute als Regierungssprecher der engste Mitarbeiter von Volker Bouffier. Wenn er als rechte Hand des Ministers der Fachabteilung damals den Namen seines CDU-Vorstandskollegen und Wunschkandidaten nennt, ist das ein eindeutiger Fall parteipolitischer Einflussnahme und Vetternwirtschaft.“

Kai Klose kündigte an, weiter an der Aufklärung der Vergabepraxis der Landesregierung zu arbeiten.

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